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Die Attacke des Ex-Bankenbosses

HRE-AUSSCHUSS Viermetz macht Steinbrück für Beschleunigung der HRE-Krise verantwortlich

22.06.2009
2023-08-30T11:24:00.7200Z
3 Min

Angriff ist die beste Verteidigung. An diese Maxime hat sich offenbar Kurt Viermetz erinnert und so dem Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge um die nur noch wegen fast 90 Milliarden Euro an staatlichen Garantien überlebensfähige Hypo Real Estate (HRE) aufklären soll, ein erstes Spektakel beschert. Zur allgemeinen Überraschung übte sich der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende der HRE nicht in Zerknirschung, sondern startete einen Frontalangriff gegen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), den er kurzerhand für die Beschleunigung der HRE-Krise in der Zeit nach der Pleite von Lehman Brothers verantwortlich machte. SPD-Obfrau Nina Hauer merkte man richtig an, wie sie vor Empörung bebte. Viermetz stellte sich dem Ausschuss - anders als Georg Funke: Wegen Gerichtsverfahren im Umfeld der HRE verwies deren Ex-Vorstandschef auf sein Aussageverweigerungsrecht und zog nach juristischem Geplänkel mit den Abgeordneten wieder ab.

Großer Schaden

Ende September 2008 war nach einem dramatischen Verhandlungspoker von Banken- und Regierungsvertretern ein erstes Rettungspaket in Höhe von 35 Milliarden Euro geschnürt worden. Viermetz warf Steinbrück nun vor, nach dieser Einigung mit einer Äußerung über eine "geordnete Abwicklung" des Instituts dessen Möglichkeiten zur Refinanzierung an den Kreditmärkten erheblich verschlechtert zu haben: "Das hat sehr großen Schaden angerichtet." Diese vor allem durch Steinbrück ausgelöste Entwicklung habe dann eine Aufstockung des Rettungspakets um weitere 15 Milliarden Euro erforderlich gemacht. Das Finanzressort habe die Aussage des Ministers zwar korrigiert, "doch sie blieb in der Welt", monierte Viermetz. An den Finanzmärkten sei der Eindruck entstanden, der HRE "wird zwar geholfen, aber sie wird abgewickelt".

Gegen diese Einschätzung wandte sich Hauer. Penibel listete sie auf, dass schon Stunden nach der Einigung auf das Rettungspaket und noch vor Steinbrücks Äußerung der Aktienkurs der HRE um 75 Prozent eingebrochen sei. Zudem sei Steinbrücks Aussage rasch zurechtgerückt worden und "nur zwei Stunden auf dem Markt gewesen", weswegen dies nicht der Grund für die Notwendigkeit gewesen sein könne, dem Institut noch einmal mit 15 Milliarden unter die Arme zu greifen. Die SPD-Obfrau führte den erhöhten Finanzbedarf auf unzutreffende Angaben der HRE über ihre Finanzlage zurück, was durch einen Prüfbericht der Deutschen Bank über die irische Depfa belegt werde. Diese HRE-Tochter trug wesentlich zum Desaster der Holding bei.

Ein für die CDU nicht ganz unproblematisches Lob zollte Viermetz Bundeskanzlerin Angela Merkel. In die Verhandlungen zum Rettungspaket sei erst mit dem Eintreffen von Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen Bewegung gekommen, eine Einigung sei aber erst nach Merkels Intervention gelungen. Deren Einbindung ist von Belang für die zu klärende Frage, wer welche Verantwortung für eventuelle Fehler bei der HRE-Stützung trägt. Unions-Obmann Leo Dautzenberg wollte denn auch vom Zeugen wissen, woher er von der Mitwirkung Merkels wisse. Viermetz verwies auf Informationen von Verhandlungsteilnehmern.

»Grundsolide Bank«

Aus Sicht des Ex-Aufsichtsratschefs war die HRE eine "grundsolide Bank", die im September 2008 nur durch den Zusammenbruch des Interbankenmarkts als Folge der unvorhersehbaren Lehman-Pleite in eine Krise geraten sei. In den von BaFin und Bundesbank bei einer Prüfung der HRE im Frühjahr 2008 festgestellten Problemen wie etwa Defiziten beim Risikomanagement und wachsende Liquiditätsrisiken sah Viermetz "keine schwerwiegenden Mängel". Deren Behebung sei im Übrigen angegangen worden.

Vor dem Ausschuss erklärte Jens Conert, Leiter des Bankenreferats im Finanzministerium, man sei von der BaFin über die Liquiditätsrisiken und die Probleme beim Risikomanagement der HRE im Vorfeld des Lehman-Fiaskos unterrichtet worden. Die Mitteilungen hätten jedoch "keine Anhaltspunkte für eine nicht mehr beherrschbare Situation" ergeben, die Lage sei vielmehr "handhabbar" gewesen. Jedenfalls hätten damals "die Alarmglocken nicht klingeln müssen".

Die Äußerungen Conerts und einer weiteren Mitarbeiterin des Bankenreferats interpretierten die Opposition und auch die Unions-Abgeordnete Daniela Raab als Beleg für ihre Kritik, dass die Bankenaufsicht im Zusammenspiel von Ministerium und BaFin Defizite aufweise.