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Angelesen : Angelesen

09.03.2009
2023-08-30T11:23:48.7200Z
5 Min

"Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?" Diese Frage stellt sich George W. Bush wahrscheinlich noch immer. Morgan Spurlock hat die Frage aufgegriffen und sich auf die Suche nach dem Terroristen gemacht. Bereits der Buchtitel lässt erahnen, dass der mehrfach ausgezeichnete Schrifsteller, Produzent und Regisseur sich an einer ironischen Brechung des ernsten Themas Terrorismus versucht. Michael Moore und sein "Fahrenheit 9/11" lässt grüßen. Und eigentlich ist seine Suche auch eher ein Vehikel, um sich der Welt des gewaltbereiten Islamismus zu nähern und Erklärungen zu finden.

So nimmt Spurlock seine Leser mit auf eine Reportagereise: nach Saudi-Arabien, Jordanien, Frankreich, Großbritannien, nach Israel, Afghanistan und Pakistan. Dort interviewt er westliche Terrorexperten und islamistische Fundamentalisten - und den einfachen Mann auf der Straße. Garniert wird dies mit einer Unmenge harter Fakten. Herausgekommen ist eigentlich ein gutes Buch. Sein Problem ist die Länge. Nach dem gelungenen Auftaktkapitel über die Terror-Hysterie in den USA ermüdet der ironische Erzählstil auf 400 Seiten zunehmend.

Morgan Spurlock:

Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?!

Riemann Verlag, München 2009; 414 S., 17 €

Die simple Buchstabenfolge des Alphabets bringt es mit sich, dass auf einer Doppelseite aneinandergereiht kurze Erklärungen zu folgenden recht unterschiedlichen Begriffen stehen: Fusionskontrolle, Fusionsvertrag, Fußball-Europameisterschaft, Galileo (Satellitennavigation) und Gasperi (Alcide de). Aufgeschlagen haben wir "Das Europalexikon" ungefähr in der Mitte. Dieses handliche Taschenbuch liefert ungefähr 600 Stichwörter. Verfasst von beinahe 50 Autoren, erfasst es kompakt die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt unseres Kontinents.

Am Ende der meisten Artikel finden sich noch passende Literaturempfehlungen, Internetadressen und Pfeilverweise auf thematisch ähnliche Beiträge. Einige Tabellen, Schaubilder und farbige Europa-Karten illustrieren außerdem all die aktuellen Informationen. Damit hat man keine trockene EU-Institutionenkunde zur Hand, sondern ein anschaulich gestaltetes Kompendium, in dem auch teils amüsant klingende Stichwörter aufgelistet sind - zum Beispiel: Beichtstuhl-Verfahren, Club Crocodil oder Pralinengipfel.

Martin Große Hüttmann,

Hans-Georg Wehling (Hg):

Das Europalexikon. Begriffe, Namen, Institutionen.

Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2009; 350 S., 18,80 €

Reinhard Höppner kann man nicht vorwerfen, er hätte sich nicht für den politischen Wandel 1989 eingesetzt. Sowohl als Vizepräsident der ersten frei gewählten Volkskammer wie auch als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat er sich für ein gerechtes Zusammenwachsen von Ost und West stark gemacht. Wieso also rühmt er den wichtigen Beitrag der Opposition zum Sturz des SED-Regimes noch einmal? Wieso rechtfertigt er sich noch einmal für den überstürzten und nicht immer fairen Einigungsvertrag? Sicher nicht aus Eitelkeit oder aus schlechtem Gewissen. Wohl aber, um seiner Enttäuschung über das Scheitern der oppositionellen Bewegung an der Macht des Faktischen Ausdruck zu geben.

Gleichwohl ist Höppner realistisch genug zu erkennen, dass es schon kurz nach dem Mauerfall kaum eine Alternative zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gab. Wenn er nun den "Weg zur deutschen Einheit" aus seiner Sicht erzählt und problematisiert, dann um den "ostdeutschen Erfahrungen im vereinten Deutschland" mehr Gewicht zu verleihen.

Reinhard Höppner:

Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit.

