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Investitionen : Zurück zur Goldenen Regel

Linke fordert Ende der Schuldenbremse. SPD schließt sich dem nicht an

16.12.2019
2023-08-30T12:36:32.7200Z
4 Min

Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse soll Generationengerechtigkeit schaffen. Sie soll verhindern, dass künftige Generationen unter dem durch heutige Ausgaben auf Pump entstandenen Schuldenberg leiden. Seit 2011 gilt sie für den Bund - ab kommendem Jahr auch für die Länder. Die Schuldenbremse hat den Grundgedanken der Goldenen Regel abgelöst. Der bestand darin, öffentliche Neuverschuldung zuzulassen - bis zur Höhe der öffentlichen Nettoinvestitionen.

Genau dahin möchte nun die Linksfraktion wieder kommen. In einem vergangene Woche beratenen Antrag (19/14424) fordern die Abgeordneten, die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz zu streichen und durch die Goldene Regel zu ersetzen. Die Schuldenbremse entwickle sich zunehmend zu einer Investitionsbremse, heißt es in dem Antrag. Deutschland habe einen "im internationalen Maßstab massiven Investitionsstau" zu verzeichnen und fahre die öffentliche Infrastruktur "auf Verschleiß". Gleichzeitig ließen sich durch die aktuellen Konditionen am Markt für deutsche Staatsanleihen Investitionen "historisch günstig finanzieren", schreiben die Linken in der Vorlage. In einem weiteren Antrag (19/14375) verlangt die Fraktion eine Investitionspflicht.

Mit ihren Forderungen nach dem Ende der Schuldenbremse, der Abkehr von der Schwarzen Null und verstärkten öffentlichen Investitionen stehen die Linken nicht allein. Ihr Haushaltsexperte Fabio de Masi sagte während der Bundestagsdebatte, nicht nur seine Fraktion, sondern auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) würden Schuldenbremse und Schwarze Null kritisieren. "DGB und BDI fordern ein Investitionsprogramm von 457 Milliarden Euro über zehn Jahre, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen", sagte der Linken-Abgeordnete. Damit würden auch private Investitionen angereizt und Tausende Jobs gesichert. "BDI und Die Linke streiten Seit' an Seit' für vernünftige Wirtschaftspolitik. Was für verrückte Zeiten", befand de Masi.

Eurokrise Verwundert zeigte sich auch Eckhardt Rehberg (CDU). "Früher haben Linke für Gerechtigkeit und Chancengleichheit gekämpft. Heute für neue Schulden", staunte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion. Von den Plänen der Linken hält er nichts. Wolle man die Konjunktur beleben, seien Steuersenkungen sinnvoll, "damit die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt", sagte Rehberg. Den Befürwortern neuer Schulden warf er Geschichtsvergessenheit vor. Die Eurokrise vor zehn Jahren sei eine Folge der Überschuldung gewesen. Im Übrigen mangelt es aus seiner Sicht nicht an Investitionen. Im gerade verabschiedeten Bundeshaushalt für 2020 seien 43 Milliarden Euro dafür eingeplant, was ein Rekord sei. "Wir haben kein Finanzierungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem bei Investitionen", sagte er. Zugleich wies Rehberg darauf hin, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz stehe und kritisierte "Aufrufe zum Rechtsbruch".

Anstatt die Schuldenbremse zu streichen, müssten die "von linker Ideologie getragenen nichtinvestiven Ausgaben" gestrichen werden, forderte Peter Boehringer (AfD). Das schaffe Spielraum für "echte Investitionen". Derzeit gibt es aus seiner Sicht nämlich einen "kaum vorstellbaren Etikettenschwindel". So werde Hungerhilfe im Ausland als klassische Investition verbucht. Auch die Ausgaben für globale Entwicklungshilfe seien als Investitionen "fehldeklariert", kritisierte Boehringer.

Für Otto Fricke (FDP) wären die Forderungen der Linken eventuell nachvollziehbar, "wenn seit Einführung der Schuldenbremse, die Investitionen zurückgegangen wären". Stattdessen seien sie nach oben gegangen, wenngleich aus Sicht der FDP nicht stark genug. Die Liberalen halten an der Schuldenbremse fest, was auch in dem diskutierten Antrag der Fraktion (19/10616) deutlich wird. Darin fordern sie gar eine Verschärfung, "damit die Schuldenbremse nicht durch den Einsatz einer privatrechtlichen Beteiligungsgesellschaft der öffentlichen Hand umgangen werden kann".

Investitionsspielräume Anja Hajduk (Grüne) findet es ebenso falsch, die Abschaffung der Schuldenbremse zu fordern, wie die Schwarze Null "als eine Monstranz vor sich herzutragen". Es gebe Investitionsspielräume, "auch ohne die Schuldenbremse aufzuheben", befand sie. Reden müsse man aber auch darüber, die Schuldenbremse "zu einer atmenden Schuldenbremse gemäß den europäischen Regeln", die den stark abgesunkenen Gesamtschuldenstand zur Maßgabe für Investitionen mache, weiterzuentwickeln.

Mit Spannung erwartet wurde die Haltung der Sozialdemokraten. Schließlich hatten deren Mitglieder und der Parteitag Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Vorsitzenden-Wahl ins Leere laufen lassen und mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erwiesene Gegner der Schuldenbremse und Befürworter neuer Schulden gewählt.

Planungsämter Weitgehend auf der Linie von CDU-Mann Rehberg befand sich Andreas Schwarz, SPD-Abgeordneter aus Bayern. Es sei nicht sinnvoll, sich ohne Not zu verschulden. "Wir bekommen das Geld gar nicht ausgegeben", befand er. Hauptgrund für den Investitionsstau in Deutschland sei nicht die Schuldenbremse, "sondern überforderte Planungsämter bei Bund, Ländern und Gemeinden, ebenso wie zu komplizierte Fördervorschriften und eine völlig ausgelastete Bauwirtschaft", sagte Schwarz.

Seine Fraktionskollegen Bernhard Daldrup und Michael Schrodi stellten die Einnahmeseite in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Schrodi begrüßte es, dass der Soli für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen abgebaut sei, ihn aber Spitzenverdiener weiterhin zahlen müssten. Zugleich verwies er auf die Bewertung des BDI, wenn Investitionen unterlassen würden, würde das die Generationengerechtigkeit verletzen. Daldrup sagte, unterlassene Investitionen gingen in der heutigen Zeit zulasten künftiger Generationen.

Die klare Forderung nach Abschaffung der Schuldenbremse oder einem Ende der Schwarzen Null war jedoch nicht zu vernehmen.