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Recht : Schutz von Mietern vor Kündigung gestärkt

Einschneidende Änderung als Reaktion auf Krise

30.03.2020
2023-08-30T12:38:15.7200Z
3 Min

Den existenziellen Sorgen der Menschen angesichts der Corona-Krise will die Bundesregierung auch auf dem Gebiet des Rechts so gut wie möglich begegnen. Ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (19/18110) wurde bei zwei Enthaltungen aus den Reihen der AfD-Fraktion einstimmig angenommen. Kernpunkt der Vorlage sei das Mietrecht, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) in der Debatte über den Entwurf am vergangenen Mittwoch. Die einstimmige Zustimmung zeige, dass es einen breiten Konsens gebe, die Sorgen und Nöte der Menschen in diesem Land in dieser schwierigen Situation ernst zu nehmen. Die Redner der Opposition kritisierten einzelne Punkte, betonten aber, dass die Krise nur gemeinsam bewältigt werden könne.

Lambrecht sagte, viele Menschen hätten Angst davor, dass sie aufgrund geringerer Einnahmen ihre Miete nicht mehr bezahlen können, ihnen dann womöglich gekündigt wird und sie auf die Straße gesetzt werden. Deswegen sei es wichtig, die Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzug bis zum 30. Juni dieses Jahres auszusetzen. Auch die Vermieter würden durch die Möglichkeit, Darlehen auszusetzen, in dem Gesetz berücksichtigt. Mit einem Moratorium für Dauerschuldverhältnisse werde sichergestellt, dass Menschen, die keine Zahlungen mehr leisten können, nicht der Strom, das Wasser oder das Gas abgestellt wird. Das Gesetz schütze auch Firmen, etwa durch die Aussetzung von Insolvenzanträgen.

Doppeltes Signal Jan-Marco Luczak (CDU) und Eva Högl (SPD) betonten, dass das Gesetzespaket massive Eingriffe in bestehende Regeln vorsehe, die jedoch auf das wirklich Nötigste begrenzt würden. Luczak sagte, niemand solle wegen der Corona-Krise seine wirtschaftliche Existenz verlieren. Es gehe darum, die Handlungsfähigkeit zu erhalten. Mit dem Gesetz solle ein doppeltes Signal ausgesendet werden: "Wir wollen den Menschen ihre existenziellen Ängste und Sorgen nehmen, insbesondere die, dass sie ihre Wohnung verlieren könnten und dass ihre Betriebsstätte nicht aufrechterhalten werden kann, und gleichzeitig wollen wir auch das Signal aussenden, dass wir den Wirtschaftskreislauf am Laufen halten, sodass das Vertrauen in den Fortbestand von Verträgen erhalten bleibt." Högl verwies darauf, dass das Gesetz bis zum 30. Juni 2020 befristet ist. Dann könne es gegebenenfalls verlängert werden. Wichtig sei auch, dass bei allen vorgesehenen Regelungen immer nachgewiesen werden muss, dass ein Zusammenhang zur Corona-Krise besteht.

Die Vertreter der Opposition betonten den Willen ihrer Fraktionen, die von der Regierung geplanten Maßnahmen konstruktiv zu begleiten. Stephan Thomae (FDP) sagte, dass in Krisen wie dieser der Rechtsstaat erkennbar bleiben müsse. Der Gesetzentwurf sei überwiegend sachgerecht und angemessen, teilweise stehe seine Fraktion der Vorlage jedoch kritisch und ablehnend gegenüber. Verlustängsten müsse entgegengewirkt werden, und Verbraucher und Mieter brauchten Schutz, sagte Thomae. Mit den Maßnahmen würden die Probleme aber nur weitergereicht. Kleinstunternehmer, Handwerker und Kleinvermieter würden dadurch verunsichert. Aus staatspolitischer Verantwortung werde die FDP dem Entwurf aber zustimmen.

Friedrich Straetmanns (Linke) bezeichnete den Gesetzentwurf trotz Bedenken als zustimmungsfähig. Seine Fraktion begrüße vor allem den Schutz für Mieter, fordere aber weitergehende Regelungen. Auch außerhalb von Krisenzeiten dürfe niemand seine Wohnung verlieren. Eine Nachschärfung sei auch bei den Maßnahmen im Insolvenzrecht nötig. Es müsse verhindert werden, dass Unternehmen wirtschaftlich ausgehöhlt und gezielt in die Insolvenz geführt werden. Entsprechende Hinweise von Insolvenzverwaltern habe seine Fraktion schon erhalten.

Auf das Insolvenzrecht ging auch Manuela Rottmann (Grüne) ein. Den in der Krise Verantwortung zeigenden Unternehmen würde geholfen. Sie sehe jedoch Risiken des Missbrauchs. Deshalb müssten staatliche Hilfen mit klaren, vollstreckbaren Auflagen versehen werden. Der befristete Kündigungsschutz für Mieter sei für die Grünen tragbar, sagte Rottmann. Das Leistungsverweigerungsrecht für wesentliche Dauerschuldverhältnisse greife jedoch tief in die bewährte Risikoverteilung des allgemeinen Schuldrechts ein, und auch dies berge Risiken.

Jens Maier (AfD) erklärte, seine Fraktion werde als "verantwortungsvolle Opposition" die Regierungsarbeit in der Notsituation begleiten. Maier verwies auf eine Reihe von Anträgen seiner Fraktion. So dürften im Bereich des Mietrechts Vermieter nicht benachteiligt werden. Im Hinblick auf die bei Darlehensverträgen vorgesehenen befristeten Leistungsverweigerungsrechte beantrage die AfD, nicht nur Verbraucher und Kleinstunternehmer, sondern auch kleinere und mittlere Unternehmen in den Anwendungsbereich einzubeziehen.

Die Vorlage beinhaltet außerdem ein Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht, mit dem Lambrecht zufolge beispielsweise aufgrund der schwierigen Anwesenheitsmöglichkeit in vielen Gremien jetzt eine digitale Hauptversammlung in Aktiengesellschaften möglich ist, sowie Änderungen des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung. Wichtige Prozesse müssten so nicht noch einmal von vorne aufgerollt werden. Michael Wojtek