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Kurz rezensiert : Angelesen

30.11.2009
2023-08-30T11:24:15.7200Z
3 Min

Wenn der Name Otto von Bismarck fällt, steht vielen noch das Bild vom "Eisernen Kanzler" vor Augen. Einem Staatsmann, der Konflikte angeblich mit "Blut und Eisen" löste und den Feinden des Reiches mit dem Satz "Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt!" drohte. Dass er diese martialische Sentenz mit den Worten "und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt" fortsetzte, wird vor allem von seinen Kritikern gern übersehen oder verschwiegen. Der emeritierte "Weimar"-Experte Eberhard Kolb bringt sie zur Sprache und somit die Licht- und Schattenseiten seines Charakters und seiner Politik klar zum Vorschein.

Der Mitherausgeber von Bismarcks Gesammelten Schriften lässt dem Reichseiniger dank "subtiler Quellenanalyse" und ebenso abgewogener wie pointierter Urteile historische Gerechtigkeit widerfahren. Das informative und streckenweise launig geschriebene Porträt bleibt dennoch nicht gänzlich neutral, sondern ist als kritische Würdigung einer Persönlichkeit zu verstehen, die allzu oft verherrlicht oder verdammt wurde. Kolb hat sie auf ein menschliches, bisweilen allzumenschliches Maß gebracht.

Eberhard Kolb:

Bismarck.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 144 S., 7,90 €

"Die deutsche Revolution ist eben die deutsche, wenn auch Revolution. Keine französische Wildheit. Keine russisch-kommunistische Trunkenheit." Nein, hier ist nicht von der friedlichen Revolution im Herbst 1989 die Rede. Hier spricht Thomas Mann über die merkwürdige Normalität, die sich in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs im November 1918 in Deutschlands Großstädten für kurze Zeit breit machte. Doch der Matrosenaufstand in Kiel, die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten sowie die Absetzung Kaiser Wilhelm II. waren bekanntlich nur der Anfang. Obgleich die Ruhe nicht lange anhielt, blieb die Revolution eine unvollendete, wie der Historiker Volker Ullrich vor allem an der zwiespältigen Politik der Sozialdemokraten darlegt. Gleichwohl nimmt der "Zeit"-Autor auch die Pläne und Gewaltexzesse ihrer linken und rechten Widersacher kritisch unter die Lupe.

Volker Ullrichs ausgewogene Sicht- und Darstellungsweise lehnt sich dabei deutlich an die des Weimar-Spezialisten Heinrich August Winkler an. So liefert er in seinem kurzen Abriss zwar solide Deutungen, aber keine wirklich neuen Impulse. jvb z

Volker Ullrich:

Die Revolution von 1918/19.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 128 S., 7,90 €

Börsencrash, Bankenpleiten und Demokratieverdrossenheit erinnern an die krisengeschüttelte Weimarer Republik. Doch die von den Medien aufgespürten Parallelen zwischen der damaligen und der heutigen Krise erweisen sich als wenig sachdienlich. Ein Blick in das kurz gefasste Weimar-Porträt des Erfurter Zeithistorikers Gunther Mai zeigt, wie grundverschieden die Problemlagen von damals und heute sind.

Nicht allein die Kriegsniederlage, der Versailler Vertrag oder die strukturellen Schwächen der Verfassung und des politischen Systems beförderten für Mai das Scheitern der ersten deutschen Demokratie. Für den Historiker liegt der Kern aller politischen und kulturellen Konflikte vor allem im "dramatisch überlasteten Prozess des Übergangs von der agrarisch geprägten zu einer industriekapitalistischen dominierten Gesellschaft". Diese explosive Entwicklung zeichnet Mai an den politischen Mentalitäten und Entscheidungen der alten und neuen Eliten überzeugend nach. Allerdings ist die bisweilen etwas abstrakt formulierte Darstellung allzu stark auf die Generalthese zugeschnitten, sodass es ihr streckenweise an Übersichtlichkeit, thematischer Ausgewogenheit und Lebendigkeit mangelt.

Gunther Mai:

Die Weimarer Republik.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 136 S., 7,90 €