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Ortstermin: Andachtsraum im Bundestag : Die letzten Buchstaben

Vertreter der Verfassungsorgane haben im Bundestag eine Patenschaft für die letzten Buchstaben der restaurierten Sulzbacher Tora-Rolle übernommen.

01.02.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Sie ist vor allem eins: Ein Symbol staatlicher Selbstverpflichtung, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und dauerhaft zu ermöglichen. Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, übernahmen Vertreter der fünf Verfassungsorgane eine Patenschaft für die letzten Buchstaben der restaurierten Sulzbacher Tora-Rolle, die ein ritueller Schreiber (Sofer) im Andachtsraum des Parlaments nach altem Brauch fertigstellte. Mit Feder und Spezialtinte, von rechts nach links, trug er die letzten Buchstaben auf die 24 Meter lange Rolle auf.

Normalerweise geschieht das in einer Synagoge. Die Tora ist Lehre und Gesetz, das Wort Gottes und das Kernstück jüdischer Religion. Auch deshalb sei die Fertigstellung in aller Öffentlichkeit des Parlaments und im Festjahr, in dem 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert wird, ein besonderer Moment, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU): "Um die Gleichberechtigung des Judentums auszudrücken, ist es seit dem 19. Jahrhundert üblich, dass unter den Paten einer Torarolle auch nicht-jüdische Amtsträger sind, von Bürgermeistern bis zu Staatsoberhäuptern. In diese Tradition reihen sich heute die Repräsentanten unseres Staats ein."

Versteckt, umgezogen, wiederentdeckt

Die Sulzbacher Torarolle wurde 1793 für die Synagoge in Sulzbach in der Oberpfalz geschrieben und gilt heute als eine der ältesten noch erhaltenen Torarollen in Süddeutschland. Dass das Datum der Entstehung und der Ort "Sulzbach" bekannt sind, ist Glück, denn nur etwa jede tausendste Rolle trägt außen eine Jahreszahl.

1822 überstand sie einen Brand, bei dem die Sulzbacher Synagoge zerstört wurde. Durch Aus- und Abwanderung sowie das Niederlassungsverbot für Juden verlor die Gemeinde so viele Mitglieder, dass sie 1934 schließlich aufgelöst werden musste. Die Torarolle zog ins zwölf Kilometer entfernte Amberg und wurde kurz vor der Reichspogromnacht im November 1938 vom Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde versteckt, sodass sie auch diese unversehrt überstand. Durch US-amerikanische Besatzungseinheiten gelangte sie wieder zur jüdischen Gemeinde in Amberg - und geriet erstmal in Vergessenheit.

Es war der neue Amberger Rabbiner Elias Dray, der die überwiegend vergilbte Rolle mit Abnutzungsspuren 2015 im Toraschrein seiner Kultusgemeinde wiederentdeckte. Ist ein Buchstabe beschädigt, gilt eine Tora nicht mehr als koscher. Der aus Sulzbach stammende Dray erreichte, dass sie durch einen Toraschreiber in Israel in zweijähriger Arbeit aufwändig restauriert wurde. Die dafür nötigen 45.000 Euro wurden unter anderem finanziert aus Bundesmitteln. Nach einer kurzen Verschlusspause soll sie am 20. Juni 2021 wieder dahin zurückkehren, wo sie hingehört: In den Gemeindedienst in Amberg.