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Kleingarten : Spagat unter den Apfelbäumen

Berlin braucht neue Wohnungen genauso wie genügend Stadtgrün. Das sorgt für Konflikte

24.08.2020
2023-08-30T12:38:21.7200Z
3 Min

Berlin hat nicht nur zu viele Einwohner auf Wohnungssuche, sondern seit einigen Jahren auch deutlich mehr Gartenfans als es Parzellen gibt. Betrug die Wartezeit vor sieben Jahren ungefähr ein Jahr, so müssen sich Hobbygärtner in spe heute oft fünf Jahre in Geduld üben, um einen Garten in der von ihnen gewünschten Anlage zu erhalten. Der Anteil junger Familien in den Kolonien steigt, die Corona-Pandemie hat die Nachfrage gerade der Großstädter nach einem grünen Kleinod zusätzlich in die Höhe getrieben.

Dabei kann Berlin ein beachtliches Netz an Kleingartenanlagen vorweisen: 877 Kolonien mit ungefähr 71.000 Parzellen nehmen mit ihren 2.900 Hektar immerhin drei Prozent der Stadtfläche ein. Den Großteil verpachtet die Stadt als Eigentümer, knapp 4.500 Menschen gärtnern auf bahneigenem Gelände.

Doch das Bevölkerungswachstum der vergangenen fünf Jahre verknappte das Wohnungsangebot in Berlin derart, dass der Senat auf eine nachvollziehbare Idee kam: Warum nicht Wohnungen auf den landeseigenen Flächen bauen? Von 7.000 Wohnungen war 2019 noch die Rede. Da Berlin aber nicht nur Wohnungen braucht, sondern auch Grünflächen, um im Sommer nicht zwischen den asphaltierten Straßen zu ersticken, waren sowohl die Garten-Lobby als auch Umweltpolitiker alarmiert.

Im Kleingartenentwicklungsplan (KEP) 2030, den der Senat im April zur Beratung an die Bezirksbürgermeister weitergeleitet hat, bekennt er sich nun dazu, 82 Prozent aller Kleingärten dauerhaft zu sichern, für weitere 9,6 Prozent soll der Bestandsschutz bis 2030 verlängert werden. "Die große Stärke des KEP ist die Sicherung des allergrößten Teils der Kleingartenanlagen", sagt Daniela Billig, Sprecherin für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Nur 0,5 Prozent der Fläche, also 473 Kleingärten, sollen laut KEP in den nächsten zehn Jahren für soziale und verkehrliche Infrastruktur in Anspruch genommen werden können. Die Kuh ist damit aus Sicht der Kleingärtner aber nicht vom Eis. Denn was mit jenen Parzellen geschieht, die nur bis 2030 gesichert sind und von denen rund 1.200 als Bauland in Frage kommen, ist unklar. Kein Wunder also, dass der Verband der Gartenfreunde Berlin, der die Mehrheit der Kleingartenpächter vertritt, wenig erfreut über die aktuelle Version des KEP ist. "Wir haben uns schweren Herzens im Interesse des Gemeinwohls bereit erklärt, den Verlust von Flächen für SIKo-Maßnahmen (Soziale Infrastrukturkonzepte) zu akzeptieren. Es sind nun aber viel mehr Gärten bedroht als mit uns abgesprochen", kritisierte der Verband in einer Stellungnahme. "Eine weitere Reduzierung der Gärten ist nur durch Bevölkerungsrückgang zu rechtfertigen", sagt der Verbandschef Michael Matthei. Die Stadt sei auf die Gartenflächen nicht angewiesen, um neue Wohnungen zu bauen, glaubt er.

Bis Ende des Jahres sollen die Beratungen über den KEP abgeschlossen sein, gleichzeitig arbeiten SPD, Grüne und Linke an einem Gesetzentwurf, um Laubenkolonien verbindlicher als bisher zu schützen. Auch hier sollen bis Ende des Jahres gesetzliche Fakten geschaffen werden. "Wir wollen auch jene Anlagen schützen, die sich im Status von den im KEP gesicherten Flächen unterscheiden", betont Billig.

Die Gartenfreunde stehen dieser Initiative mit Wohlwollen gegenüber, "solange das gewachsene Kleingartenwesen nicht massakriert wird", sagt Matthei. Jedoch: Auch das Gesetz zum Schutz der Gärten soll eine Ausnahme vorsehen: "Der unabweisbare Bedarf für Infrastruktur wie Schulen oder Verkehrswege", wie es Daniel Buchholz formuliert, Sprecher der Berliner SPD-Fraktion für Stadtentwicklung. "Der Bedarf soll gemeinsam mit den Kleingartenverbänden transparent festgestellt werden", betont er und fordert im Gegenzug für die Sicherung der Gärten eine stärkere Öffnung für die Allgemeinheit und Kiez-Kooperationen. "Dafür gibt es schon heute gute Beispiele, sagt Buchholz.