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recht : Werbung nicht erwünscht

Opposition unzufrieden mit Koalitionskompromiss zur Abtreibungsgesetzgebung

18.02.2019
2023-08-30T12:36:16.7200Z
4 Min

Koalition und Opposition streiten weiter heftig über das Thema Abtreibung. Anlass war am vergangenen Freitag im Bundestag die erste Beratung des Gesetzentwurfs von CDU/CSU und SPD zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch (19/7693), der nach Ansicht der Opposition unnötigerweise in einem Hauruck-Verfahren verabschiedet werden soll. Die Koalition hatte sich unlängst nach mühsamen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt, mit dem die Informationsmöglichkeiten für Schwangere und Ärzte verbessert, das strafbewehrte Werbeverbot für einen Abbruch aber bestehen bleibt.

Langer Vorlauf In der Zwischenzeit waren Gesetzentwürfe von FDP, Grünen und Linken für eine Reform oder Streichung des umstrittenen Werbeverbotsparagrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch im Rechtsausschuss mit den Stimmen der Koalitionsabgeordneten immer wieder von der Tagesordnung geflogen. Auch die SPD wollte ein Streichgesetz vorlegen, gab den Plan mit Rücksicht auf den Koalitionspartner aber auf.

Mit dem Koalitionsentwurf soll nun alles ganz schnell gehen: Anfang Februar vom Kabinett gebilligt, vergangene Woche nun die erste Lesung, und schon Anfang dieser Woche findet eine Anhörung im Rechtsausschuss statt - bereits die zweite zu dem Thema. Noch im Verlauf der Plenarwoche könnte der Entwurf verabschiedet werden. Koalitionspolitiker begründen die Eile mit der Notwendigkeit, das lange andauernde parlamentarische Verfahren schnell zu beenden und damit auch Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen. Oppositionsabgeordnete sehen in dem Vorgehen ein mangelndes Demokratieverständnis.

Rechte der Frauen In der Debatte gingen die Bundesministerinnen Katarina Barley (Justiz, SPD) und Franziska Giffey (Frauen, SPD) auf die seit einem Jahr emotional geführte Debatte ein und betonten, dass der Entwurf eine wesentliche Verbesserung gegenüber der jetzigen Lage darstelle. Barley sagte, die Diskussion über Abtreibungen sei politisch und gesellschaftlich auf grundsätzliche Fragen ausgeweitet und werde weitergeführt. Giffey fügte hinzu, das Ziel, das Informationsrecht der Frauen zu stärken und Rechtssicherheit für Ärzte zu schaffen, sei erreicht worden. Das Ergebnis sei vielleicht für Einige nicht ausreichend, aber mehr sei nicht möglich gewesen.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) würdigte ebenfalls den erreichten Kompromiss. Die Informationslücke sei verlässlich geschlossen worden. Aus Sicht der Union nehme die Beratung den wichtigsten Platz bei einem geplanten Schwangerschaftsabbruch ein, dabei gebe es keine Informationsbeschränkung, und am Ende der Beratung sei die Frau frei in ihrer Entscheidung. Ihr Fraktionskollege Alexander Hoffmann (CSU) sagte mit Blick auf das weiter bestehende Werbeverbot, das im Strafgesetzbuch "fein austarierte Konstrukt" werde mit dem geplanten Gesetz aufrechterhalten und praxistauglich gemacht.

Stephan Thomae (FDP) bezeichnete die Vorlage hingegen als "Koalitionsrettungsgesetz", denn es gehe den Regierungsfraktionen nicht um Informationsverbesserung. Die SPD bleibe deutlich unter ihrer eigenen Messlatte. Es sei "absurd", bei diesem Thema auf das Strafrecht zurückzugreifen. Thomae bezeichnete den Entwurf als verfassungswidrig und kündigte einen entsprechenden Änderungsantrag an.

Information oder Werbung Cornelia Möhring (Linke) warf Ministerin Barley vor, das Ausmaß des Problems zu verdrängen. Information werde weiterhin mit Werbung gleichgesetzt, das werde nun als Erfolg verkauft. "Glaubwürdigkeit geht anders", sagte Möhring. Der Paragraf müsse gestrichen werden. Dies forderte auch Ulle Schauws (Grüne), die von einem restriktiven und komplizierten Gesetz sprach. 219a bleibe im Strafgesetzbuch stehen, und Ärzte könnten weiterhin angezeigt werden. Der Entwurf diene weder Frauen noch Ärzten, sondern signalisiere Abtreibungsgegnern, sie könnten ihre Stimmungsmache fortsetzen. Frauen würden weiter entmündigt. Für die AfD kritisierte Jens Meier das Lavieren der SPD zum Thema Werbeverbot und betonte, dass es mit seiner Partei keinen Kompromiss in dieser Frage geben könne. Die "Aktualisierung" des 219a ändere nichts an der Struktur des Schutzes des ungeborenen Lebens.

Laut Entwurf soll der Werbeverbotsparagraf um einen Ausnahmetatbestand ergänzt werden. Danach dürfen Ärzte und Krankenhäuser zukünftig auch öffentlich und ohne Risiko der Strafverfolgung darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des Paragrafen 218a (siehe Infokasten) anbieten. Sie sollen darüber hinaus auf weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen dürfen. Außerdem soll durch eine Änderung im Schwangerschaftskonfliktgesetz sichergestellt werden, dass es zukünftig eine von der Bundesärztekammer zentral geführte Liste mit Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und welche Methoden dabei angewendet werden. Auslöser der Diskussion ist das Urteil des Amtsgerichts Gießen vom November 2017 gegen die Ärztin Kristina Hänel, die wegen Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Nach Paragraf 219a des Strafgesetzbuches ist es derzeit strafbar, öffentlich "eines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise" eigene oder fremde Dienste anzubieten, die einen Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dies erfasst auch die Information, dass ein Arzt einen solchen Eingriff vornimmt.