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RECHT : Einflussnahme?

Die AfD sieht die Pressevielfalt durch die Medienbeteiligungen der Sozialdemokraten bedroht

16.12.2019
2023-08-30T12:36:32.7200Z
4 Min

Ein Geheimnis ist es nicht: Die SPD ist über die parteieigene "Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft" (DDVG) an der Verlagsgesellschaft Madsack und der DDV Mediengruppe beteiligt und somit an einer ganzen Reihe regionaler Tageszeitungen. Öffentliche Aufmerksamkeit hatten die Medienbeteiligungen der Sozialdemokraten beispielsweise 2004 erreicht, als die DDVG 90 Prozent des Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main, dem Verlag der "Frankfurter Rundschau", übernahm. Die Übernahme der überregionalen Tageszeitung war damals auf die Kritik anderer Parteien wie der CDU und der FDP gestoßen.

In der vergangenen Woche debattierte der Bundestag über einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (19/15265), die in den Medienbeteiligungen der SPD eine Bedrohung der publizistischen Vielfalt erkennen will und deshalb Änderungen am Parteiengesetz, am Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen fordert. So soll beispielsweise im Parteiengesetz verankert werden, dass die Parteien in ihren Rechenschaftsberichten nicht nur die "Hauptprodukte" solcher Medienunternehmen nennen müssen, an denen sie eine Kapitalbeteiligung halten, sondern alle publizistischen Produkte.

Rechenschaftsbericht Die SPD sei laut ihrem Rechenschaftsbericht lediglich an der "Sächsischen Zeitung" und an der "Dresdner Morgenpost" beteiligt, führte der AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner aus. In Wirklichkeit sei die SPD aber auch an den "Cuxhavener Nachrichten", der "Neuen Presse Coburg", der "Frankenpost", an der "Neuen Westfälischen" und einer Reihe anderer Zeitungen beteiligt. Hinzu käme die Beteiligung am "RedaktionsNetzwerk Deutschland", das für mehr als 50 Tageszeitungen Inhalte liefere. Mit der SPD sitze ein "Medienmogul auf der Regierungsbank", kritisierte Brandner. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 2008 darauf hingewiesen, dass sich die fehlende Veröffentlichung von Beteiligungen auf die öffentliche und individuelle Meinungsbildung auswirken könne. Deshalb müsse auch in den Zeitungen darauf hingewiesen werden, "wenn eine Parteibeteiligung dahintersteckt", forderte Brandner.

Nach Ansicht des CDU-Rechtspolitikers Ansgar Heveling enthält der AfD-Gesetzentwurf jedoch lediglich "untaugliche" Vorschläge, um ein "nicht vorhandenes Problem zu lösen". Die Behauptung, die publizistische Vielfalt sei durch die Beteiligung der SPD an Medienunternehmen gefährdet, sei falsch. Tatsächlich sei der meinungsbestimmende Einfluss der regionalen Tageszeitungen mit SPD-Beteiligung "eher gering", da diese mit überregionalen Tageszeitungen konkurrieren müssten. Zudem werde der Bedarf an Information heute zunehmend durch das Fernsehen und das Internet gedeckt. Der SPD-Anteil an der DDV-Mediengruppe von 40 Prozent und der Verlagsgesellschaft Madsack in Höhe von 23 Prozent ermögliche "keinen beherrschenden Einfluss" auf redaktionelle Inhalte, argumentierte Heveling. Und schon gar nicht ließe sich eine Einflussnahme auf die politische Meinung feststellen. So habe die SPD im Verbreitungsgebiet der "Sächsischen Zeitung" bei der Landtagswahl 2019 gerademal 8,5 Prozent der Stimmen erzielt.

Eine deutliche Absage an den AfD-Gesetzentwurf erteilte auch der FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens. Die Forderung, dass nicht nur die Hauptprodukte von Medienunternehmen, sondern alle Produkte im Rechenschaftsbericht der Partei aufgelistet werden müssen, sei unsinnig. "Das betrifft auch den Schulkalender oder den Adventskalender, der von einem solchen Verlagshaus herausgegeben wird - nach dem Motto: Vorsicht, in diesem Adventskalender könnte SPD drin sein!", spottete Martens.

Parteispenden der AfD Für die SPD wies Mahmut Özemir die Kritik der AfD an seiner Partei zurück. "Es war in dieser Republik nie die SPD, die bis zum Halse im Spendensumpf steckte." Sie lege ihre Spenden auf Euro und Cent genau offen und melde die Beteiligung an Medienunternehmen lückenlos an die Bundestagsverwaltung, führte Özdemir an und holte dann zum Gegenschlag aus: "Schauen wir, wie das bei der AfD ist: Eine Schweizer Gesellschaft mit einem undurchsichtigen Geflecht von Geldflüssen organisierte Wahlkampagnen für die AfD. Die Geldgeber, die ihre Gratiszeitungen und Plakate finanzieren, sind bis heute unbekannt, und doch verteilen Sie Zeitungen, die in keinem Rechenschaftsbericht der AfD auftauchen, von Spenden an die AfD, die von Spendern kommen, die teilweise nicht wissen, dass sie gespendet haben, von Sachleistungen, die gerne genommen werden, die aber nirgendwo auftauchen, ganz zu schweigen." Die Landesparteizentrale der AfD in Nordrhein-Westfalen sei im Juni dieses Jahres wegen ungeklärter Einflussnahme auf Abgeordnete durch Russland und dubioser Goldgeschäfte durchsucht worden, fügte Özdemir an.

Auch Doris Achelwilm, Kulturpolitikerin der Linksfraktion, hielt der AfD entgegen, sie lasse sich aus Quellen unterstützen und finanzieren, die sie nicht in ihrem Rechenschaftsbericht anführe. Dank investigativer Journalisten wisse man aber von einem AfD-freundlichen Verein, der allein im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren 2,6 Millionen Werbezeitungen und etliche Großplakate spendiert habe. Die Bundestagsverwaltung und die Staatsanwaltschaften Bodensee und Essen ermittelten in der Sache. Um von diesen Dingen abzulenken, initiiere die AfD nun im Bundestag diese "Unsinnsdebatte", monierte Achelwilm.

Die medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Margit Stumpp, warf der AfD Scheinheiligkeit vor. So habe sie einem Antrag der Grünen zur Verbesserung der Transparenz der Parteienfinanzierung nicht zugestimmt. "Anonymität von Großspendern ist Ihnen im Zweifel doch wichtiger als Transparenz." Mit ihrem Gesetzentwurf präsentiere die AfD einmal mehr "das Märchen" von der demokratischen, die Freiheit der Presse verteidigenden Partei. Doch dieses Märchen glaube niemand - "nicht vor und auch nicht nach Weihnachten".