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EDITORIAL : Politik und Elend

09.03.2020
2023-08-30T12:38:14.7200Z
2 Min

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht Politik mit dem Elend notleidender Flüchtlinge. Das ist zynisch und menschenverachtend.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Europa hat nach der großen Flüchtlingswelle, die vor fünf Jahren begann, ganz gern weggeschaut und erfolgreich verdrängt, dass die Krise nicht vorbei ist, nie vorbei war. Die Europäische Union hat die Türkei dafür bezahlt, uns die Sorgen abzunehmen. Auf der Strecke blieb dabei ein funktionierendes System, wie an der EU-Außengrenze mit Migrationswilligen umzugehen ist. Und nach welchen Vorgaben die Menschen weiterreisen dürfen.

Die furchtbaren Zustände in den griechischen Auffanglagern zeigen, wie verfahren die Situation ist. Ein überforderter Staat ist dort nicht in der Lage, die Geflohenen wenigstens halbwegs akzeptabel unterzubringen. Und als dann nach Erdogans Grenzöffnung noch mehr Menschen über den Schlagbaum zu drängen drohten, wurde mit Tränengas geschossen, sogar auf Babys.

Das darf Europa nicht hinnehmen. Es wird höchste Zeit, Griechenland, Bulgarien und Italien besser zu unterstützen. Wenn es dafür weiterhin keine europäische Allianz gibt, müssen Deutschland und Frankreich sich an die Spitze der Bewegung stellen und ausloten, wo die, oft im Sinne des Wortes, gestrandeten Menschen würdevoll unterzubringen sind. Das gilt vor allem für Familien mit Kindern.

Wer eine drohende Eskalation der Lage wie 2015 propagiert, verkennt - vermutlich bewusst - die Dimension der aktuellen Situation. Jetzt gilt es, Erste Hilfe für diejenigen zu leisten, die schon da sind. Das sind deutlich weniger Menschen als vor fünf Jahren. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass diese Fürsorge in Syrien und anderswo nicht als Signal des Aufbruchs gen Europa missverstanden wird. Jedenfalls nicht, wenn keine Bedrohung für Leib und Leben besteht.

Außerdem ist es an der Zeit, vor allem auch auf die Syrien-Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin einzuwirken. Dessen Kampfjets bombardieren die Zivilbevölkerung und sind maßgeblich verantwortlich für die Flüchtlingsströme Richtung Europa.

Der Krieg in Syrien entwickelt sich zu einem weiteren Dauerkonflikt dieser Welt. Einstweilen bleibt Europa wohl nur, wenigstens die Auswirkungen lindern zu helfen.