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REZENSIOn : Verspätet und überteuert

Thomas Raabes minutiöse Analyse über internationale Rüstungskooperationen

30.11.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
2 Min

"Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht und nicht das, was ihr angeboten wird", heißt es im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vom März 2018. Zwei Jahre später billigte der Haushaltsausschuss des Bundestags rund 78 Millionen Euro für eine Konzeptstudie des deutsch-französischen Kampfflugzeuges "Future Combat Air System" (FCAS). Bereits im Juni 2019 hatten die Abgeordneten 32,5 Millionen Euro für diese Konzeptstudie freigegeben, nachdem in Gegenwart des französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron zusammen mit den Verteidigungsministern von Frankreich und Spanien Verträge über die nächsten Etappen des Projekts unterzeichnet worden waren. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach in diesem Zusammenhang von einem "ganz großen Schritt voran für die Bundeswehr in der Modernisierung", von einem "großen Tag für die europäische Verteidigungsunion" und von einem "großen Tag für die europäische Industrie". Es würden "große Impulse gesetzt für die Grundlagenforschung für die Entwicklung von Systemen, die auch der zivilen Luftfahrt zugutekommen".

Man wird sehen, ob die prognostizierten 50 Milliarden Euro, die bis 2040 für das FCAS ausgegeben werden sollen, ausreichen werden. Wird das neue Flugzeugsystem für die Streitkräfte rechtzeitig kommen und dann über die notwendigen Fähigkeiten verfügen? Bislang kamen die deutsch-französischen Rüstungskooperationen für gewöhnlich verspätet an und waren stets teurer als geplant.

Hubschrauber »Tiger« Es handelt sich um ein hochaktuelles Thema, dem sich der Historiker und Politologe Thomas Raabe in seinem Buch "Bedingt Einsatzbereit?" widmet. In seiner Studie, die in der wissenschaftlichen Reihe "Krieg und Konflikt" erschienen ist, behandelt er auf einer breiten Quellenbasis drei konkrete internationale Rüstungskooperationen, von denen der geplante deutsch-französische Kampfpanzer 90 kläglich bereits in der Konzeptphase Anfang der 1980er Jahre scheiterte. Raabe beschreibt anhand der Planung und Entwicklung des deutsch-französischen Kampfhubschraubers "Tiger" teilweise minutiös, wie der Haushalts- und der Verteidigungsausschuss des Bundestages über den gesamten Zeitraum von 1976 bis zur Auslieferung des ersten Hubschraubers im Jahre 2005 dieses Projekt begleitete und immer wieder Gelder für die steigenden Kosten nachgeschossen werden mussten. Nicht anders verhielt es sich beim Kampfflugzeugprojekt "Eurofighter", das Raabe behandelt. Auch dieses Rüstungsprojekt verspätete sich um viele Jahre und auch hier stiegen die Kosten explosionsartig. Raabe benennt die Gründe dafür und entschlüsselt, nach welcher Logik sich die Anschaffung aufwendiger europäischer Hightech-Rüstungsprojekte vollzieht. Diese Schilderungen machen das Buch gerade für Bundestagsabgeordneten so interessant und wertvoll.