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Steueroasen geben sich geschlagen

FINANZEN Steinbrück setzt sich beim Kampf gegen Hinterziehung durch

29.06.2009
2023-08-30T11:24:01.7200Z
4 Min

Steuerparadiese senden Kooperationsangebote, einige Steueroasen haben schon kapituliert. Die internationale Finanzkrise und die überraschende Geschlossenheit der großen Industrienationen haben zahlreiche Länder, die das Bankgeheimnis bisher hochgehalten haben und Auskünfte über bei ihren Banken geführte Konten von Ausländern verweigerten, bewogen, den Steuerbehörden anderer Länder für die Zukunft mehr Auskunftsfreude zu versprechen. So verabredeten auf einem Steuergipfel am 23. Juni Vertreter von 19 Ländern im Berliner Finanzministerium einen besseren Informationsaustausch in Steuersachen. Das wird in Berlin, aber auch im Ausland, als großer Erfolg für Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) bewertet.

Abschlussdokument

Als besonders wichtig wird angesehen, dass auch die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und Belgien das Abschlussdokument des Steuergipfels unterzeichneten. Diese Länder standen bisher in dem Ruf, über die Konten und Einnahmen ihrer ausländischen Kundschaft wenig oder nichts in deren Heimatländer zu melden. Schwarzgeld in Milliardenhöhe soll daher in den Tresoren der Schweizer Banken liegen. So lehnte es die Schweiz ab, Anfragen deutscher Steuerbehörden zu beantworten, wenn es um Steuerhinterziehung ging. Höchstens bei Straftaten rückten die Eidgenossen Informationen raus.

Das hatte Steinbrück tief verärgert und auch zu verbalen Entgleisungen auf dem internationalen Parkett geführt. So wollte der deutsche Finanzminister die Kavallerie gegen Steueroasen ausreiten lassen, und der Schweizer Bundesrat Hans-Rudolf Merz zeigte sich "persönlich sehr getroffen" über eine Aussage von SPD-Chef Franz Müntefering, der zum Schweizer Verhalten gesagt habe, früher hätte man dort Soldaten hingeschickt. Merz sagte, die frühere Generation habe Zuflucht vor deutschen Soldaten in der Schweiz gesucht. Steinbrück selbst sagte jetzt: "Ich habe mir im Kampf gegen die Steueroasen nicht nur Freunde gemacht, aber es war wichtig, auch hierbei gegen den Wind zu segeln und Kurs zu halten." Steuerhinterziehung sei kriminell. Und wenn dem Staat möglicherweise 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgingen, dann seien davon alle betroffen.

Neues Abkommen

Aber die Schweiz gab nach, was der Regierung in Bern bereits den Vorwurf der Kapitulation vor Deutschland (zum Beispiel von der Schweizer Volkspartei) eintrug. Merz glaubt auch nicht, dass Steinbrück seine Einnahmen erheblich verbessern kann: "Die Hunderte von Millionen, die da kommen sollen, werden nicht zusammenkommen. Das ist Träumerei", so der Schweizer Bundesrat zu den Erwartungen an sein Land. Dennoch will die Schweiz ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik aushandeln, in dem auch Auskunftspflichten bei Steuerhinterziehung vereinbart werden sollen. Dann hätten die deutschen Steuerbehörden weitgehend freien Zugang zu Schweizer Bankdaten, soweit es um Steuerangelegenheiten von Bundesbürgern geht.

Steinbrücks Absicht, beim Berliner Steuergipfel mit einem neuen und besonders scharfen deutschen Gesetz gegen Steuerhinterziehung glänzen zu können, unterlief allerdings die Unionsfraktion. Eigentlich war der Entwurf der Bundesregierung (16/12852) schon auf einem guten Weg und sollte spätestens am 19. Juni vom Bundestag beschlossen worden sein. Doch die CDU/CSU hielt das Werk an und verlangte in letzter Minute weitgehende Änderungen, denen die Sozialdemokraten nicht ohne weiteres zustimmen mochten.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen (Konten) in Steueroasen unterhalten, gegenüber den deutschen Finanzbehörden die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt versichern müssen. Verweigert der Steuerpflichtige geforderte Angaben, können ihm zum Beispiel der Betriebsausgabenabzug, eine Entlastung von der Kapitalertrags- oder Abzugssteuer oder die Steuerbefreiung für Dividenden versagt werden.

Besuch vom Finanzamt

Steuerpflichtige, deren Überschusseinkünfte mehr als 500.000 Euro im Jahr betragen, müssen in Zukunft mit Außenprüfungen durch die Finanzbehörden rechnen. "Einer besonderen Begründung der Prüfungsanordnung bedarf es nicht", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Bei Steuerpflichtigen, die sich nicht an die auf sechs Jahre verlängerten Aufbewahrungspflichten halten, wird "widerlegbar vermutet", dass ihre steuerpflichtigen Einkünfte höher als die erklärten Einkünfte sind.

Die Maßnahmen sollen erst durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung, der der Bundesrat zustimmen muss, wirksam werden. Und hier liegt Kern des Streits zwischen Union und SPD: Während Steinbrück die Verordnung für Geschäftsbeziehungen zu allen Steueroasen auf dem Planeten gelten lassen will, verlangt die Union jeweils eine neue Verordnung für jede Oase. Auch die Kritik des Bundesrates (16/13106) geht in diese Richtung: Die Länder forderten die Regierung auf, "bei Entwurf der noch zu erlassenden Rechtsverordnung auf eine angemessene Abwägung zwischen einer notwendigen Bekämpfung der Steuerflucht und berechtigten Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu achten". In einer Anhörung des Finanzausschusses war der Entwurf auf massive Bedenken gestoßen. Vertreter von Wirtschaft und Banken hatten kritisiert, allein das Bestehen von Geschäftsbeziehungen zum Ausland rechtfertige keine stärkeren staatlichen Kontrollen, erhöhte Mitwirkungs- und Nachweispflichten oder die Versagung beziehungsweise Kürzung des Betriebsausgaben- oder Werbungkostenabzugs.

Nach Ansicht der Bundesregierung entspricht ihr Entwurf den Anforderungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und auch des Völkerrechts. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Gleichmäßigkeit des Steuerrechts gebiete, die Besteuerung von Auslandseinkünften mit dem gleichen Nachdruck durchzusetzen wie die Besteuerung von Inlandseinkünften.

Die Koalition will sich weiter um eine Einigung bemühen. Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz steht jetzt am 3. Juli auf der Tagesordnung des Bundestages. "Wir werden noch vor der Sommerpause eine Einigung finden", gibt sich Otto Bernhardt, finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, überzeugt.