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Kurz notiert

KAMBODSCHA Vann Nath kann Tuol Sleng nicht vergessen

09.11.2009
2023-08-30T11:24:12.7200Z
16 Min

Wenn die Sonne hinter den Dächern von Phnom Penh versinkt, kommt leichter Wind auf. Das ist die Zeit für Vann Nath, die steilen Außentreppen seines Hauses emporzusteigen, um auf der Dachterrasse die kühleren Abendstunden zu verbringen. Der 65-Jährige macht es sich in einer zerschlissenen Hängematte bequem. Seine Wunden plagen ihn, die, die ihm die Roten Khmer vor mehr als dreißig Jahren zufügten. Noch viel mehr quält ihn die schmerzliche Erinnerung an die Zeit des zügellosen Terrors von 1975 bis 1979, als Kambodscha von den Rebellen in ein einziges Zwangsarbeitslager umgewandelt wurde.

Fast zwei Millionen Menschen kamen ums Leben - wer nicht bestialisch umgebracht wurde, starb an Hunger, Krankheiten oder Überarbeitung. In der Schule Tuol Sleng in Phnom Penh richteten die barbarischen Roten Khmer, die aus dem südostasiatischen Land einen reinen Agrarstaat machen wollten, ein Folterzentrum ein.

Unvorstellbare Graumsamkeiten

Fast 15.000 Menschen erduldeten unvorstellbare Grausamkeiten, bevor sie auf den "Killing Fields" vor den Toren der Hauptstadt erschlagen wurden. Als die Roten Khmer Anfang 1979 von den Vietnamesen vertrieben wurden, hatten nur sieben Gefangene die Folter in Tuol Sleng überlebt. Heute leben noch drei - Vann Nath ist einer von ihnen. Der Weißhaarige, der mit seinen Verwandten das kleine Restaurant "Kith Eng" in Phnom Penh betreibt, leidet immer noch unter den Folgen der Folter: Seine Peiniger quälten ihn mit Elektroschocks. Unaufgefordert krempelt Nath die Hemdsärmel hoch und zeigt lange Narben auf den Unterarmen. "Nach tagelanger Folter fühlten wir uns wie Tiere, nicht mehr wie menschliche Wesen", sagt er. Ein bis zwei Löffel Reis täglich führten dazu, dass der beißende Hunger die Gedärme zerriss, und das Denken ausschließlich auf Essen fixiert war - auch auf Insekten, die von der Decke der Zelle fielen. Seine Stimme wird noch leiser und klingt verschämt, als er davon berichtet.

Die Folter war schrecklich, mehr noch die Erniedrigung. Dass die Peiniger ihn seiner Würde berauben wollten, das kann er ihnen bis heute am wenigsten verzeichen. Das verzweifelte Wimmern der gequälten Mitgefangenen hört Vann Nath immer nachts, wenn ihn die Gespenster der Vergangenheit heimsuchen. Er zeigt Fotos aus der Zeit seiner Gefangenschaft in Tuol Sleng, heute ein Genozid-Museum. Als Nummer 719-55 wurde er dort geführt, wie alle anderen sofort nach der Ankunft abgelichtet und in Ketten gelegt.

Dass Vann Nath in Tuol Sleng überlebte, verdankt er seinem Talent als Maler. Nach Wochen der Folter steht er eines Tages, völlig geschwächt, dem Leiter des Gefängnisses gegenüber, Kaing Guek Eav, genannt Duch. Zitternd vor Angst sieht Nath sein Ende gekommen. Doch Duch will, dass der Gefan-gene ein überlebensgroßes Portrait von Pol Pot malt, dem Führer der Roten Khmer, genannt Brother Nr. 1.

Es bleibt nicht bei einem Bild, das der nun mit großen Portionen Reis aufgepäppelte Vann Nath anhand von Fotos malt. Es rettet ihm das Leben, dass die Bilder nicht nur dem heute vor dem internationalen Völkermord-Tribunal in Phnom Penh stehenden Duch gefallen, sondern vor allem dem mächtigen Diktator Pol Pot, der einen Personenkult nach dem Vorbild Maos vorbereitet. In einem separaten Raum bleibt Vann Nath zwar von nun an die Folter erspart, aber nicht die entsetzlichen Schmerzensschreie seiner Leidensgenossen, die regelmäßig nachts abtransportiert wurden und nicht mehr zurückkamen.

