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Familien : Die Milliarden fließen

Freibeträge und Kindergeld steigen. Behindertenpauschbeträge werden verdoppelt

02.11.2020
2023-08-30T12:38:25.7200Z
4 Min

Mehr Kindergeld, weniger Steuern für alle und höhere Behindertenpauschbeträge bei der Steuer: Das Parlament hat am vergangenen Donnerstag den Weg für eine Milliarden-Entlastung frei gemacht: "Der Deutsche Bundestag zeigt sich handlungsfähig auch in der Krise", freute sich Michael Schrodi (SPD). Er rechnete vor, dass eine Familie mit zwei Kindern mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro 520 Euro mehr netto haben werde. Es gebe zwölf Milliarden Euro Entlastung und somit über eine Milliarde mehr, "als wir insgesamt tun müssten".

»Tolle Leistung « Die Leistungen der Koalition für die Familien hob auch Johannes Steiniger (CDU) hervor: "Bei den Familien in Deutschland wird nicht gespart." In dieser Legislaturperiode sei das Kindergeld mit dem neuen Beschluss bereits um 25 Euro angehoben worden, was Steiniger als "tolle Leistung" bezeichnete. Wie Schrodi sagte auch Steiniger, dass man bei der Entlastung mehr getan habe als nur die kalte Progression auszugleichen: "Jeder Steuerzahler, jede Steuerzahlerin in Deutschland profitiert von dem Ausgleich der kalten Progression." Da ab 2021 für die Allermeisten auch noch der Solidaritätszuschlag wegfallen werde, komme es zu einer "riesengroßen Entlastung".

Die Maßnahmen trage die AfD mit, erklärte Franziska Gminder (AfD). Sie wies allerdings darauf hin, dass die Behindertenpauschbeträge 45 Jahre lang nicht erhöht worden seien - im Gegensatz zu den Diäten der Bundestagsabgeordneten, die seit 1975 von rund 2.000 Euro auf 10.000 Euro gestiegen seien. Gminder: "Das ist eine Verfünffachung. Dagegen ist die Verdoppelung der Behindertenpauschbeträge noch als bescheiden zu bezeichnen." In der Familienpolitik forderte sie eine steuerliches Familiensplitting und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Kinderbedarfsartikel. "Auch ein Alleinverdiener sollte eine Mehrkinderfamilie mit seinem Einkommen versorgen können", forderte Gminder.

Markus Herbrand (FDP) sah in dem Titel Familienentlastungsgesetz "ein bisschen Etikettenschwindel". Zu Steuerfreistellung des Existenzminimums sei man verfassungsrechtlich verpflichtet, und der Ausgleich der kalten Progression beruhe auf einer Selbstverpflichtung des Bundestages. Herbrand verlangte weitere Entlastungen, zum Beispiel die Möglichkeit, dass Arbeitgeber Betreuungskosten für Kinder steuerfrei ersetzen können. Auch die Alleinerziehungsfreibeträge und der Ausbildungsfreibetrag müssten erhöht werden.

Stärkere Kritik kam von der Linksfraktion und den Grünen. Jörg Cezanne (Linke) begrüßte zwar die Anhebung des Kindergeldes, kritisierte aber die ungleiche Entlastung. Bei höheren Einkommen profitierten Eltern durch den Kinderfreibetrag mit bis zu 273 Euro pro Kind und Jahr. Wer den Freibetrag nicht nutzen könne, weil das Einkommen niedriger sei, erhalte durch die Kindergelderhöhung nur 180 Euro. Bei Familien, die auf Hartz IV angewiesen seien, komme die Erhöhung gar nicht an, weil das Kindergeld mit den Sozialleistungen verrechnet werde.

Cezanne sprach sich für eine Kindergrundsicherung aus, um das ungerechte Nebeneinander von Kindergeld, Kinderfreibetrag und Hartz-IV-Leistung beenden. Für die Einführung einer Kindergrundsicherung hatte sich auch Schrodi ausgesprochen. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne) griff dieses Thema ebenfalls auf. "Das ist eine Entlastung von Menschen, die es gar nicht nötig haben." Eine weitere Schieflage sei, dass die Kindergelderhöhung bei Hartz-IV-Beziehern wegen der Anrechnung gar nicht ankomme. Auch Strengmann-Kuhn verlangte die Einführung einer Kindergrundsicherung. Ein entsprechender Entschließungsantrag seiner Fraktion (19/23799) wurde allerdings abgelehnt.

Nach dem Beschluss des Bundestages (19/23795) steigt das Kindergeld ab 2021 um 15 Euro im Monat. Dem Maßnahmenpaket stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die AfD zu. FDP, Linke und Grüne enthielten sich.

Das Kindergeld soll für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und für jedes weitere Kind jeweils 250 Euro pro Monat betragen. Die steuerlichen Kinderfreibeträge steigen von derzeit insgesamt 7.812 Euro um 576 Euro auf 8.388 Euro .

Der steuerliche Grundfreibetrag von derzeit 9.408 Euro sollte nach dem Regierungsentwurf auf 9.696 Euro angehoben werden. Aufgrund des inzwischen vorliegenden Existenzminimumberichts hatten die Koalitionsfraktionen den Betrag für 2021 noch im Finanzausschuss um 48 Euro auf 9.744 Euro angehoben. 2022 steigt der Grundfreibetrag wie geplant weiter auf 9.984 Euro.

Änderungen gibt es bei der Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der "kalten Progression". Diese Rechtsverschiebung beträgt im kommenden Jahr 1,52 Prozent, damit inflationsbedingte Einkommenssteigerungen nicht zu einer höheren individuellen Besteuerung führen. Sie sollte im Jahr 2022 1,52 Prozent betragen. Aufgrund der gesunkenen Inflation wurde die Rechtsverschiebung im Jahr 2022 auf 1,17 Prozent reduziert.

Außerdem beschloss der Bundestag (19/23793) die seit 1975 nicht mehr geänderten steuerlichen Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung vom nächsten Jahr an zu verdoppeln. Auch der Pflegepauschbetrag wird erhöht. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Behindertenpauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen sieht zum Beispiel vor, dass der Betrag bei einem Grad der Behinderung von 50 Prozent auf 1.140 Euro und bei 100 Prozent auf 2.840 Euro steigen wird. Zudem wird ein behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt. Bei einem Grad der Behinderung kleiner als 50 wird künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet.

Der Pflege-Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 soll erhöht und für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt werden. Der Pflege-Pauschbetrag soll künftig "auch unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums 'hilflos' bei der zu pflegenden Person" geltend gemacht werden können, führt die Bundesregierung im Gesetz aus.