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BERATER-AFFÄRE : Widersprüchliche Zeugen

Ministerium überrascht Untersuchungsausschuss mit neuen Unterlagen

16.12.2019
2023-08-30T12:36:32.7200Z
4 Min

Von "Hexenjagd" bis "Kesseltreiben": Eine geballte Ladung Verbitterung prasselte auf die Abgeordneten ein. Verstöße gegen Recht und Regeln bei der Vergabe von Beraterverträgen soll der Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses unter die Lupe nehmen. Doch bei der Sitzung in der vergangenen Woche hatten sie es erst einmal mit einem Zeugen zu tun, der mächtig Frust abließ. Gerd K. war Referatsleiter im Ministerium, wechselte dann in den Job eines Geschäftsführers der bundeseigenen HIL GmbH - der Heeres-Instandsetzung-Logistik, die in drei Werken in St. Wendel, Darmstadt und Doberlug-Kirchhain gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge wartet und repariert.

Zunächst verstand er sich mit dem Arbeitnehmervertreter und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Matthias M. "von Saarländer zu Saarländer" gut. Doch dann gerieten sich die beiden gründlich in die Haare - bis heute, wie man weiß, weil Matthias M. bereits als Zeuge vor dem Ausschuss ausgesagt hat. Der Geschäftsführer hatte den Gewerkschafter im Visier, als er von einer Kampagne gegen seine persönliche Reputation sprach, bei der Unwahrheiten verbreitet worden seien - begleitet von einer öffentlichen Skandalisierung nach dem Motto: "Man muss nur lange genug mit Schmutz auf eine Person werfen, bis etwas hängen bleibt."

Bis hin zu Gerichten ging schon der Streit, bei denen M. unterlag. Möglicher Ausgangspunkt: Im Mai 2016 erteilte die damalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder dem Unterabteilungsleiter Ausrüstung, Ewald Günter R., die Weisung, die HIL möglichst zügig zu privatisieren. R. beauftragte Gerd K. mit der Leitung einer Task-Force, die das Vorhaben umsetzen sollte.

Gerd K. erklärte in der Sitzung, Matthias M. habe früher durchaus Termine bei der Industrie wahrgenommen, sich dann aber um 180 Grad gedreht. Dem Arbeitnehmer-Vertreter ging es nach seiner Aussage darum, die Privatisierung zu verhindern. Dies war eine Option, die untersucht werden sollte, bis Suder die Weisung zum Verkauf an die Industrie erließ.

Als eine zentrale Frage beim Zoff der beiden kristallisierten sich die Umstände heraus, unter denen die Rechtsanwaltskanzlei H.L. bei einer Ausschreibung zur Beratung bei der Privatisierung die Nase vorn hatte. Gerd K.s unmittelbarer Vorgesetzter, der Unterabteilungsleiter R., bestritt, dass die Kanzlei von vornherein vom Ministerium ausgeguckt worden war. Die Vergabe sei "regelkonform" erfolgt.

Er widersprach damit gegensätzlichen Aussagen aus früheren Sitzungen. So hatte der seinerzeitige Vergabejurist der HIL, Norbert D., von einer "getürkten Vergabe im Millionenwert" gesprochen.

Das Unternehmen habe sich in einer sehr schwierigen Lage befunden, sagte Ewald Günter R. in der Sitzung. Schnelle Abhilfe sei vonnöten gewesen. Die Leistungsfähigkeit der Kanzlei H. L. habe er schätzen gelernt, als es um die Sanierung der in eine prekäre Situation geratenen Bekleidungsgesellschaft der Bundeswehr ging.

Ob Suders Zeitvorgabe - Verträge bis Ende 2016, Umsetzung bis Mitte 2017 - zu kurz bemessen war, habe er nicht beurteilen können, sagte R.. Die Privatisierungsbemühungen zogen sich dann hin, was die Kosten für die Beratung enorm in die Höhe trieb. Kurz nach ihrem Amtsantritt im Sommer 2019 blies Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) das Vorhaben endgültig ab.

R. erklärte, er habe sich für Gerd K. als Leiter der Task-Force entscheiden, weil der bereits ab August 2014 für ein halbes Jahr die HIL-Geschäftsführungen nach Kündigung der zwei Vorgänger übernommen hatte. Er wurde Ende 2015 wieder zum Geschäftsführer bestellt. Und eckte mit seiner Amtsführung zumindest bei Nobert D. an.

Der hatte zum Beispiel detailliert geschildert, wie der Geschäftsführer ihm in seinem Büro habe untersagen wollen, mit Matthias M. zu einem Termin zum damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Ralf Braucksiepe zu fahren, und ihn dabei mehrfach an den Händen gefasst habe. Es sei nur um die Fahrkosten gegangen, sagte Gerd K. nun als Zeuge. Und dass er D. angefasst habe, sei ein "Märchen". Ob es eine Lüge war, wurde er gefragt. Antwort: "Ja."

Zum Unmut des Zeugen K. sprach eine Abgeordnete dann auch noch an, dass er als Geschäftsführer einen 330 PS starken Audi als Dienstwagen geordert hatte. Damit sei er innerhalb des vorgegebenen Preislimits von 70.000 Euro geblieben.

Die Klagen K.s richtete sich nicht nur gegen Matthias M. und Norbert D., sondern auch gegen das Verteidigungsministerium: "Ich habe erwartet, dass man mich fürsorglich zurücknimmt", sagte er. Angefragt habe er, nachdem er angesichts des 2018 immer mehr zunehmenden Mobbings bei der HIL festgestellt habe: "Es ging nicht mehr." Das Verhalten seines Dienstherrn habe ihn "sowohl erschreckt als auch enttäuscht".

In der Diskussion um die Ausschreibung sei er zum "Spielball der Interessen" geworden, "der ich bis heute hilflos ausgeliefert bin", meinte er: "Ich war für das Ministerium ein Blitzableiter und ein nützliches Bauernopfer". Doch nur mit Mühe habe er Anfang dieses Jahres als Ministerialrat zurückkehren können. Eine Aufgabe habe er freilich bis heute nicht bekommen. Die Konsequenz des 63-Jährigen: Er scheide Ende des Jahres aus den Diensten des Ministeriums aus.

Das Verteidigungsministerium überraschte den Ausschuss mit dem Hinweis, dass Protokolle von HIL-Aufsichtsratssitzungen aufgetaucht seien, die nicht mit Schwärzungen versehen waren. Die Aktenordner wurden noch während der Zeugenvernehmungen in den Saal gebracht. Abgeordnete machten kein Hehl daraus, dass es dabei um Tagesordnungspunkte geht, die sich mit Gerd K. beschäftigen. Die nämlichen Papiere mit geschwärzten Stellen lägen ihnen bereits vor. Jetzt könnten sie vergleichen, was ursprünglich verborgen bleiben sollte.