Warum ist Vann Nath im Dezember 1977 abgeholt und von seiner Frau und seinen beiden Kindern getrennt worden? "Ich kann es Ihnen auch heute noch nicht sagen", der Maler spricht leise, mit sanfter Stimme. "Ich habe in einer Dorfgemeinschaft in der Nähe der Provinzhauptstadt Battambang gelebt, in der jeden Tag Menschen festgenommen worden sind. Tag und Nacht wurden sie verhaftet und zu schwerster Arbeit gezwungen."

Vann Nath stockt für einen Moment und muss sich sammeln. Er lauscht dem starken Tropenregen, der auf das Blechdach prasselt. Dann fährt er fort: "Als ich in das Tuol-Sleng-Gefängnis eingeliefert wurde, beschuldigten mich die Roten Khmer, den revolutionären Kurs nicht mitzutragen und die Partei Angkar nicht zu unterstützen." Angkar war die alles beherrschende Partei der Roten Khmer, die, wie es hieß, "tausend Augen hat und alles sieht". Tausende verschwanden zu dieser Zeit in Kambodscha, weil sie sich nicht gegen falsche Beschuldigungen wehren konnten.

Die gegen Vann Nath erhobenen Vorwürfe wurden von keiner Stelle untersucht, ihr Wahrheitsgehalt nicht überprüft. Diese Ungewissheit verfolgt ihn bis heute, hatte er doch ein rechtschaffenes Leben geführt und sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

Er vertraut seiner buddhistischen Religion, die besagt: Wer im Leben etwas Schlimmes tut, der wird in seinem späteren Leben auch Schlimmes ernten.

So soll es auch den Angeklagten aus der Führungsriege der Roten Khmer ergehen, die vor dem 2004 eingesetzten Khmer Rouge Tibunal stehen. Vann Naths Stimme wird zum ersten Mal lauter, als er deren strenge Bestrafung fordert. Rache sei ihm fremd, sagt der Maler, aber er will Gerechtigkeit, vor allem für die vielen tausend noch lebenden Opfer des Regimes. Diese Gerechtigkeit müsse für jeden Kambodschaner "sichtbar und greifbar" sein.

Bilder von früher

Allerdings setzt Vann Nath nicht allzu große Hoffnungen in die juristische Aufarbeitung durch das mit nationalen und internationalen Richtern besetzte Völkermord-Tribunal in der kambodianischen Hauptstadt Phnom Penh. Es sei zu spät eingerichtet worden. Viele Schlächter von damals sind wie vom Erdboden verschluckt, seit es seine Ermittlungen aufgenommen hat. Von den ehemaligen Roten Khmer in der amtierenden Regierung von Ministerpräsident Hun Sen spricht Nath nicht. Der Tuol-Sleng-Überlebende ist sich sicher, dass "viele, die gemordet und gefoltert haben, sich nicht vor dem Tribunal werden verantworten müssen". Bislang müssen sich nur fünf Angeklagte vor dem Gericht verantworten. Es dürfe aber nicht sein, dass die Täter davonkommen. "Sie leben noch, und sie können sich im Land frei bewegen. Ich kenne sie, ich habe sie in der Provinz selbst gesehen."

Man müsse den Tätern von einst ihre Schuld klarmachen, fordert Vann Nath. Am 29. Juni hat er seinen Teil dazu beigetragen, als er als Zeuge vor dem Tribunal gehört wurde. Dort schilderte er auch, wie er nach seiner Befreiung im Januar 1979 wie durch ein Wunder seine Frau wiederfand, mit der er noch einmal eine Familie gründete. Drei Kinder hat er heute; zwei Söhne aber haben die Schreckenzeit nicht überlebt.

Vann Nath ist müde, das Gespräch hat ihn erschöpft. Ab und zu greift er noch zum Pinsel, sagt er, doch die Flucht zu anderen Motiven will ihm nicht gelingen. Als wenn eine fremde Macht seine Hand führt, kann Vann Nath nur wie früher Verhör- und Folterszenen malen. Sie haben sich zu tief in seine Seele eingegraben.

Der Autor ist freier Journalist

und lebt in Mainz.

Holger Haibach (CDU)

Der Internationale Strafgerichtshof stellt eine wichtige Errungenschaft im Umgang mit der Straflosigkeit schwerster Verbrechen dar, die die "internationale Gemeinschaft als Ganzes" betreffen. Mit der Errichtung des IStGH ist es den Vertragsstaaten gelungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Kriegsverbrechen und künftig auch das Verbrechen der Aggression auf internationaler Ebene durch ein unabhängiges Gericht zu ahnden.

