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Angelesen : Angelesen

30.03.2009
2023-08-30T11:23:51.7200Z
2 Min

Ein prominenter Journalist ist Ralf Bachmann nie gewesen. Er war immer einer von den ganz normalen Unauffälligen dieser Berufsgruppe, in der es wimmelt von sich selbst überschätzenden Eitlen. In seinem 80. Lebensjahr hat Bachmann 40 Artikel und Reportagen aus 60 Jahren publizistischer Arbeit zusammengestellt. Was diese Rückschau so beachtlich macht, sind nicht nur Bachmanns thematische Vielseitigkeit, sein besonderer Blick und seine hintergründige Ironie, sondern die Bereitschaft und Fähigkeit zur kritischen Selbstbetrachtung seines journalistischen Wirkens in der DDR "zwischen Wahrheit und Parteilichkeit".

Freimütig gibt Bachmann zu, "mitgemacht, nicht energisch genug widersprochen" zu haben, er gesteht Irrtümer ein und korrigiert sich nachträglich. Damit hat er ein Beispiel für Belehrbarkeit gegeben.

Bachmanns Buch ist aber keine Selbstbespiegelung, sondern ein kleines Kaleidoskop deutscher Geschichten und Geschichte von Grimma in Sachsen und Bonn am Rhein über einen Kibbuz bei Haifa bis Blumenau in Brasilien. Das Buch bietet eine anschauliche und amüsante Lektüre.

Ralf Bachmann:

Ich habe alles doppelt gesehen.

Sax-Verlag, Beucha 2009;

302 S., 15 €

Wie europatauglich ist die Türkei? Wie positionieren sich die türkischen Minderheiten, insbesondere die Kurden, zum EU-Beitritt des Landes? Der kurdische Wissenschaftler Naif Bezwan bezweifelt in seinem gründlich recherchierten Buch "Türkei und Europa", dass die Beitrittsperspektive einen Beitrag zur Demokratisierung des Landes leisten kann. Die Alternative liege auch nicht in einer "privilegierten Partnerschaft", sondern in einer demokratischen und föderalen Umgestaltung der Türkei, schreibt der im deutschen Exil lebende Autor.

Die EU fordert er auf, der Türkei nicht nur eine Demokratisierung des politischen Systems abzuverlangen. Vielmehr müssten die Europäer den multinationalen und multireligiösen Charakter des Landes anerkennen. Denn nur auf diese Weise könne Brüssel die Türkei von ihrer Homogenisierungspolitik befreien, die die Existenz der Minderheiten bedrohe. Bezma ist davon überzeugt, dass nichts die demokratische Entwicklung so sehr behindere wie die kemalistische Staatsdoktrin von der "türkischen Nation". In dieser hätten die ethnischen Minderheiten bis heute keinen Platz.

Naif Bezwan:

Türkei und Europa.

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2008; 347 S., 59 €