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Getrennte Wege

SÜDAFRIKA Edith Werners Buch über das Land am Kap verengt den Blickwinkel auf das Leben der Weißen

23.11.2009
2023-08-30T11:24:13.7200Z
4 Min

Südafrika ist für Deutsche attraktiv. Allein im Raum Kapstadt leben über 90.000 Bundesbürger, 550 deutsche Firmen unterhalten Niederlassungen in Nelson Mandelas Heimat und Touristen strömen auch ohne Fußballweltmeisterschaft ins Land. Es liegt nahe, dass der LinksVerlag Südafrika in seine Länderreihe aufgenommen hat, die Informationen jenseits von Reiseführer-Kurztexten bieten möchte, geschrieben für Leute, die zum Beispiel einen Studien- oder Arbeitsaufenthalt planen. Edith Werner hat selber fünf Jahre in Kapstadt gelebt, ist durchs Land gereist und hat ihre Erfahrungen zu Papier gebracht.

Kulturveranstaltungen erweisen sich beispielsweise als angenehme Art, der südafrikanischen Vielfalt näher zu kommen. In der Savannenstadt Oudtshoorn präsentiert sich die weiße afrikaanssprachige Bevölkerung auf dem Klein Karoo Nasionale Kunstefees, die englischsprachige weiße Bevölkerung reist zum National Arts Festival nach Grahamstown. Die Bevölkerungsgruppen bleiben auch 15 Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid meist unter sich, separiert nach Hautfarbe und nach Sprache. Grenzen überschritten hat hingegen das Kapstädter Theater, als es Mädchen und Jungen aus den Townships zum Vorsingen einlud und aus dem Kreis der Talente auch Sänger und Sängerinnen für Verdi-Opern gewann.

Armut und neuer Wohlstand

Für junge Leute mit dunkler Hautfarbe und guter Ausbildung haben sich die Schatten der rassistischen Vergangenheit verflüchtigt. Die Angehörigen der neuen Mittelschicht arbeiten in guten Jobs und vergnügen sich in teueren Restaurants und Shopping Malls. Als in Soweto, dem Inbegriff für Rassendiskriminierung und schwarzer Armut, ein glitzerndes Einkaufszentrum seine Tore öffnete, wurde das Ereignis zum Symbol der Veränderung für die Nichtweißen. Die große Mehrheit kann sich den Einkaufsbummel dort allerdings nicht leisten. Junge schwarze Männer wollen sich nicht damit begnügen, wenn das Haus ihrer Eltern im Township nun über Elektrizität und fließendes Wasser verfügt. Maßlos enttäuscht und zugleich mit aggressiven Männlichkeitsvorstellungen aufgeladen, werden manche zu Gewalttätern, im Township und außerhalb. Für Weiße ist die Zeit automatischer Privilegien und sicherer Stellen im öffentlichen Dienst vorbei, sie haben Angst vor Verbrechen und werden Opfer von Gewalttaten, genauso wie ihre nichtweißen Landsleute.

Edith Werner erzählt Geschichten von Kriminalität und neuem Geldadel, aber wenig davon stammt aus eigener Recherche. Gezieltes Nachfragen jenseits ihres Umfeldes, nur mit der Absicht, mehr über die Welt außerhalb des eigenen Milieus zu erfahren, journalistisches Handwerk also, ist rar. Werner bewegt sich selten abseits allgemein zugänglicher Orte und Veranstaltungen. Ihre Perspektive bleibt die der weißen deutschen Besucherin mit besonderem Interesse an der burischen Welt. Ihr wichtigster und beinahe einziger Zugang zu den Townships ist die eigene Hausangestellte, die sie manchmal zum Wochenende nach Hause fährt. Ihre Beschreibungen reichen nur wenig über die eines soliden Reiseführers hinaus.

Der Blickwinkel verengt sich bereits, wenn Werner Südafrikas Geschichte mit der Ankunft des Holländers Jan van Riebeeck im Jahr 1652 auf der Kaphalbinsel beginnen lässt. Die Geschichte der zuvor ansässigen Völker wird nachreicht. Die Autorin hat sich möglicherweise an den Hinweis erinnert, wonach man sein Publikum da abholen soll, wo es steht. Und weil ihr Publikum deutschsprachig ist, wird es mit zahllosen Beweisen deutscher Präsenz im südlichen Afrika vertraut gemacht. Aber Leser wollen nicht nur abgeholt, sondern auch herumgeführt werden, zumal wenn sie ein Buch erwerben, das Hintergründiges über das einst als Regenbogennation apostrophierte afrikanische Land verspricht.

Obendrein leistet sich Werner einige Ausrutscher, die kein Lektorat durchgehen lassen dürfte, etwa wenn sie den 2009 gewählten Präsidenten Jacob Zuma, der wegen Korruptions- und Vergewaltigungsvorwürfen vor Gericht stand, als den "wohl afrikanischsten der bisherigen Präsidenten" bezeichnet. Was bitte will uns die Autorin damit sagen? Es klingt jedenfalls nach blankem Rassismus. An anderer Stelle kommt Werner auf das Niemandsland jenseits von Kapstadts noblen südlichen Vororten zu sprechen, "in das weder die Touristen noch die meisten Kapstädter einen Fuß zu setzen wagen" und wozu sie offenbar auch Kayelitsha und weitere Kapstädter Townships zählt. Oder die Autorin schildert, wie nach dem Einkauf im Supermarkt der Parkwächter beim Verstauen der Waren im Auto hilft und ergänzt im Stil einer Reisewerbung: "Das neokoloniale Leben pur." Hinter der Einpackhilfe steckt zweifellos ein anderes Servicekonzept als es in Deutschland üblich ist. Die freundliche Unterstützung hat auch mit niedrigen Löhnen zu tun, praktiziert wird sie ebenso in den USA, und mit "Neokolonialismus" hat das alles nichts zu tun.

Werners gedankliche und sprachliche Schlampereien sind ein Ärgernis, durch den deutsch und weiß fixierten Blick beraubt sich das Buch vieler Möglichkeiten, die es gehabt hätte.

Edith Werner:

Südafrika. Ein Land im Umbruch.

Ch. Links Verlag, Berlin 2009; 208 S., 16,90 €