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Die Kameralistik hat ausgedient

Haushalt Hessen legt Eröffnungsbilanz nach den Regeln der doppelten Buchführung vor

23.11.2009
2023-08-30T11:24:14.7200Z
2 Min

Das Haushalts- und Rechnungswesen des Bundes und der Länder wird modernisiert. Um die Voraussetzung für einheitliche Standards zu schaffen, verabschiedete der Bundestag am 3. Juli einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (16/12060, 16/13687). Danach kann das bisher vorherrschende kameralistische System durch ein System nach den Prinzipien der doppelten Buchführung in Konten, kurz Doppik, ersetzt werden. Am 20. November stellte Hessen als bundesweit erstes Flächenland seine Eröffnungsbilanz dazu vor. Es ist die erste Bilanz einer Gebietskörperschaft, die vollständig auf kaufmännisch erwirtschafteten Daten beruht.

Jahrelang ist in Hessen jeder Stein umgedreht worden: 2,37 Milliarden Euro ist der Staatswald wert, auf 100 Millionen Euro schätzen die Finanzexperten den Wert eines Rembrandtgemäldes und mit 1,5 Millionen Euro schlagen drei ausgestopfte Steppenpferde zu Buche. Insgesamt kommt das Land auf ein aktives Vermögen von 30,7 Milliarden Euro. Ihm stehen auf der Seite der Verbindlichkeiten insgesamt 88,3 Milliarden Euro gegenüber.

Diese Bilanz markiert nach den Worten von Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) einen Paradigmenwechsel zu mehr Transparenz. "Damit hat Hessen beim Thema Reform der Rechungslegung seine Vorreiterrolle unter Beweis gestellt", sagte der Ministerpräsident. Bereits 1998 hatte die seinerzeit noch rot-grüne Landesregierung beschlossen, alle Bereiche der Landesverwaltung nach und nach auf Doppik umzustellen. Bis Ende 2006 wurde in Hessen flächendeckend das kaufmännische Rechnungswesen mit Kosten- und Leistungsrechnungen auf der Basis der Verwaltungssoftware SAP eingeführt.

Mehr Generationengerechtigkeit

Mehr Transparenz, eine nachhaltige Steuerung der Finanzen und damit mehr Generationengerechtigkeit soll das neue Rechnungswesen nach Überzeugung seiner Befürworter bringen. Denn anders als die kameralistische Buchführung, die lediglich abbilden kann, welcher Betrag zu einem bestimmten Zeitpunkt eingenommen oder ausgegeben wird, legt die Doppik auch den Werteverzehr und künftige Belastungen über einen längeren Zeitraum offen und bezieht Daten aus Landesbetrieben und Beteiligungen ein, die bislang in Schattenhaushalten verschwinden.

Wie groß die Marge zwischen beiden Systemen sein kann, zeigt das Beispiel Hessen: 41,7 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten bilanziert das Land. 46,5 Milliarden Euro an Rückstellungen für Pensionen und Beihilfen kommen nach dem neuen Bilanzierungssystem noch oben drauf.

Wie in der freien Wirtschaft definieren die Doppik-Experten Produkte, deren Erfolg oder Misserfolg sie mit Hilfe von Kennzahlen bewerten wollen. Als mögliche Bewertungskriterien für staatliches Handeln nennen sie die Präsenzstunden der Polizei oder Präventionserfolge. Doch die schöne neue Doppik-Welt stößt auch an ihre Grenzen. Nicht alles, was der Staat macht, lässt sich in einem Produkthaushalt nach festgelegtem Schema abbilden. Wie will man bewerten, was der zusätzlich eingestellte Lehrer für den Erfolg seiner Schüler leistet? So sind Personalausgaben für Lehrer, Polizisten und andere, die für das Gemeinwohl arbeiten, auch in der hessischen Eröffnungsbilanz nicht abbildbar, weil ihnen nach den Worten des hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar (CDU) auf der Aktivseite kein Gegenwert zugeordnet werden kann. Es werde nur hinein geschrieben, was objektiv bewertbar sei.