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EDITORIAL : Sorglos in der Krise

11.05.2020
2023-08-30T12:38:17.7200Z
2 Min

Mitunter fällt es schwer, die nach wie vor vorhandene Lebensgefahr durch das Coronavirus nicht zu unterschätzen. Das liegt zuvorderst an einem von der Politik vorgegebenen Regelwerk, das von Bundesland zu Bundesland zum Teil erheblich variiert. Statt konsequenten Handelns zum Wohl der Gesundheit aller entsteht der Eindruck von Beliebigkeit. Hier werden Biergärten geöffnet, dort bleiben sie geschlossen; hier dürfen sich fünf, dort nur drei Personen in der Öffentlichkeit treffen; hier sollen Kitas wieder zugänglich sein, dort noch nicht.

Zum Teil lassen sich diese Unterschiede nachvollziehbar durch regionale Besonderheiten rechtfertigen. Die Gefahr etwa, sich in der dünn besiedelten und fast infektionsfreien Altmark anzustecken, ist deutlich geringer als in München, Berlin oder im Ruhrgebiet.

Und doch verstärken örtliche Lockerungsmaßnahmen über die Region hinaus ein Gefühl der Sorglosigkeit. Längst lässt sich auch in den Ballungsräumen beobachten, dass der Mindestabstand nicht eingehalten oder die Pflicht zum Tragen einer Gesichtsmaske vernachlässigt wird.

Der Druck auf die Politik, möglichst bald für normale Verhältnisse zu sorgen, ist erheblich. Und, ja: Auf Dauer wird sich unser aller Leben nicht einzig durch das Coronavirus definieren lassen. Unternehmen müssen möglichst bald wieder voll arbeitsfähig sein, Schulen und Kindergärten ebenso wie Kultureinrichtungen geöffnet werden.

All das kann nur schrittweise geschehen. Und vor allem: Die Vorgaben müssen nachvollziehbar sein. Dabei sind die Ländervertreter gefordert. Sie müssen dem Eindruck entgegentreten, dass ihre Absprachen nur so lange gelten, bis die Bildschirme in den Staatskanzleien nach der Videokonferenz mit dem Kanzleramt wieder im Standby-Modus sind.

Noch einmal: Für regionale Regeln mag es im Einzelfall gute Gründe geben. Trotzdem haben die Länder auch eine bundespolitische Verantwortung. Wenn also beispielsweise der Tourismus in Vorpommern Corona-Lockerungen erfährt, in Dithmarschen aber nicht, gibt es dafür einzig die Erklärung, dass beide strukturschwache Regionen zu unterschiedlichen Bundesländern gehören. Logisch ist das nicht.

Die Politik erwartet von der Bevölkerung Verständnis und Geduld. Zu Recht. Die Menschen im Land setzen auf kluge und geradlinige Fürsorge des Staates. Ebenfalls zu Recht.