Der Internationale Strafgerichtshof stärkt folglich das gesamte UN-System, da die Strafverfolgung andernfalls an die nationalen Grenzen und einen schwer erzielbaren Konsens im UN-Sicherheitsrat gebunden wäre. Deutschland hat sich von Beginn an für die Gründung des IStGH eingesetzt und aktiv an der Ausarbeitung des Römischen Statuts mitgewirkt. Die CDU/CSU-Fraktion ist nach wie vor überzeugt, dass der IStGH beim Kampf gegen die Straflosigkeit und als Zeichen für mehr Gerechtigkeit einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Christoph Strässer (SPD)

Der Internationale Strafgerichtshof steht für eine klare Botschaft: Wer Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen hat, muss bestraft werden. Selbst amtierende Staatsoberhäupter dürfen bei solch schweren Verbrechen nicht durch Immunität und staatliche Souveränität geschützt werden. Jüngstes Beispiel ist der Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir, der die Gewalt in Darfur mit über 300.000 Toten zu verantworten hat. Kritiker dieser Gerichtsentscheidung sahen die Friedensverhandlungen im Sudan gefährdet. Ich habe die Entscheidung für richtig gehalten, denn der IStGH steht auch für ein Versprechen an die Opfer und ihre Angehörigen: Es gibt kein Pardon mehr für Despoten! Nur wenn Verbrechen juristisch aufgearbeitet und die Täter bestraft sind, wird den Opfern wirklich Gerechtigkeit zuteil. Allein auf dieser Grundlage kann die schmerzhafte Vergangenheit bewältigt werden und eine gesellschaftliche Versöhnung beginnen.

Burkhard Müller-Sönksen (FDP)

Der Internationale Strafgerichtshof ist das erste ständige internationale Strafgericht zur Ahndung schwerster Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn sich Ermittlungen aufgrund beschränkter Ressourcen auf politische Führungspersonen beschränken müssen, entfaltet die Möglichkeit der internationalen Strafverfolgung bereits jetzt eine abschreckende, mäßigende Wirkung auf Konfliktparteien insbesondere in Bürgerkriegen.

Die Ausstellung eines Haftbefehls gegen den sudanesischen Staatspräsidenten Omar al-Baschir wegen Kriegsverbrechen in Darfur war ein juristischer Meilenstein. Fortan müssen auch amtierende Regierungschefs bei schwersten Menschenrechtsverletzungen mit Strafverfolgung rechnen.

Das Verhalten der birmanischen Junta, die 2008 nach dem verheerenden Zyklon Nargis humanitäre Hilfe für die eigene Bevölkerung verhinderte, verdeutlicht, dass auch derart brutales Verhalten in das Römische Statut aufgenommen werden sollte.

Michael Leutert (Die Linke)

Für das Bedürfnis nach der Ahndung schwerer Verstöße gegen das Völkerrecht sind die NS-Verbrechen nur das augenfälligste Beispiel. Der Internationale Strafgerichtshof ist daher ein rechtlicher Fortschritt, der weitreichende Folgen haben kann. Zum einen kann die Bereitschaft, Konflikte eskalieren zu lassen, durch die Strafandrohung gebremst und Kooperationsbereitschaft erzeugt werden. Zum anderen hat die feste Institution eines Strafgerichtshofs, zumal völkerrechtlich legitimiert, eine höhere Legitimität als provisorische Einrichtungen.

Die Möglichkeiten der internationalen Strafgerichtsbarkeit bleiben jedoch begrenzt, solange Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen wie die USA der Meinung sind, ihre Staatsbürger seien immun gegen internationale Strafverfolgung. Damit beschädigen sie die Legitimität der internationalen Strafgerichtsbarkeit. Es wiegt zusätzlich schwer, dass dadurch in vielen Staaten ein antikolonialer Reflex gegen den Westen mobilisierbar ist.

Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen)

Der IStGH ist ein Meilenstein, um den universalen Geltungsanspruch der Menschenrechte tatsächlich durchzusetzen und die schwersten Verbrechen gegen die Menschenrechte zu verfolgen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich frühzeitig für die Einrichtung und später für die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofes eingesetzt. Durch die Verrechtlichung von politischen Problemen und Herausforderungen kann der Strafgerichtshof zu deren Lösungen beitragen und dadurch politische Blockaden in den Vereinten Nationen umgehen. So ist denkbar, dass er in Zukunft auch eine Perspektive bieten könnte bei der Feststellung der Voraussetzung der "Responsibility to protect", dem Recht zur Intervention bei drohenden Konflikten. Das Römische Statut stellt klar, dass die internationale Gemeinschaft als Ganzes eine Verantwortung für die Verfolgung schwerster Verbrechen trägt. Der Gerichtshof muss die volle Unterstützung der neuen Bundesregierung bekommen.

