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AMRI : Permanente Bußpredigten im Flüchtlingsheim

21.01.2019
2023-08-30T12:36:14.7200Z
3 Min

Nicht auszuhalten, diese ewigen Moralpredigten. Musik hören sei unislamisch. Fernsehen sei unislamisch. Freundschaft mit Deutschen sei unislamisch. Nicht jeden Tag in der Moschee zu beten, sei unislamisch. Dass ihr Zimmergenosse Anis Amri ein schräger Vogel war, "nicht normal" jedenfalls, sei den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft in Emmerich am Niederrhein im Frühherbst 2015 schnell klar gewesen, berichtete in der vorigen Woche der Syrer Mohammed J. dem Amri-Untersuchungsausschuss. Immer wieder habe der spätere Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz gedroht, Gott werde sie beim Jüngsten Gericht für ihre kleinen täglichen Verfehlungen zur Rechenschaft ziehen.

Schließlich verständigten Amris Mitbewohner den Heimleiter, dass sie befürchteten, einen gefährlichen Islamisten in ihrer Mitte zu haben. Doch der erklärte sich für unzuständig. Amri stehe unter dem "Schutz" des Sozialamtes, er könne da nichts machen, schon gar nicht die Polizei einschalten. Den Zeugen J. wundert das bis heute.

Zeitgleich mit Amri war er am 18. August 2015 in der Emmericher Unterkunft eingetroffen, wo er einen knappen Monat lang mit dem Tunesier ein Vierbettzimmer bewohnte. Amri habe hier das Leben eines Einzelgängers geführt, Stunde um Stunde betend in der Moschee verbracht, ansonsten einsam am Rheinufer gesessen. Einige Tage sei er der Unterkunft auch ferngeblieben und schließlich endgültig verschwunden, nach Berlin, wie sich herausstellte.

Viele Monate später, er hatte mittlerweile eine Sozialwohnung in Emmerich bezogen, habe er Amri noch einmal auf der Straße getroffen, berichtete der Zeuge. Der Tunesier habe ihm erzählt, dass er in Berlin als "Mohammed" gemeldet sei.

In der Unterkunft war dem Zeugen eines Tages aufgefallen, dass sich unter Amris Habseligkeiten ein Aufkleber mit dem Emblem des sogenannten Islamischen Staates (IS) befand. Gelegentlich habe er Videogespräche beobachtet, die die Tunesier auf seinem Mobiltelefon mit IS-Kämpfern in Syrien geführt habe. Es seien immer dieselben vier, fünf Männer gewesen, wilde Gesellen mit Kalaschnikows und langen Mähnen, auf keinen Fall Syrer. Sie hätten einen Dialekt aus dem nordafrikanischen Maghreb gesprochen.

»Gute Leute« im Knast Amri habe in der Unterkunft auch den Heiligen Krieg gepredigt, berichtete J. weiter. Was sie als Syrer im Land der Ungläubigen zu suchen hätten, habe er seine Mitbewohner angeherrscht. Sie hätten lieber zu Hause in den Dschihad ziehen und ihren "Brüdern zum Sieg verhelfen" sollen. Auf die Gegenfrage, warum er denn in Deutschland sei, habe Amri geantwortet, er wolle hier soviel Geld wie möglich an sich bringen, um die Reise zum IS nach Syrien zu finanzieren. Er habe drei Jahre in Italien im Gefängnis gesessen und sei mittellos. Der Knast sei indes auch ein "Glück im Unglück" gewesen. Er, der bis dahin ein weltliches und gottvergessenes Leben geführt habe, habe dort "gute Leute" kennengelernt, die ihm "den wahren Weg gezeigt" hätten. Die Haft hatte Amri das "Erweckungserlebnis" beschert.

Er habe solche Typen schon in Syrien gekannt, sagte J. Leute, die den Koran nach ihrer persönlichen Laune interpretierten. Amri etwa habe behauptet, man dürfe Ungläubige bestehlen: "Ich bin auch Moslem, aber ich habe nicht die gleiche Gesinnung. Meine Religion hat nichts mit Terror und Mord zu tun."