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Parlamentarisches Profil : Die Ärztin: Sabine Dittmar

18.01.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
3 Min

D ass Sabine Dittmar als gesundheitspolitische Sprecherin einer Bundestagsfraktion mit leerem Terminkalender herumläuft, kann sie nicht gerade sagen, in Zeiten von Corona. Eine halbe Stunde hat sie, zwischen Ausschuss, Telefonaten und Plenum. Dittmar, 56, umreißt die Corona-Politik in Grenzen, die über die der Bundesrepublik hinausgehen. "Es ist wichtig, dass wir europaweit Impfstoffe eingekauft haben", sagt die Sozialdemokratin. "Wir hätten nichts davon, wenn um uns herum nicht geimpft wird." An der Problematik ist die Unterfränkin näher dran als viele andere: Nicht nur ist sie Ärztin, in den sitzungsfreien Wochen steht sie in Schutzausrüstung in einer Autostation und nimmt im Auftrag des Gesundheitsamts ehrenamtlich Abstriche vor. "Das sind jeweils Zwei-Stunden-Schichten", sagt sie. "Zwischen 50 und 150 Leute kommen während solcher Schichten vorbei."

In Berlin dagegen engagiert sich die Abgeordnete für mehr Aufklärung rund um die Impfstoffe. "Die Informationskampagnen sind noch ausbaufähig, um das Vertrauen in die Impfungen zu erhöhen, die aktive Bereitschaft dazu", sagt sie. Und ruft dazu auf, sich bei den Impfzentren schon jetzt registrieren zu lassen. "Alle Bürgerinnen und Bürger, die sich impfen lassen wollen, sollten das tun. Das erleichtert den Behörden die Planung." Dass diese in den Ländern unterschiedlich verläuft, enttäuscht sie, "der Pferdefuß des Föderalismus". Die Vorbestellungen an 30 Millionen Impfdosen, die das Gesundheitsministerium im September realisierte, als gemeinsam mit den EU-Ländern mit den Herstellern verhandelt wurde, sieht sie nicht kritisch. "Rechtlich gesehen ist das auf der sicheren Seite - es war den anderen EU-Staaten nicht verboten, dies auch zu tun."

Etwas in Verzug kommt sie bei ihrem Hobby, dem Lesen von Krimis. "Es gelingt mir im Zug und im Bett", lacht sie. Überhaupt gilt Dittmar als "Aktenfresserin", als jemand, der viel liest, schnell und auch quer; "ich lese alles, was mir in die Finger kommt". Dies war ganz zu Beginn, in ihrer Schulzeit, nicht sofort erkennbar. "Ich erinnere mich genau, ich war in der achten Klasse, da unterhielt sich meine Mutter mit einer Nachbarin über mich. 'Eigentlich ist sie klug', sagte sie, 'aber sie ist faul'." Da habe es bei ihr Klick gemacht. Zuerst erweiterter Hauptschulabschluss, dann Fachschule mit Ausbildung zur Kinderpflegerin, schließlich Bayernkolleg mit Abitur und dann die Universität. Politisch interessiert sei sie immer gewesen, war oft Klassensprecherin, habe Ausgaben von "Das Parlament", die in der Schulaula auslagen, mit nachhause genommen. Ihre Familie: Sozialdemokraten und Gewerkschafter, der Vater Fabrikarbeiter, die Mutter bis zur Geburt der Kinder auch. Mit 17 trat Dittmar in die SPD ein, wurde sofort Schriftführerin und Kassiererin im Ortsverein Maßbach. Mit der Zeit wuchs die Verantwortung. Zuerst Abgeordnete im Kreistag, dann im Landtag. Die ersten zwei Jahre ab 2008 in letzterem kombinierte sie mit ihrer Arbeit als Hausärztin, "dann musste ich eine Entscheidung treffen"; sie fiel zugunsten der Politik. "Ich wollte an Stellschrauben in der Gesundheitspolitik mitdrehen", sagt sie, "wir sind zwar generell gut aufgestellt, aber es gibt noch viel zu tun, zum Beispiel für die öffentlichen Gesundheitsdienste, die aufgewertet werden müssten."

Und, wird das Jahr 2021 eines der guten Nachrichten? Sie überlegt einen Moment. "Dass wir mit dem Impfen begonnen haben, ist ja schon mal eine gute Nachricht, die uns alle hoffen lässt, die Krise bald zu überwinden. Ob es aber ein Jahr der ausschließlich guten Nachrichten sein wird, kann ich Stand heute nicht sagen." Wegen der Mutationen des Virus sei sie in großer Sorge. "Ich glaube, dass es unentdeckte Cluster gibt - und dass man in Deutschland mit der Sequenzierung des Genoms zu langsam ist." Sie rechne damit, dass die Impfstoffe im Lauf der Zeit weiterentwickelt werden müssen. Am anderen Ende des Hörers erklingt ein Signal - die Abgeordneten werden zur Sitzung gerufen. Dittmar legt auf und läuft los.