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Dissens beim Datenschutz

verbraucherschutz Die geplante Abschaffung des »Listenprivilegs« stößt in der Koalition auf Widerspruch

23.03.2009
2023-08-30T11:23:50.7200Z
3 Min

Nicht erst seit den jüngsten Skandalen bei der Bahn und der Telekom ist das Thema Datenschutz in aller Munde. Immer mehr Bürger sorgen sich angesichts zunehmender Berichte über unerlaubten Datenhandel, wer welche Angaben über sie sammelt und was damit geschieht.

Sie möchten selbst über die Verwendung personenbezogener Daten etwa zu Werbezwecken entscheiden können, schreibt denn auch die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften (16/12011). Neben einem freiwilligen Datenschutzaudit für Unternehmen sieht der Entwurf unter anderem die Streichung des sogenannten Listenprivilegs vor - was nicht nur in der Wirtschaft zu Protesten führt, sondern auch im Bundestag umstritten ist.

Das zeigte sich auch am 19. März in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, demzufolge personenbezogene Daten zu Werbezwecken oder zur Markt- und Meinungsforschung künftig grundsätzlich nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen verwendet werden dürfen. Mit der Einführung dieses verpflichtenden "Opt-in" und der Abschaffung des Listenprivilegs werde über das "eigentliche Ziel von Datenschutz" hinausgeschossen, warnte die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp.

Kurswechsel um 180 Grad

Sie verwies darauf, dass Weitergabe und Nutzung von Name, Adresse, Geburtsdatum und Berufsbezeichnung, verbunden mit jeweils einem zusätzlichen Merkmal, nach derzeitiger Rechtslage gestattet seien. Nach dem Listenprivileg sei dies dann zulässig, wenn es sich nicht um Daten einzelner Personen handele, sondern um "listenmäßig zusammengefasste Daten". Dabei könnten Betroffene jederzeit einer Weitergabe oder Nutzung widersprechen (Opt-out). Mit dem Gesetzentwurf solle aber nicht nur das Privileg abgeschafft, sondern zugleich ein "Kurswechsel um 180 Grad" vollzogen werden, kritisierte Philipp und warnte vor inakzeptablen Konsequenzen für einen Großteil der Wirtschaft. Dies gelte "für die Werbung und die Direktmarketingbranche, für Firmen und für Existenzgründer" sowie "für die Unternehmen, die auf ständige Neukundengewinnung angewiesen sind". Philipps Fazit: Die Abschaffung des Listenprivilegs einschließlich der mit einem Opt-in verbundenen Problematik müsse "grundsätzlich überdacht werden".

Einwilligung statt Widerruf

Der SPD-Parlamentarier Manfred Zöllmer begrüßte demgegenüber, dass das Listenprivileg "modifiziert" werden solle. Es habe dazu beigetragen, dass persönliche Daten "weitläufig und für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar und überprüfbar verstreut werden", was nicht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entspreche. Ein funktionierendes Wirtschaftssystem brauche jedoch auch Werbung. Deshalb müsse eine Lösung gefunden werden, durch die Datenmissbrauch verhindert und der Wettbewerb der Unternehmen nicht behindert werde, forderte Zöllmer, der zugleich vor "Datenstriptease" bei Bestellungen im Internet warnte. Sein Fraktionskollege Michael Bürsch sagte mit Blick auf die weiteren Beratungen, "Einwilligung statt Widerruf" müsse die Richtschnur sein.

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz plädierte dafür, dass man selbst bestimmen kann, was mit seinen Daten passiert. Die Technik sei "heute weiter, als das Listenprivileg alt ist", sagte sie. Man müsse sich der Entwicklung stellen, dass heutzutage "ruckzuck" Daten vermengt oder gegeneinander ausgetauscht werden könnten.

Ihre Grünen-Kollegin Silke Stokar von Neuforn sagte, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe ein "durchaus ambitioniertes Datenschutzgesetz" vorgelegt, das die Unionsfraktion nun "in Grund und Boden" stampfe. Dabei sei Opt-in "im Internetzeitalter überhaupt kein Problem". Auch seien persönliche Daten keine "beliebige Ein-Euro-Ware", würden aber von der Unionsfraktion dazu gemacht, die damit "die Verantwortung für die weiteren Skandale in der Privatwirtschaft" trage.

Auf Kritik stießen in der Debatte auch die geplanten Regelungen zum Datenschutzaudit. Der Entwurf sieht vor, dass sich Unternehmen freiwillig einem solchen Audit unterziehen und Datenschutzkonzepte sowie technische Einrichtungen mit einem Siegel kennzeichnen und damit werben können. Dabei soll regelmäßig kontrolliert werden, ob Richtlinien zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit erfüllt werden. Piltz bemängelte den "unwahrscheinlich großen bürokratischen Aufwand", den der Entwurf mit sich bringe. Damit werde das Ziel konterkariert, einen unbürokratischen Datenschutz zu etablieren. Für die Linksfraktion gab Petra Pau Bedenken zu Protokoll, dass der Entwurf nicht weit genug gehe.

Weitere Fortschritte angemahnt

In einer einstimmig verabschiedeten Entschließung (16/12271) drängen die Abgeordneten auf die Verabschiedung des Datenschutzauditgesetzes noch in der ablaufenden Legislaturperiode. Zugleich mahnen sie darin weitere Fortschritte beim Datenschutz an. So soll die Regierung etwa den Anspruch Betroffener gegenüber der Steuerverwaltung auf Auskunft zu über sie gespeicherten Daten sicherstellen und die Bürger besser vor den "Gefahren des Missbrauchs biometrischer Systeme" schützen. Bekräftigt wird zudem die Forderung, dass die Bundesregierung "schnellstmöglich" einen Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz vorlegen solle. Stokar von Neuforn warf der Koalition in diesem Zusammenhang vor, den Arbeitnehmerdatenschutz "schon beerdigt" zu haben. Sie hoffe, dass das Thema in der kommenden Legislaturperiode erneut angegangen werde.