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Europa : Last-Minute-Deal mit Tücken

Experten fordern stärkere Beteilung der Parlamente beim Abkommen zwischen der EU und Großbritannien

01.02.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Am 24. Dezember 2020 unterzeichneten die EU und das Vereinigte Königreich das "Handels- und Kooperationsabkommen" (TCA), das die Beziehungen beider Seiten nach dem EU-Austritt der Briten regeln soll. Der Pakt erlaubt Großbritannien weiter einen Handel mit der EU ohne Zölle und ohne mengenmäßige Beschränkungen und regelt außerdem Themen wie Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz und Polizei.

Doch Experten verwiesen vergangene Woche in einer öffentlichen Anhörung im Europaausschuss auf zahlreiche, noch ungeklärte Fragen. Sie beträfen etwa den neuen Partnerschaftsrat, der die Einhaltung des Deals überwachen soll, die Verfahren der Streitschlichtung, bei denen Schiedsgerichte eine entscheidende Rolle einnehmen werden, und die Frage, wie bei alldem eigentlich die Entscheidungsprozesse innerhalb und zwischen Kommission, Rat und Parlament ablaufen sollen. Der Appell der Sachverständigen Es brauche eine umfassende parlamentarische Begleitung durch Bundestag und Europäisches Parlament (EP) bei Umsetzung und möglichen Erweiterungen des Abkommens.

Als Vertreter der Wirtschaft verwies Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf fehlende Regelungen zu Dienstleistungen und der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen. So blieben viele Unsicherheiten für die Unternehmen bestehen. Jürgen Knirsch (Greenpeace) lobte zwar, dass der Kampf gegen den Klimawandel erstmals elementarer Bestandteil eines Handels- beziehungsweise Assoziierungsabkommens der EU geworden sei. Ob der starke rechtliche Durchsetzungsmechanismus jedoch tatsächlich genutzt werde, sei fraglich. Gunnar Beck, Abgeordneter der AfD im Europäischen Parlament, sprach von einem "ausgewogenen Ergebnis", forderte aber wie Daniel Thym von der Universität Konstanz eine Prüfung zu der Frage, ob nicht auch die nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen müssten.

»Wie ein harter Brexit« René Repasi von der Erasmus School of Law Rotterdam und Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik werteten das Verhandlungsergebnis weitestgehend als "harten Brexit". Nicht-tarifäre Handelshemmnisse blieben bestehen, eine Unterwanderung von EU-Schutzstandards könne wegen unbestimmter Rechtsbegriffe nicht einfach unterbunden werden, analysierte Repasi. Franz Mayer von der Universität Bielefeld mahnte daher, der Bundestag "sollte auf jeden Fall versuchen, einen Fuß in der Tür zu behalten". Er erwartet, "dass allfällige Konflikte mangels effektiver Gerichtsbarkeit in Endlosschleifen von Konsultationen landen, letztlich also politisch ausgetragen werden". Für Paulina Starski von der Universität Graz wirft vor allem der Partnerschaftsrat Fragen nach einer hinreichenden parlamentarischen Kontrolle auf.

Das EU-Parlament hat vergangene Woche mit der Prüfung des Abkommens begonnen. Voraussichtlich Ende Februar will es über die Annahme abstimmen, eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente ist derzeit nicht geplant.