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Das Auf und Ab von Aktien und Anleihen

BILANZRECHT Das verabschiedete Modernisierungsgesetz folgt dem Prinzip Vorsicht

30.03.2009
2023-08-30T11:23:51.7200Z
4 Min

Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen": So steht es im deutschen Handelsgesetzbuch (HGB). Was der Kaufmann in seine Bilanzen schreiben muss, wird sich in Zukunft ändern. So sieht es das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) (16/10067, 16/12407) vor, das der Bundestag am 26. März mit den Stimmen der Großen Koalition und der FDP verabschiedet hat. Die neuen Regeln gelten verpflichtend von 2010 an, Unternehmen können sie jedoch auch schon für 2009 anwenden.

Dass der Gesetzentwurf in den vergangenen Monaten so kontrovers diskutiert wurde, ist vor allem der Finanzkrise geschuldet. Denn der ursprüngliche Regierungsentwurf sah vor, Aktien und Anleihen, die zur vorübergehenden Geldanlage erworben werden, in den Bilanzen von Unternehmen zu ihrem aktuellen Marktpreis aufzuführen, also nach dem sogenannten "Fair-Value-Prinzip". Bislang wurden, dem HGB entsprechend, Aktien und Anleihen nach ihrem Anschaffungswert in den Bilanzen geführt, unabhängig von der Höhe des aktuellen Kurses. Befürworter der Fair-Value-Bewertung sagen, dass diese zu einer realistischeren Bilanz führe und international längst gang und gäbe sei. Ihre Gegner argumentieren, dass sie große Risiken berge: Wenn die Börse boomt und die Aktienkurse hoch sind, führt Bilanzierung zum aktuellen Marktpreis zu großen Gewinnen bei den Unternehmen. Diese Gewinne werden jedoch in vielen Fällen nicht realisiert.

Erfahrungen aus der Krise

Wenn die Kurse dann abstürzen, wie in der aktuellen Finanzkrise, müssen die Unternehmen gewaltige Abschreibungen auf die Aktien und Anleihen in ihrem Besitz vornehmen. Das kann zur Destabilisierung von Unternehmen führen, wie in den USA in der vergangenen Monaten zu beobachten war. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag änderten daher den ursprünglichen Gesetzentwurf ab: In der endgültigen Fassung gilt die Fair-Value-Bewertung nur noch für Banken, nicht aber für andere Unternehmen.

Die Bewertung von Finanzinstrumenten zum aktuellen Marktpreis sei "in der Finanzmarktkrise zum Angstfaktor geworden", sagte Antje Tillmann (CDU). Deshalb habe sich die Fraktion entschieden, bei Nicht-Banken auf diese Bewertung zu verzichten, "auch wenn wir uns dann die Frage gefallen lassen müssen, warum dasselbe Wertpapier in einem Industrieunternehmen künftig anders bewertet werden soll als in einer Bank".

Um eine "Schönwetterbilanzierung" als Folge der neuen Regeln zu vermeiden, seien bestimmte Sicherungen in das Gesetz eingebaut worden, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). So werde ein "Sicherheitsabschlag" auf die Gewinne aus Aktien und Anleihen erhoben, die in den Bilanzen aufgeführt werden. Außerdem müsse ein Teil dieses Gewinns als "bilanzielles Sicherheitspolster" zurückgelegt werden und unterliege einer Ausschüttungssperre. "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not": Mit diesem Sprichtwort fasste die Ministerin das Ziel der Maßnahme zusammen.

Noch vor einem Jahr habe man die HGB-Bilanz "entsorgen" wollen, weil sie "ein Hemmnis bei der Profitmaximierung insbesondere bei Banken" darstelle, sagte Barbara Höll (Die Linke). Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sei es deshalb "nur konsequent, dass wir alle einen Gang zurückgeschaltet haben" und auch die Mehrheitsfraktionen sich "wieder auf den sicherheitsorientierten Ansatz des Handelsbilanzrechts besonnen" hätten. Es sei ein "Fehler", dass der Gesetzentwurf bei den "mit Finanzinstrumenten handelnden Banken" bei der Bewertung zu aktuellen Marktpreisen in der Bilanz geblieben sei, sagte Jerzy Montag (Grüne). Die "Bremsen gegen das Spiel mit Buchgeld", das heißt der Sicherheitsabschlag und die Ausschüttungssperre für einen Teil des Gewinns, seien eine "Mogelpackung an Sicherheit". Linksfraktion und Grüne lehnten den unter anderem deshalb Gesetzentwurf ab.

Ausgelagerte Risiken

Neu geregelt wird durch das BilMoG auch die Konsolidierung von Zweckgesellschaften. Dabei geht es um die Frage, in welchen Fällen die Risiken von Tochterunternehmen in den Bilanzen der Muttergesellschaft auftauchen. Auch in diesem Punkt wurde der Regierungsentwurf im Bundestag aus den Erfahrungen der Finanzkrise heraus geändert.

Durch den veränderten Gesetzentwurf habe die Koalition erreicht, "dass Unternehmen künftig einen Konzenabschluss erstellen und einen Konzernlagebericht aufstellen müssen, wenn sie auf Tochterunternehmen mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben können", sagte Klaus Uwe Benneter (SPD). In der Vergangenheit sei es "findigen Bankern und Juristen" gelungen, "Risiken aus der Bilanz des Mutterunternehmens herauszunehmen und diese Risiken in sogenannte Zweckgesellschaften auszulagern", sagte Mechthild Dyckmans (FDP). Durch das BilMoG werde die Verschleierung von Risiken zwar nicht vollständig verhindert werden können, aber "so weit wie möglich erschwert".

Das BilMoG betrifft nicht nur große Unternehmen und Banken, sondern auch kleine Kaufleute, die durch das Gesetz entlastet werden sollen: Wer weniger als 500.000 Euro Umsatz und weniger als 50.000 Euro Gewinn macht, muss in Zukunft keine Bilanz mehr vorlegen und keine Inventur machen. Zypries sagte, von diesen "Erleichterungen in Bezug auf die Bürokratie" seien mehr als 500.000 Unternehmen in Deutschland betroffen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gebe es ein "Einsparvolumen von 2,5 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft." Bei Wahlveranstaltungen werde "immer das Hohelied auf den Mittelstand" gesungen, aber "nichts dafür gemacht" sagte Jürgen Gehb (CDU). Im Zentrum des BilMoG stehe im Gegensatz dazu "endlich einmal der kleine und mittlere Unternehmer".

Insgesamt soll das traditionelle deutsche HGB-Bilanzrecht durch die Reform eine kostengünstige Alternative zu den International Financial Reporting Standards, kurz IFRS, werden. Für Kaufleute in Deutschland ist die HGB-Bilanz weiterhin verpflichtend. Sie bleibt auch die Grundlage für die Ausschüttungsbemessung an Anleger und für die steuerliche Gewinnermittlung. Deutsche Unternehmen, die an der Börse oder international tätig sind, fertigen oft zusätzlich eine IFRS-Bilanz an. Letztere dient überwiegend der Information von Investoren, während im Mittelpunkt der HGB-Bilanz das Vorsichtsprinzip und der Gläubigerschutz stehen.