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Aufgekehrt : Kopfrechnen in Wien

02.06.2020
2023-08-30T12:38:18.7200Z
1 Min

Es gibt Zählsysteme in machen Kulturen, die beschränken sich aufs Wesentliche: "eins", "zwei", "viele" reichen dort manchmal aus. Das entspricht ungefähr dem Mathe- und Mengenverständnis bayrischer Kindergartenkinder beziehungsweise Bremer Einser-Abiturienten sowie - Selbstkritik muss sein - 115,43 Prozent aller Journalisten. Milliarden und Millionen, Äpfel und Birnen, Punkt vor Strich, Pi mal Daumen - Hauptsache Italien! Im Alltag reicht das meistens, Smartphones haben glücklicherweise einen Taschenrechner integriert und Dreisatz ist ohnehin ganz großes Tennis.

Nur in der Finanzpolitik sollte man es mit den Zahlen und ihren Dimensionen etwas genauer nehmen - eine Lektion, die die österreichische Koalition aus ÖVP und Grünen vergangene Woche lernen musste. Das Parlament diskutierte laut Medienberichten offenbar hitzig den Haushalt. Ärgerlich fand die Opposition, dass die Koalition kurzfristig noch einen Änderungsantrag aufsetzte und mit ihrer Mehrheit durchdrückte. Kaum war die zweite Lesung des Budgets durch, meldete sich allerdings ein zahlenaffiner Sozialdemokrat zu Wort, um auf einen Lapsus im geänderten Entwurf hinzuweisen. Es fehlte der schnöde Hinweis "in Millionen Euro". So lag die Ausgabengrenze statt bei 102 Milliarden Euro nur bei 102.389 Euro. Es fehlten also eins, zwei, viele Nullen. Zwar steht die Regierung von Kanzlerbübchen Sebastian Kurz an der Spitze der "sparsamen Vier", was die Summen europäischer Rettungsprogramme angeht, aber das war dann doch zu wenig. Zähneknirschend unterbrach man die Sitzung und verschob die Schlussabstimmung auf den nächsten Tag, um den Fehler zu korrigieren. Sören Christian Reimer