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RECHT : Mehr Selbstbestimmung

Neue Regeln in Vormundschafts- und Betreuungsrecht

30.11.2020
2023-08-30T12:38:26.7200Z
2 Min

In erster Lesung hat der Bundestag vergangene Woche über den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts" (19/24445) debattiert. Damit soll das "in weiten Teilen aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahr 1896" stammende Vormundschaftsrecht laut Bundesregierung "umfassend reformiert werden, um die Personensorge für Minderjährige zu stärken und die Vorschriften zur Vermögenssorge zu modernisieren". So soll das Mündel mit seinen Rechten als Subjekt im Zentrum des Vormundschaftsrechts stehen.

Zugleich soll auch das Betreuungsrecht einer "grundlegenden Modernisierung" unterzogen werden. Dabei soll der Vorlage zufolge unter anderem das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen sowie der Vorrang sozialrechtlicher Hilfen vor rechtlicher Betreuung gestärkt werden. Zudem soll sichergestellt werden, "dass ein rechtlicher Betreuer nur dann bestellt wird, wenn dies zum Schutz des Betroffenen erforderlich ist".

Zudem sollen sich Eheleute in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für drei Monate gegenseitig vertreten können, wenn ein Partner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine entsprechenden Angelegenheiten vorübergehend rechtlich nicht selbst besorgen kann.

Für ein auf drei Monate befristetes "Ehegatten-Notvertretungsrecht", dass nur wirksam ist, wenn der Betroffene der Vertretung durch den Ehepartner zuvor zugestimmt hat, plädiert die FDP-Fraktion in einem Antrag (19/24638), der ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen wurde.

In der Debatte betonte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Rita Hagl-Kehl (SPD), mit der Reform schaffe man ein Vormundschafts- und Betreuungsrecht, das die Betroffenen in den Mittelpunkt stelle und Helfer bestmöglich unterstütze. Paul Lehrieder (CSU) sprach von "einem der wichtigsten Reformprojekte der gesamten Legislaturperiode".

Thomas Seitz (AfD) hob hervor, dass die Zahl der Vormundschaften 2017 bei mehr als 60.000 gelegen habe, die der Betreuungsverfahren 2012 bei über 1,3 Millionen und seither nur leicht zurückgegangen sei.

Sören Pellmann (Linke) forderte einen niedrigeren Betreuungsschlüssel und kritisierte, dass Zwangssterilisationen weiterhin vorgesehen seien. Corinna Rüffer (Grüne) monierte, es sei nicht sichergestellt, dass sich Betroffene gegen eine Betreuung zur Wehr setzen können.

Katrin Helling-Plahr (FDP) warb dafür, das Ehegatten-Notvertretungsrecht als "Opt-in-Lösung" zu gestalten, für die man sich "proaktiv und selbstbestimmt entscheiden kann".