Ortstermin: Die Eu-ratspräsidentschaFT und das… : Videokonferenzen statt Champagner

Für Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) war der 1. Juli ein bedeutender Tag. Dass Deutschland nach 13 Jahren wieder die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, sei für sie als "europäische Schwäbin" ein bewegender Moment, sagte die Bundestagsvizepräsidentin während der Einweihung eines 100 Prozent emissionsfrei betriebenen Infomobils. Damit soll bis Ende des Jahres jeweils donnerstags im Parlamentsviertel über die Rolle des Bundestags bei der deutschen Ratspräsidentschaft informiert werden. Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung die Ratspräsidentschaft vor allem als ein Thema für die Regierungen angesehen werde, wolle sie als leidenschaftliche Parlamentarierin deutlich machen, dass diese auch eine wichtige parlamentarische Dimension habe, sagte Roth. "Wir sind als Bundestag, in der Herzkammer unserer Demokratie, Gastgeber für die nationalen Parlamente, die wir zusammenbringen und stärker vernetzen wollen."

Das mit der Gastgeberrolle ist in Zeiten der Corona-Pandemie natürlich so eine Sache. In aller Regel läuft es auf Videokonferenzen statt auf persönliche Treffen hinaus. Auch die Unterzeichnung der sogenannten Trio-Erklärung der Parlamente vergangene Woche lief per Video ab. Eine Trio-Präsidentschaft wird seit 2007 praktiziert. Hintergrund: Statt nur sechs Monate können gemeinsame Projekte nun 18 Monate lang verfolgt werden. Im aktuellen Fall vervollständigen die Portugiesen - die die Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2021 übernehmen- und Slowenen, die darauf folgen, das Trio. Die insgesamt fünf Parlamentspräsidenten - in Slowenien gibt es wie in Deutschland auch zwei Kammern - verständigten sich auf gemeinsame Vorhaben. Nachdem jeder für sich, jeder in seiner Hauptstadt, die Erklärung unterzeichnet hatte, kam bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ein bisschen Wehmut auf. "Wir hätten Sie alle gern hier in Berlin im Reichstagsgebäude begrüßt. Dann gäbe es jetzt Champagner", sagte Schäuble.

Das Anstoßen auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit der Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen und einigen ihrer Vizepräsidenten und Kommissaren fiel ebenfalls Corona zum Opfer. Stattdessen tauschten sich die Fraktionsvorsitzenden des Bundestags und das Kollegium der EU-Kommission vergangenen Donnerstag per Videokonferenz aus.

Bis März 2021 stehen - beginnend im September - zwölf Konferenzen im Rahmen der Parlamentarischen Dimension der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an. Es wird unter anderem um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, um Forschung und Innovationen für ein widerstandsfähiges Gesundheitssystem, den Green Deal und die Landwirtschaftspolitik sowie um Migration und Asyl in Europa gehen. Bis Ende September wird es nur Videokonferenzen geben. Für folgende Treffen soll jeweils drei Monate vorher entschieden werden, ob sie im Berliner Regierungsviertel stattfinden können. Götz Hausding