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Geologie : Tauziehen um die Datenhoheit

Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, das entscheidende Folgen für die Suche nach einem Atommüll-Endlager haben dürfte

27.04.2020
2023-08-30T12:38:16.7200Z
3 Min

Was unspektakulär klingt, birgt jede Menge Zündstoff: Der "Entwurf eines Gesetzes zur staatlichen geologischen Landesaufnahme sowie zur Übermittlung, Sicherung und Bereitstellung geologischer Daten und zur Zurverfügungstellung geologischer Daten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben" (19/17285) war es, der in der vergangenen Woche die Gemüter im Bundestag erhitzte. Denn hinter dem Wortungetüm verbirgt sich nichts weniger als eine der entscheidenden Grundlagen für die Atom-Endlagersuche in Deutschland. Es geht um das Bereitstellen von Daten zum Untergrund - beziehungsweise um die Frage, welche Interessen in dieser Frage schwerer wiegen: Die der Eigentümer, also Bergbauunternehmen, oder die der Öffentlichkeit, die nach Transparenz bei der sensiblen Atommüll-Lagersuche verlangt.

Die Bundesregierung will mit dem Geologiedatengesetz die Übermittlung geologischer Daten auf eine neue Grundlage stellen. Der Entwurf soll das bisherige Lagerstättengesetz aus dem Jahr 1934 ablösen und kategorisiert verschiedene Datenarten, an die sowohl die Vorschriften zur Übermittlung dieser Daten an die zuständigen Behörden als auch die zeitlich gestaffelte öffentliche Bereitstellung dieser Daten anknüpfen. Da die Staatlichen Geologischen Dienste bereits über einen enormen Bestand kommerziell erhobener Daten verfügten, erstreckt sich das Gesetz auch auf diese Altdatenbestände. Das Thema spielt auch eine Rolle für die Rohstoff- und Energiegewinnung.

Zuletzt geändert worden waren noch Passagen, die eine Balance zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen und einer größtmöglichen Datentransparenz schaffen sollen. Vorgesehen ist demnach ein Datenraum, der für einen Kreis von Experten zugänglich sein soll. Diese sollen "die Inhalte dieser Daten, ihre richtige Verwendung und Beurteilung stellvertretend für die Öffentlichkeit prüfen und der Öffentlichkeit ihre Auffassung hierzu vermitteln".

Leitgedanke sei die maximale Transparenz, sagte Karsten Möring (CDU) und beschrieb das Problem zwischen Eigentum und Nutzung an den sensiblen Daten, für den man einen Kompromiss gefunden habe: Es müsse hinnehmbar sein, dass für den Zweck der Standortwahl Daten öffentlich gemacht werden müssen. Andere Daten, die dafür nicht gebraucht werden, blieben geschützt. Möring zeigte sich überzeugt, dass mit dem Gesetz eine transparente Suche nach einem Atomendlager auf den Weg gebracht werde.

Das Gesetz sei ein großer Fortschritt auch für Bau und Projektentwicklung sowie Land- und Forstwirtschaft, ergänzte Timon Gremmels (SPD). Er wehrte er sich gegen Vorwürfe, der Kompromiss und das Verfahren zur Atom-Endlagersuche stehe auf der Kippe. "Wir stehen zum Endlager-Suchverfahren", bekräftigte Gremmels.

Der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm sprach von einer faktischen Teilenteignung. Das Gesetz greife zu weit in die Eigentumsrechte von Unternehmen ein. Die Daten seien das Kapital dieser Firmen, sagte Holm. Auch die FDP kritisierte, der großen Koalition sei das Gespür für die Belange der sozialen Marktwirtschaft verloren gegangen. Man greife tief in die Eigentumsrechte von Bergbauunternehmen ein und schwäche deren Wettbewerbsstellung, wenn man sensible Daten ins Schaufenster stelle.

Ganz anders sieht das die Linke: Es sei der Fraktion zu wenig, dass Firmendaten nur Behörden und ausgewählten Personen zur Verfügung stehen sollen, sagte Ralph Lenkert. Er forderte außerdem, die für den Herbst geplante Entscheidung über Endlager-Standorte zu verschieben, damit alle Daten ausgewertet werden könnten.

Scharfe Kritik kam besonders von den Grünen. Sylvia Kotting-Uhl sagte, die Koalition ignoriere einfachste Logiken. Die Transparenz von Daten sei unzureichend. In zahlreichen Bereichen gewinne nicht automatisch das private Interesse gegenüber dem öffentlichen - hier aber lasse man sich von Wirtschaftslobbyisten an der Nase herumführen. "Ihr Gesetzentwurf liefert nicht, was das Standortauswahlgesetz verlangt" - ein Vorwurf, gegen den sich Abgeordneten der Großen Koalition wehrten.

Am Ende stimmte der Bundestag mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung von Linken und FDP für den Entwurf. Die Grünen und die AfD votierten mit Nein. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen. Kristina Pezzei