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AUSWÄRTIGES : »Migrationsdruck abmildern«

Dickes Plus bei humanitärer Hilfe

14.12.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
4 Min

Mit mehr als zwei Milliarden Euro ist Deutschland inzwischen zum weltweit zweitgrößten Geber humanitärer Hilfe aufgestiegen. Mit Ausnahme der AfD begrüßten alle anderen Fraktionen in den Schlussberatungen zum Außen-Etat 2021 vergangene Woche die neuerliche Steigerung dieser Hilfen. Die anderen Oppositionsfraktionen machten allerdings deutlich, dass sie die deutsche Außenpolitik mit diesem Haushalt in vielen Punkten nicht gut aufgestellt sehen.

6,3 Milliarden Euro stehen dem Ressort von Außenminister Heiko Maas (SPD) im kommenden Jahr zur Verfügung. Das sind etwa 322 Millionen Euro weniger als im laufenden Haushaltsjahr, allerdings rund 260 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf für ursprünglich vorgesehen war 19/22600,9/23305 sowie 19/23324). Für den Einzelplan stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, die Oppositionsfraktionen lehnten ihn geschlossen ab.

Birgit Malsack-Winkemann (AfD) kritisierte die Zuschüsse für die Aktivitäten der parteinahen Stiftungen im Ausland. Es gebe mit 227 staatlichen Auslandsvertretungen genug politisch neutrale Repräsentanz im Ausland, argumentierte sie und fragte, ob es sich bei der Arbeit der Stiftungen nicht "in Wahrheit um die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten" handle. Außerdem wandte sie sich gegen 170 Millionen Euro für Afghanistan im zivilen Bereich. Afghanistan sei ein Land, das bei Korruption und Drogenexport führend sei und "in dem unsere Helfer täglich mit Angriffen der Taliban rechnen müssen", sagte Malsack-Winkemann. "Was wollen wir da?"

Doris Barnett (SPD) hob den hohen Stellenwert der humanitären Hilfe und der Krisenprävention hervor, die zusammen mit 2,54 Milliarden Euro im Etat abgebildet seien. Dass dieses Geld gut angelegt sei, begreife jeder, der das Elend weltweit wahrnehme und verstehe, "dass wir damit auch den Migrationsdruck abmildern", argumentierte sie. "Kein Mensch gibt freiwillig seine Heimat auf, außer er oder sie wird - oft mit Gewalt - vertrieben oder die Lebensgrundlagen sind umweltbedingt vernichtet." Menschen, die frei, ohne Angst und mit der Gewissheit lebten, dass sie in ihrem Land fair und gerecht behandelt werden, würden in ihrer Heimat bleiben und ihr Land voranbringen. "Dabei wollen wie sie unterstützen."

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) warf der Außenpolitik der Bundesregierung Passivität und Orientierungslosigkeit vor. So habe die Regierung den "großen Aufschlag" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron 20017 zur gemeinsamen Handlungsfähigkeit Europas im Sande verlaufen lassen. Lambsdorff kritisierte zudem das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, das er als "diplomatisches Debakel erster Güte" bezeichnete. Nicht nur der US-Kongress, auch Polen, Skandinavier und Balten sähen in dem Projekt eine Verletzung nationaler Interessen. "Trotzdem tut die Bundesregierung nach wie vor so, als ob es sich um ein privatwirtschaftliches Projekt handelte."

Alois Karl (CSU) zeigte sich angesichts der enormen Neuverschuldung im Zeichen der Coronakrise beunruhigt: "Das macht einen natürlich schon ein wenig nervös.". Er wandte sich gegen die Praxis der Ministerpräsidentenrunde, die sich zwar oft uneinig sei, aber stets einig darin zeige, wenn es darum gehe, die Bundeskasse mit der Bezahlung der Pandemiekosten zu beauftragen. Es könne nicht so weitergehen, dass ohne Einschaltung des Bundestages, "über Milliarden- und Abermilliardenbeträge Beschlüsse gefasst werden, die wir dann abzusegnen und abzunicken hätten." Energisch verteidigte Karl die hohen Summen für die humanitäre Hilfe im Außen-Etat gegen radikale Kürzungswünsche aus den Reihen der AfD. Diese Hilfen seien "Ausdruck unserer Mitmenschlichkeit, und dafür schämen wir uns nicht".

Michael Leutert (Die Linke) beklagte das Fehlen eines "strategischen Handlungsrahmens" in der Außenpolitik. Wie wolle man in Afrika Verhältnisse verbessern helfen, wenn man selbst - wie in den griechischen Flüchtlingslagern und bei "illegalen Pushbacks" sichtbar - den eigenen Laden nicht in Ordnung bringen könne, fragte der Abgeordnete. Leutert begrüßte den Einsatz bei der humanitären Hilfe. "Aber besser wäre es doch, wir bräuchten die Gelder dafür überhaupt nicht. Was wir nämlich machen, ist: Wir rennen den Entwicklungen hinterher, spielen Feuerwehr, und letztendlich kaufen wir uns nur von der Verantwortung frei."

Auch Ekin Deligöz (Grüne) warf Außenminister Maas vor, an Symptomen zu doktern, statt an die Ursachen zu gehen. Die Klimakrise sei mittlerweile einer der größten Treiber für humanitäre Krisen geworden, eine "Klimaaußenpolitik" als Antwort darauf bleibe aber aus. Auch für das Anliegen einer feministischen Außenpolitik habe der Minister oft nur "warme Worte" übrig. Und selbst bei der mittelfristigen Finanzplanung, die für sein Ressort weniger Mittel vorsähe, zeige Maas kein Engagement. "Bei so großen Rissen und Lücken in der Fassade bringt eben ein neuer Anstrich nichts."

Maas konterte die Oppositionsvorwürfe unter anderem mit ersten Erfolgen deutscher Initiativen bei der Befriedung Libyens und bei der Lösung des Konflikts in der Ostukraine. Gemeinsam mit Frankreich habe man zudem mit dem Aachener Vertrag ein wichtiges Zeichen für die Handlungsfähigkeit Europas gesetzt, und mit der Rolle als zweitgrößter Geber humanitärer Hilfe weltweit setze Deutschland Maßstäbe. "Vielleicht ist die deutsche Außenpolitik nicht so laut, wie man es heute in der Politik von dem einen oder anderen gewöhnt ist. Aber sie ist effektiv, und sie ist in der Welt außerordentlich angesehen."