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RECHT : Zum Schutz der Vielfalt der Lebens

Geschlechtsangleichende Operationen sollen bei Kindern verboten werden

21.12.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
3 Min

Mit der konstruktiven Mitarbeit aller Fraktionen kann Bundesjustizministerin Sabine Lambrecht (SPD) bei ihrem Vorhaben rechnen, Operationen zur Geschlechtsangleichung an Kindern so weit wie möglich zu verbieten. Der Bundestag debattierte in der vergangenen Woche in erster Lesung den Gesetzentwurf zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (19/24686) in erster Lesung.

Für die Bundesregierung erläuterte Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) den Entwurf. Ziel sei, das Selbstbestimmungsrecht von Kindern, deren Geschlecht nicht eindeutig männlich und nicht eindeutig weiblich ist, also mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, besser zu schützen. Noch immer gebe es in Deutschland Operationen an diesen Kindern mit dem Ziel der Geschlechtszuordnung. Diese Eingriffe mögen in bester Absicht erfolgen, sagte Lange, doch sie verletzten die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes für immer, denn die Operationen seien meistens nicht reversibel. Der Gesetzentwurf trage der Vielfalt des Lebens Rechnung und sehe ein differenziertes Schutzkonzept vor.

Selbstbestimmung Für Kinder, die noch nicht selbst entscheiden können, solle Lange zufolge klargestellt werden, dass Operationen mit dem alleinigen Ziel der Geschlechtsangleichung ohne Wenn und Aber verboten sind. Darüber hinaus werde festgeschrieben, dass operative Eingriffe, die möglicherweise eine geschlechtsangleichende Wirkung haben, nur unter strengen Voraussetzungen vorgenommen werden dürfen. Könne der Eingriff aufgeschoben werden, bis das Kind selbst entscheiden kann, dürfe er im Interesse der Selbstbestimmung nicht stattfinden. Eine Operation dürfe auch nur dann stattfinden, wenn das Familiengericht zu dem Ergebnis kommt, dass dies dem Wohl des betroffenen Kindes am besten entspricht.

Laut Entwurf muss keine Genehmigung eingeholt werden, wenn der Eingriff zur Abwehr einer Lebens- oder Gesundheitsgefahr erforderlich ist und das familiengerichtliche Verfahren nicht mehr abgewartet werden kann. Wie aus der Vorlage weiter hervorgeht, lag die Zahl der geborenen Kinder im Jahr 2019 laut Statistischem Bundesamt bei rund 778.100 Babys. Unter Berücksichtigung der divergierenden Schätzungen sei von etwa 300 Geburten von Kindern mit nicht eindeutigem Geschlecht pro Jahr auszugehen.

Wünsche der Opposition Die Redner der Opposition stimmten dem Ziel der Vorlage prinzipiell zu, wollen aber im Gesetzgebungsprozess noch Verbesserungen erreichen. Robby Schlund (AfD) betonte, Elternfürsorge gehe vor gerichtliche Bevormundung. Im Rechtsausschuss müsse darüber diskutiert werden, dass im Entwurf, in dem durchaus positive Aspekte angesprochen würden, die rechtlichen Belange aus medizinischer Sicht nicht eindeutig geklärt seien.

Jens Brandenburg (FDP) sagte, es sei beschämend, dass in Deutschland immer noch Kinder operiert würden, nur um ihre Geschlechtsteile in eine vermeintliche Norm zu pressen. Der Entwurf habe Luft nach oben und lasse viele Fragen offen. So sollte es für Ärzte, Eltern und Familienrichter eine qualifizierte Beratung geben.

Doris Achelwilm (Die Linke) sagte, das "sehr gute" Gesetz werde intergeschlechtliche Neugeborene und Kinder davor bewahren, ohne Einwilligung körperlich verändert und angepasst zu werden. Um Fehler zu vermeiden und die spätere Recherche von Betroffenen zu gewährleisten, setze sich ihre Partei dafür ein, dass alle Behandlungen in einem zentralen Register dokumentiert werden. Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass es jährlich knapp 2.000 dieser Operationen in Deutschland gebe. Das damit verbundene Leid sei vermeidbar. Das Gesetz dürfe aber keine Schutzlücken haben, die dazu führen könnten, dass das Verbot ausgehöhlt wird.

Die Redner von Union und SPD verwiesen auf die Anhörung im Rechtsausschuss Mitte Januar, bei der, so der CSU-Abgeordnete Paul Lehrieder, das Spannungsverhältnis zwischen Medizinern, Familienrichtern und Eltern ausgelotet werden solle. Karl-Heinz Brunner (SPD) sagte mit Blick auf die Kritik der Bundesärztekammer an der Gesetzesvorlage, Ärzte seien "keine Götter in Weiß", sondern dazu da, Menschen in ihren Nöten zu helfen.