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Teures Paradies

Saarland 30 Prozent mehr Geld für die Bildung

14.12.2009
2023-08-30T11:24:16.7200Z
3 Min

Zieht da eine paradiesische Zeit herauf? Nach Peter Müllers Verheißung soll die Saar jedenfalls zu einem Land "unbegrenzter Bildungs- und Aufstiegschancen" werden. Der CDU-Ministerpräsident stellt ein "Höchstmaß an Wahlfreiheit" bei Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten in Aussicht. Was sich die Jamaika-Koalition, deren Fachminister mit Klaus Kessler (Grüne) der bisherige Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist, mutet ambitioniert an: Von der Gemeinschaftsschule über eine längere Grundschulzeit und eine Steigerung der Bildungsausgaben bis zum Ausbau der Ganztagsschulen reichen die Ziele. Das sei ein "Mammutprogramm", sagt FDP-Wirtschaftsminister Christoph Hartmann.

Die unter Finanznot leidenden Kultusminister anderer Länder dürften deshalb erstaunt gen Saarbrücken blicken: Ausgerechnet das mit über zehn Milliarden Euro dramatisch verschuldete Saarland, das am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängt und im Zuge der Föderalismusreform bis 2019 in Raten gestreckt zusätzlich 2,3 Milliarden Euro erhält, will den Bildungsbereich von Sparzwängen verschonen. Im Gegenteil: Der Anteil dieser Ausgaben im Haushalt soll sogar auf 30 Prozent erhöht werden. Bislang fehlen indes Fingerzeige, wie dies gestemmt werden soll. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Willger-Lambert meinte während der Koalitionsverhandlungen lapidar, es müsse eben andernorts gespart werden. Aber wo? Letztlich hängt auch der Ausbau der Ganztagsschulen vom Geld ab. Oder lässt Müller bereits die Hintertür einen Spalt weit offen, wenn er sagt, die Steigerung auf die 30-Prozent-Quote solle "schrittweise" erfolgen? Was aus diesem Kernstück des Bündnisses einmal wird, steht auf einem anderen Blatt: Die Kassen sind leer, Verfassungsänderungen sind ohne die linke Opposition nicht machbar, im konservativen Lager formiert sich Protest.

Schon jetzt zeichnet sich politischer Zoff ab wegen der Verfassungsänderungen, die sowohl für eine Verlängerung der Grundschule auf fünf Jahre als auch für die Gemeinschaftsschule erforderlich sind: Die soll als eigenständiger Zweig neben dem Gymnasium alle Schularten integrieren und sämtliche Abschlüsse einschließlich des Abiturs nach 13 Jahren ermöglichen. Bisher wird in der Verfassung der Bestand aller Schulformen garantiert, diese Passage wollen CDU, FDP und Grüne streichen. Für eine Zwei-Drittel-Mehrheit sind freilich SPD oder Linke vonnöten. Offenbar hoffen Kessler und die Grünen, die Opposition mit dem Argument unter Druck setzen zu können, deren Konzepte zielten ja in die gleiche Richtung. SPD-Chef Heiko Maas winkt schon mal ab: Eine Verfassungsänderung sei für die Opposition "nicht selbstverständlich", einen "Persilschein" werde es nicht geben.

Aber es wird auch konservative Kritik laut. Die Neuordnung sei der "Einstieg zum Ende des Gymnasiums", klagte eine Delegierte auf dem CDU-Parteitag, der den Koalitionsvertrag billigte. Zwar wollen Union, FDP und Grüne die Streichung der Bestandsgarantien in der Verfassung mit einer politischen Erklärung zur Sicherstellung der Zukunft des Gymnasiums verbinden. Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Philologenverbands, moniert jedoch, eine andere politische Mehrheit könne dann eines Tages das Gymnasium ohne weiteres ganz abschaffen.

Umstritten ist auch die Verlängerung der Grundschulzeit auf fünf Jahre. Gegen deren geplante Ausdehnung auf sechs Jahre wurden in Hamburg, wo ähnliches geschieht, 185.000 Unterschriften gesammelt - genug, um einen Volksentscheid durchzusetzen. So weit ist es an der Saar nicht. Aber Kritiker Jürgen Presser, Chef der CDU-Mittelständler, fordert bereits eine Volksabstimmung über diese Frage. Der Verband der Oberstudiendirektoren warnt, bei fünf Grundschuljahren werde das bisherige achtjährige Gymnasium zu einem G 7, dem dann "unverzichtbare Unterrichtszeit entzogen" werde.

Ursprünglich war eine sechsjährige Grundschule in der Diskussion. Geeinigt hat man sich nun auf fünf Jahre - über einen Umweg, den der SPD-Abgeordnete Ulrich Commercon als "faulen Kompromiss" bezeichnet: Der Besuch des letzten Kindergartenjahres soll obligatorisch werden, so dass auf diese Weise sechs Jahre zusammenkommen. Das aber ist faktisch eine Ausweitung der Schulpflicht, schon die Kleinsten geraten unter Lerndruck. Kessler spricht denn auch von höheren didaktischen Anforderungen an Pädagogen. Wie aber ist die Kindergartenpflicht mit Müllers "Wahlfreiheit" zu vereinbaren?

Zum Start hat sich die Jamaika-Koalition aber erst einmal eine einfache Reform auserkoren: Künftig bestimmen die Eltern nach einer Beratung mit dem Lehrer, auf welchen weiterführenden Zweig ihr Kind nach der Grundschule wechseln soll. Bislang oblag diese Entscheidung allein dem Lehrer. Bei Elternvertretungen stößt diese Neuerung auf Zustimmung. Doch ohne Konflikt wird auch dies nicht über die Bühne gehen: Für Josef Kraus, Chef des Deutschen Lehrerverbands, ist das "Unsinn". Ohnehin frage er sich, warum die CDU ihre Bildungspolitik "über Bord wirft".