Kurden und Schiiten im Irak

1982:

Massaker an Schiiten im Dorf Dudschail mit mehr als 140 Getöteten; Frauen und Kinder werden deportiert und jahrelang in einem Internierungslager in der Wüste festgehalten.

1983:

Ermordung tausender Mitglieder des kurdischen Stammes Barasin.

Februar bis September 1988:

Anfal-Offensive, in deren Verlauf rund 75 Prozent der gesamten dörflichen Gemeinden und Strukturen der Kurden zerstört werden; Deportation der Überlebenden in riesige Umsiedlungslager und Kollektivstädte. Insgesamt fallen der Offensive 180.000 Menschen zum Opfer, rund 400 Dörfer werden völlig vernichtet; Häuser, Felder und Gärten niedergebrannt, Brunnen zubetoniert, die Menschen getötet oder vertrieben.

16. März 1988:

Giftgasangriff auf Halabja, bei dem rund 5.000 Menschen sofort sterben, 17.000 Menschen sterben in der Folgezeit oder auf der Flucht. Viele Überlebende leiden bis heute unter gesundheitlichen Schäden.

März 1991:

Volksaufstand der Kurden Nordiraks und der Schiiten im Süden des Landes gegen Präsident Saddam Hussein, der gewaltsam niedergeschlagen wird. Rund zwei Millionen Menschen fliehen in Richtung türkischer und iranischer Grenze; mehr als 20.000 sterben auf der Flucht.

5. April 1991:

Errichtung einer internationalen Schutzzone durch die Uno im schiitischen Süden. In den kurdischen Gebieten entstand die 40.000 Quadratkilometer große Schutzzone "Safe Haven", mit einer autonomen kurdischen Selbstverwaltung.

seit 1992:

wurden mehrere riesige Massengräber von Anfal-Opfern entdeckt.

31. August 1996:

Einmarsch der irakischen Truppen in Irakisch-Kurdistan. Es folgten zahlreiche Hinrichtungen von Oppositionellen und erneute Fluchtbewegungen.

20. März bis 1. Mai 2003:

Irak-Krieg

seit 2003:

ist es den Opfern der Anfal-Offensive erstmals möglich in ihre Heimatdörfer zurückzukehren.

19. Oktober 2005:

Beginn des Dudschail-Prozess gegen Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte beginnt.

21. August 2006:

Beginn des Anfal-Prozesses. Neben Saddam Hussein ist unter anderem sein Cousin Ali Hassan al-Madschid, besser bekannt als "Chemie-Ali" angeklagt.

5. November 2006:

Urteil im Dudschail-Prozess: Saddam Hussein wird wegen Verbrechen gegen die Menschheit schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Das Urteil wird am 30. Dezember 2006 vollstreckt. Für die Anfal-Offensive wird er nicht mehr belangt.

10. Mai 2007:

Urteil im Anfal-Prozess: Madschid wird zum Tod durch den Strick verurteilt.

Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Prozess gegen 22 Hauptkriegsverbrecher vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 ist der bedeutenste der insgesamt 13 Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Der im Nürnberger Justizpalast tagende Internationale Militärgerichtshof war von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien eingesetzt worden. Seit Nürnberg gilt die Trias völkerrechtlicher

Schwerverbrechen: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In zwölf weiteren Prozessen wurden bis 1949 vor allem Ärzte und Juriste angeklagt.

In Tokio tagte seit Mai 1946 ebenfalls unter amerikanischem Vorsitz ein - gleichfalls international besetzter - Gerichtshof, der die Verantwortung von 28 führenden Politikern, Generälen und Diplomaten für eine Verschwörung gegen den Weltfrieden untersuchte.

Ad-hoc-Tribunale der Uno

1993 wurde durch Beschluss des UN-Sicherheitsrats der Ad-hoc-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien mit Sitz in Den Haag gegründet. Er ist räumlich auf die Region des ehemaligen Jugoslawiens begrenzt und nur für die Verbrechen zuständig ist, die seit dem 1. Januar 1991 auf diesem Gebiet begangen wurden. Er verhandelt also auch gegen Verantwortliche des Kosovo-Kriegs. Nach diesem Vorbild wurde 1994 auch in der tansanischen Stadt Arusha ein Ad-hoc-Gerichtshof für Ruanda eingerichtet. Bis 2010 sollen dort die Verantwortlichen des von der Hutu-Mehrheit begangenen Völkermords belangt werden.

