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energie : Wasserspiele

Experten zeigen den Weg für eine sinnvolle Nutzung von Wasserstoff auf

02.11.2020
2023-08-30T12:38:25.7200Z
3 Min

Wasserstoff schillert farbig, sofern Experten ihren Blick darauf werfen: Als grau stufen sie ihn ein, wenn bei der Herstellung, meist auf Erdgasbasis, reichlich Treibhausgas in die Atmosphäre geblasen wird. Als blau und türkis gilt er bei Verfahren, die der Umwelt weniger zusetzen. Grün ist die Farbe, auf der alle Hoffnungen ruhen: klimaneutraler Wasserstoff aus Wasser per Ökostrom. Darauf zielt die von der Bundesregierung im Juni ausgegebene Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) ab.

Sie beschreibt für die Bereiche Industrie, Mobilität und Wärme eine Wegstrecke bis 2030. Denn noch handele es sich um eine zwar erprobte Technologie, für die indes erhebliche technologische Verbesserungen und Kostensenkungen gefunden werden müssten. Was freilich durchaus erwartet werden könne, wenn es erst zu einem breiteren Einsatz komme. So schätzte Felix C. Matthes vom Öko-Institut die Ausgangslage ein, als in der vergangenen Woche die Unterrichtung der Bundesregierung über ihre NWS (19/20363) auf der Tagesordnung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie stand. Er gehörte zu den Sachverständigen, die sich bei einer Anhörung auch mit zwei Anträgen der FDP-Fraktion (19/20020 und 19/20021) sowie einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/18733) befassten.

Umweltökonom Matthes markierte den noch langen Weg von blassgrün bis sattgrün. Für eine größere Rolle der einheimischen Wasserstoffproduktion sei ein massiv beschleunigter Ausbau der regenerativen Stromerzeugung zwingend erforderlich. Wasserstoff könne nur so grün sein, wie die Stromerzeugung selbst.

Die Experten empfanden es als Muss, dass die Bundesregierung angesichts der Energiewende in die Wasserstoff-Offensive geht. Der Erdgasnetze-Manager Jörg Bergmann gab sich sicher, Wasserstoff werde sich zu einer globalen Schlüsseltechnologie mit maßgeblichem Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands entwickeln. Fraunhofer-Wissenschaftler Mario Ragwitz legte dar, Wasserelektrolyse werde zu einer entscheidenden industriepolitischen Komponente werden - nicht nur für die Erzeugung des hierzulande benötigten Wasserstoffs, sondern auch als Flexibilitätsoption im Stromnetz und als Technologie für den Export. Von zentraler Bedeutung sind für Ragwitz eine Anpassung des regulatorischen Rahmens für Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom. Regulatorische Hemmnisse für Brennstoffzellenfahrzeuge und Wasserstofftankstellen müssten abgebaut werden.

Vorsprung ausbauen Ins nämliche Horn stieß Armin Schnettler (Siemens Energy) Zu den größten Prioritäten zählte er die Befreiung für Elektrolyse von der EEG-Umlage. Nicht nur er mahnte zum Tempo bei der NWS-Umsetzung. Noch seien deutsche Unternehmen Technologieführer im Bereich Wasserstoff. Dieser Vorsprung müsse erhalten und ausgebaut werden, sagte er.

Dampf machen: Darum ging es auch Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Sie sagte, es sei für die umfassende Dekarbonisierung aller Sektoren zwingend erforderlich, dass bis 2050 die Gasversorgung vollständig auf klimaneutrale und dabei möglichst weitgehend auf erneuerbare Gase umgestellt werde. Um die notwendigen Mengen zu generieren,müsse man sofort mit der Erzeugung beginnen. Es sei an der Politik, die Rahmenbedingungen zeitnah zu gestalten, gab die frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete ihren Ex-Kollegen mit auf den Weg.

In manch anderen Regionen der Erde lassen sich große Mengen grünen Stroms aufgrund der klimatischen Bedingungen kostengünstiger als hierzulande erzeugen. Weshalb nicht zuletzt das Thema Transport im Fokus der Experten stand. Jörg Bergmann, dessen Erdgasnetze-Unternehmen als Open Grid Europe firmiert, legte dar, der Transport in größeren Mengen über Leitungen sei zumindest innerhalb Europas die wirtschaftlichste Variante. Er schlug den Aufbau einer Pipeline-Infrastruktur auf Basis bestehender Gasnetze mit einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometern bis 2030 vor. Wobei ganz überwiegend bestehende Erdgasleitungen umgerüstet werden könnten, nur zehn Prozent neu gebaut werden müssten.

Daniel Teichmann erläuterte die LOHC-Technologie seines Unternehmens (Liquid Organic Hydrogen Carrier). Dabei werde Wasserstoff an ein flüssiges Trägermaterial "angedockt" und innerhalb der bestehenden Infrastruktur transportiert. Der Transport erfolge über Hochsee- und Binnenschiffe, Schiene und Straße. LOHC ermögliche erstmalig den sicheren und kosteneffizienten Transport sowie Import von kostengünstigem, grünem Wasserstoff.

Nicht zuletzt verwiesen die Experten in der Anhörung auf die Bedeutung der Menschen und damit auf jene, ohne die eine Strategie schwerlich umgesetzt werden kann: Namens der IG Metall forderte Daniela Jansen eine größere Aufmerksamkeit für diesen Bereich. Mit dem Einsatz von Wasserstoff würden in vielen Branchen - allen voran die Stahlindustrie - neue Technologien und Anwendungsfelder zum Einsatz kommen, für die bisher vielfach noch nicht die notwendigen Qualifikationen bei den Beschäftigten vorhanden seien. Die NWS setze auf Forschung und Entwicklung, vernachlässige aber bisher die Aus- und Weiterbildung, bilanzierte die Gewerkschafterin.