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SPD bleibt beim Wahlrecht koalitionstreu

NEGATIVES STIMMGEWICHT Grünen-Fraktion scheitert mit Vorschlägen zur Novellierung

06.07.2009
2023-08-30T11:24:01.7200Z
2 Min

Die Aufregung war zunächst groß vor der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause: Führende SPD-Politiker, so war den Medien laudauf, landab zu entnehmen, plädierten dafür, am 3. Juli für einen Gesetzentwurf der Grünen zum Wahlrecht zu votieren - und damit die ungeliebte Koalition mit der Union noch kurz vor dem Ende der ablaufenden Legislaturperiode faktisch zu brechen.

Entwarnung am Montag

Noch am Montagvormittag kam dann über Ticker-Meldungen Entwarnung, und nach einer Präsidiumssitzung der SPD versicherte ihr Generalsekretär Hubertus Heil: Ein Koalitionsbruch sei zu "keinem Zeitpunkt" erwogen worden. Dem Grünen-Entwurf werde die SPD "im Bundestag nicht zustimmen können". Schon in der Vorwoche hatte die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, in einem Brief an SPD-Chef Franz Müntefering deutlich gemacht, eine Wahlrechtsänderung noch vor der Bundestagswahl abzulehnen. Schließlich votierte das Parlament mit 391 von 493 Stimmen gegen den Grünen-Vorstoß.

Genau ein Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in einer Klausel des Bundeswahlgesetzes einen "Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl" ausgemacht (Az.: 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07) und eine Novellierung verlangt, für die die Richter dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende Juni 2011 einräumten. Hintergrund sind Regelungen im Verfahren der Mandatszuteilung, aus denen sich der paradoxe Effekt des "negativen Stimmgewichts" ergibt. Danach kann ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Mandatsgewinn bei der betreffenden Partei führen und umgekehrt. Der Effekt tritt im Zusammenhang mit Überhangmandaten auf, die Parteien erhalten, wenn sie in einem Land mehr Direktmandate erringen, als ihnen laut Zweitstimmenergebnis zusteht.

Zank um Überhangmandate

Je größer dabei die Differenz zwischen der Zahl der Direktmandate und dem Zweitstimmenergebnis ist, desto wahrscheinlicher fällt der Partei bei der bundesweiten Verteilung der Mandate ein weiterer Sitz in einem Bundesland zu, in dem sie ein besseres Zweitstimmenergebnis erzielt hat: Weniger Zweitstimmen im einen Land bescheren der Partei dann also ein zusätzliches Mandat im anderen Land.

Nach dem Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion (16/11885) sollte die Verfassungswidrigkeit dadurch beseitigt werden, dass die Anrechnung der Direktmandate künftig bereits auf Bundesebene und nicht wie bislang auf Länderebene erfolgt. Überhangmandate entstünden dann "in der Regel nicht mehr", hieß es in der Vorlage.

Wahlalter bleibt

Mit dem Grünen-Vorschlag würde man das Wahlsystem "grundlegend umkrempeln", kritisierte der CDU-Abgeordnete Günter Krings in der Debatte und verwies darauf, dass das Verfassungsgericht Überhangmandate ausdrücklich akzeptiert habe. Auch die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz monierte, die Vorlage werde den Anforderungen nicht gerecht. Der SPD-Parlamentarier Klaus Uwe Benneter befand indes, der Grünen-Entwurf ermögliche die geforderte Korrektur des Wahlrechts, doch wolle der Koalitionspartner diese nicht, "weil er glaubt, die Überhangmandate werden ihm nützen". Eine Wahlrechtsänderung könne es aber nur mit der Union geben.

Während die Linke-Abgeordnete Dagmar Enkelmann der SPD Scheinheiligkeit vorwarf, warnte der Grünen-Parlamentarier Wolfgang Wieland, "mit einem verfassungswidrigen Wahlrecht in eine Wahl zu gehen". Bereits am Vorabend hatte das Parlament Entwürfe seiner Fraktion (16/12344, 16/12345) abgelehnt, bei Bundestagswahlen ab 2010 auch Jugendliche ab 16 Jahren abstimmen zu lassen.