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Parlamentarisches Profil : Streiterin für Flüchtlinge: Luise Amtsberg

09.03.2020
2023-08-30T12:38:14.7200Z
3 Min

A ls man von der SPD ihr "taktische Spielchen" vorwarf, zuckte es in Luise Amtsberg kurz. "Den Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen", sagt sie, mit einem Tag Abstand, in ihrem Büro. Am Vortag hatte sie im Bundestag für einen Antrag geworben, in griechischen Lagern schlimmen Zuständen ausgelieferte schutzbedürftige Menschen in Deutschland aufzunehmen - 5.000 vor Krieg geflohene unbegleitete Kinder, Schwangere, alleinreisende Frauen oder schwer traumatisierte Menschen.

Doch es kam anders, die SPD wahrte den Koalitionsfrieden, und Amtsberg schluckt den Vorwurf runter, geärgert hatten sich die Sozialdemokraten wegen der beantragten namentlichen Abstimmung. "Es tut mir Leid für die SPD, wenn sie in die Bredouille kommt, aber das war nicht unser Motiv", sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. "Nur so haben wir die Möglichkeit parlamentarischen Druck zu erzeugen."

Amtsberg, 35, erzählt in kurzen Sätzen von ihren sechs Besuchen auf Lesbos seit 2015, von den überfüllten Lagern, wie sie einmal nachts am Strand stand und dann selbst mit einem Boot ankommende Geflohene mit aus dem Wasser zog. "Das ist in jeder Form eindrücklich." Und lasse sie kaum an taktische Spielchen denken. "Eine Lösung muss doch her", sagt sie; die Mehrheit der Abgeordneten setzt indes auf eine einheitliche Regelung über EU-Länder hinweg bei einer Aufnahme aus den griechischen Lagern. "Horst Seehofer kam doch gestern aus einer EU-Sitzung zurück, mit leeren Händen. Wenn es also mit einer Regelung nicht klappt, machen wir etwa nichts? Die griechische Zuständigkeit ist auch unsere." Amtsberg ist sich sicher, dass dem Bundesinnenminister das Leid auf den Inseln nicht egal sei, er sich offen zeige, "aber er hat die Unionsfraktion nicht hinter sich".

Abgeordnete vor allem der Union sehen in einem Vorpreschen Deutschlands bei der Aufnahme ein Hindernis für eine EU-weite Regelung. Amtsberg sagt das Gegenteil voraus: "Sowas funktioniert doch nicht nach dem Motto 'Wer zuerst blinkt, ist dran', durch eine deutsche Initiative könnten andere Länder mitziehen und eine Regelung erleichtern. Und die muss her. Die Menschen in den Lagern leben in katastrophalen Zuständen und in Unfreiheit."

Mit fehlender Freiheit kennt sie sich aus. Weil ihr Vater das DDR-Regime öffentlich kritisiert hatte, musste er drei Jahre in Bautzen einsitzen. Die kleine Luise fragte dann später ihren Papi, warum er im Gefängnis gewesen war, ob er kriminell gewesen sei. Er erklärte es ihr. Dass Polizei und Staat nicht immer gut sind. "Das habe ich stark mitgenommen."

In Greifswald geboren, in Berlin-Karlshorst aufgewachsen und als Teenager nach Nordniedersachsen gezogen, studierte sie in Kiel Islam- und Politikwissenschaft - ein deutscher Kreisverkehr. Und wurde schon im zweiten Semester AStA-Vorsitzende. "Ich rutschte da rein, engagierte mich halt und verfolgte immer andere Sachen", eine politische Karriere habe sie nie geplant; aber ein Talent zum Kommunizieren habe sie schon. Zum Rausgehen und Einstehen. Es folgten das jüngste Landtagsmandat in Schleswig-Holstein, der Studienabschluss mit einer Magisterarbeit über "Feminismus im Islam am Beispiel der palästinensischen Frauenbewegung" und dann Platz 9 bei der anstehenden Bundestagswahl 2009, "vorher waren vier aus Schleswig-Holstein reingekommen, ich machte es, um die Liste vollzukriegen". Doch es kam anders. Seitdem vertritt Amtsberg den Wahlkreis Kiel in Berlin und verfolgt mitunter das Ziel, sich für Jüngere einzusetzen, dass sie sich politisch engagieren. Manchmal sei es ein wenig komisch. "Bis heute fremdele ich mit dieser exponierten Rolle. Es ist absurd, so ein Gesicht zu werden. Dahinter steht doch ein Team." Doch es freue sie mitunter, wenn der Vater stolz sei auf das von ihr politisch Erreichte. Und es scheint irgendwann eine bewusste Entscheidung gewesen sein, sich ins Licht zu stellen. Von wegen einstehen. Auf Facebook postet sie nach dem Terroranschlag von Hanau ein trauriges Selfie von sich. Es ist schlicht echt.