Aufbau Verlag, Berlin 2009; 148 S., 14,95 €

Will er sich anbiedern oder übt er wirklich schonungslose Selbstkritik? Hat Günter Schabowski aus den Fehlern des Sozialismus und seinen eigenen gelernt oder versucht er sich nur geschickt zu entschuldigen? Noch immer schwingen diese Fragen bei Kritikern mit, wenn sich das ehemalige Politbüromitglied zu Wort meldet. Wer aber die Demokratie so energisch preist, den diktatorischen Sozialismus so vehement verdammt und dafür freiwillig Prügel in Kauf nimmt, der sollte geläutert sein.

Im Interview mit "Zeit"-Redakteur Frank Sieren räumt Schabowski nicht nur seine Mitschuld an den Verbrechen und dem Versagen des SED-Regimes ein. Mit analytischer Präzision seziert er den Selbstbetrug der Nomenklatura und erläutert Entstehung und Funktion des Unrechtssystems. Bisweilen meint man die Stimme eines kritischen DDR-Historikers und nicht die eines reumütigen Paulus zu vernehmen. So sehr man in diesem Buch auch persönliche Fragen und Antworten vermisst, so wenig wird man nach der Lektüre daran zweifeln können, dass Schabowski einen Grad an Selbstreflexion erreicht hat, den man ihm schon zu DDR-Zeiten gewünscht hätte.

Günter Schabowski im Gespräch mit Frank Sieren:

Wir haben fast alles falsch gemacht. Die letzten Tage der DDR.

Econ Verlag, Berlin 2009; 281 S., 19,90 €

60 Jahre Bundesrepublik Deutschland für 5 Euro. Ein echtes Schnäppchen, das in Gold gewandete Brevier zur deutschen Geschichte von Marie-Luise Recker. In der dritten und aktualisierten Auflage zeichnet die Zeithistorikerin souverän die Kanzlerschaften von Adenauer über Brandt bis Merkel nach. Sie markiert fachlich und sprachlich präzise die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen wie außenpolitischen Wegmarken. Sie betrachtet die deutsche Geschichte immer im Kontext des Ost-West-Konflikts, der europäischen Einigung und der Globalisierung.

Zu kurz kommen bei dieser vorwiegend politikhistorischen Darstellung zwangsläufig kultur- und mentalitätsgeschichtliche Perspektiven, die neues Licht auf die Umbrüche Ende der 60er und nach der Wiedervereinigung werfen würden. Auch der Blick auf den zweiten deutschen Staat fällt etwas knapp aus. Das ist im Rahmen eines 128-seitigen Konzentrats verständlich. Weniger verständlich ist, wieso in den Literaturempfehlungen Hans-Ulrich Wehlers "Gesellschaftsgeschichte" fehlt. Teilt sie mit ihm doch das "Narrativ einer Erfolgsgeschichte" der Bundesrepublik.

Marie-Luise Recker:

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 128 S., 5 €

"FAQ - Frequently Asked Questions" nennt sich eine der gängigsten Rubriken im Internet. Im Stile dieser am häufigsten gestellten Fragen nähert sich Edgar Wolfrum den vergangenen 60 Jahren der Bundesrepublik Deutschland und gibt schnelle und leicht verständliche Antworten zu den Bereichen Innen- und Außenpolitik, zu den deutsch-deutschen Beziehungen bis zur Wiedervereinigung, zum Umgang mit NS-Diktatur und Holocaust, zu Wirtschaft, Kultur, Kunst und Sport.

Die 101 Antworten, die der Heidelberger Historiker seinen Lesern gibt, bilden einen abwechslungsreichen Mix: zwischen handfesten historischen Fakten, aktuellen politischen Problemen und vergnüglichem Allerlei. Positiv fällt auf, dass Wolfrum sich trotz der gebotenen Kürze auch nicht um klare Standpunkte drückt. Zum Beispiel, wenn er klipp und klar sagt, dass "Ostalgie" eben "gar nicht so witzig" ist, sondern die menschenverachtende SED-Diktatur in ein romantisierendes Licht setzt. Die Folge sei das höchst dürftige Wissen vieler Jugendlicher um die DDR. Ein Blick in diesen Band könnte da erste Abhilfe schaffen.

Edgar Wolfrum:

Die 101 wichtigsten Fragen. Bundesrepublik Deutschland.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 152 S., 9,95 €