Hybrid-Gerichtshöfe

Hybrid-Strafgerichtshöfe werden durch Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und einem einzelnen Staat geschaffen. Diese Gerichtshöfe sind sowohl mit nationalen als auch mit internationalen Richtern besetzt. Der erste Hybrid-Gerichtshof wurde von 1999 bis 2004 in Ost-Timor eingesetzt. Die Ermittlungen und Prozesse vor dem 2002 eingesetzten Sondergerichtshofs für Sierra Leone, des 2003 gegründeten Rote-Khmer-Tribunals für Kambodscha und des 2007 eingerichteten Sondertribunals für den Libanon dauern noch an.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag

Im Gegensatz zu den anderen Strafgerichtshöfen ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz im niederländischen Den Haag kein zeitlich oder räumlich begrenztes Gericht. Er ist der erste ständige Internationale Strafgerichtshof, der zukunftsgerichtet ist. Das Gericht wurde zudem nicht durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats, sondern 1998 durch einen internationalen Vertrag ins Leben gerufen, den bis heute 110 Staaten ratifiziert und 139 unterzeichnet haben. Der IStGH stellt die bis heute höchste Stufe der Institutionalisierung des Völkerrechts dar. Wichtige Staaten wie die USA, Russland, China und Israel haben das Statut nicht ratifiziert.

Strafverfolgung

Die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen durch internationale, nationale oder sogenannte gemischte Strafkammern stellt den harten Kern des Transitional Justice-Konzepts dar. Gerechtigkeit nach innerstaatlichen Konflikten und Unrecht kann jedoch nicht allein juristisch hergestellt werden. Vor allem auch deshalb, weil sich die Strafverfolgung vor allem auf die Bestrafung der Täter konzentriert und erst nachrangig um die Anliegen der Opfer kümmert.

Wahrheitskommissionen

Ursprünglich als Alternative zur Strafverfolgung vorgesehen, dienen Wahrheitskommissionen mittlerweile oft als Ergänzung der juristischen Aufarbeitung. Diese Kommissionen haben zum Ziel, durch individuelle Zeugenaussagen die Verbrechen eines Regimes aufzudecken und zu dokumentieren. In einigen Fällen dienen ihre Ergebnisse als Grundlage für Anklage- erhebungen. Die ersten Wahrheitskommissionen wurden Anfang der 1980er Jahre in Südamerika eingesetzt, die bekannteste ist die zur Aufarbeitung der Apartheids-Verbrechen in Südafrika. Mittlerweile gibt es bei den Vereinten Nationen Überlegungen, eine Wahrheitskommission als ständiges Gremium einzusetzen.

Lustration und institutionelle Reformen

Nach dem Übergang von Diktaturen zu Demokratien geht es auch um die Frage, wer das alte System wie unterstützt hat. Dabei spielt Lustration, was übersetzt soviel bedeutet wie Durchleuchten, eine wichtige Rolle. Ihr Ziel ist es, mit Hilfe der Geheimdienstakten Unterstützer der ehemaligen Regime zu identifizieren. Während es in manchen Ländern lediglich darum geht, zu wissen, wer etwa mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hat, wurden die Unterstützer andernorts aus ihren Ämtern in Verwaltung und Behörden entlassen.

Entschädigungen

Entschädigungen in Form von Sach- , Geld- oder Dienstleistungen werden im Rahmen des Transitional Justice-Konzepts von Straftätern an Opfer geleistet. Die Täter erkennen dadurch ihre Schuld und das Leid der Opfer offiziell an. Wenn Verbrechen von einem Staat begangen wurden, ist es an der neuen Regierung, die Verantwortung der Vorgängerregierung zu übernehmen. Dadurch soll das Vertrauen der Opfer in die neuen Institutionen gefördert werden.

Erinnern und Gedenken

Transitional Justice-Prozesse wollen die Opferperspektive verstärkt in den Fokus rücken. Durch verschiedene Formen des Erinnerns und Gedenkens - an Gedenktagen, durch Denkmäler oder in Museen - wird das Leid der Opfer offiziell anerkannt. Gedenken soll außerdem einen offenen Dialog über die Vergangenheit fördern und verhindern, dass sich Verbrechen wiederholen.