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Der rätselhafte Patriarch

Biografie Michael Wollf über den Medienmogul Murdoch

14.12.2009
2023-08-30T11:24:16.7200Z
4 Min

Michael Wolff wusste, dass er einen Pakt mit dem Teufel schließt. Schon bevor der US-Journalist für seine Murdoch-Biografie das erste Interview mit dem umstrittenen und mächtigen Medienunternehmer führte, warnten Kollegen den erfahrenen Journalisten, er solle sich bloß nicht verführen lassen. Selbst Jonathan Alter von "Newsweek" sagte: "Ich hoffe, dass Sie Ihren Zugang zu Murdoch dazu benutzen, um ihn richtig fertigzumachen."

Der Australier Rupert Murdoch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein globales Unternehmen aufgebaut. Zu seinem Konglomerat News Corp. gehören neben australischen Zeitungen in Großbritannien unter anderem der TV-Sender BSkyB sowie die Zeitung "The Times" und das marktschreierische Boulevardblatt "The Sun"; hierzulande besitzt der Milliardär den Pay-TV-Sender Premiere, der neuerdings Sky heißt, und in den USA zählt er Zeitungen wie die "New York Post" und den ultrakonservativen Nachrichtensender Fox News sein Eigen.

"The Man Who Ownes The News", lautet der Original-Titel der aktuellen Biografie, die in den USA bereits vor einem Jahr veröffentlicht wurde, und nun bei der Deutschen Verlags-Anstalt auf Deutsch erschienen ist. Man verzichtete jedoch auf diesen Titel, der im Original noch den Zusatz "Inside the Secret World of Rupert Murdoch" trägt. Stattdessen lautet die Biografie schlicht "Der Medienmogul. Die Welt des Rupert Murdoch." Also doch keine Geheimnisse, die enthüllt werden?

Die Biografie beginnt und endet mit der Übernahme des "Wall Street Journal", jener renommierten US-Wirtschaftszeitung, um die der reiche Zeitungsmann viele Jahre kämpfte und sie 2007 schließlich kaufen konnte, obwohl die ehemaligen Besitzer, die Familie Bancroft, sich immer geschworen hatten, "nie im Leben" das "Wall Street Journal" und den dazugehörigen Verlag Dow Jones zu veräußern. Beides gehört heute zu Murdochs Imperium. Wolff glaubt, dass er damit auch seine "Boulevardseele ablegen" will, wie er generell neue Zeitungen dazu benutze, sich selbst zu ändern.

Härte und Opportunismus

Auf über 500 Seiten zeichnet Michael Wolff den Lebensweg und die vielen Veränderungen des 1931 geborenen Australiers nach, der einst den Verlag seines Vaters Sir Keith Murdoch übernommen hat, und dann als Außenseiter in die Welt auszog, um neue Medien zu erobern. "Am Ende beruht es vielleicht alles nur auf abnormer Unbarmherzigkeit, Härte und rigorosem Opportunismus", mumaßt Wolff. "Murdochs Absicht, die er überall mit einem sadistischen Funkeln in den Augen bekannt gab, war es, das ,Wall Street Journal' zu benutzen, um Krieg gegen die ,New York Times' zu führen - nicht zuletzt deswegen, weil die ,Times' für jene Journalisten, die Verachtung für ihn empfanden, eine Art Heiligtum darstellte", schreibt Wolff.

Der Biograf ist tief in die Welt des sonst eher medienscheuen Milliardärs eingetaucht. Über ein Jahr lang führte er 120 Interviews mit Freunden, Feinden und allen Mitgliedern der Familie - darunter auch der inzwischen 100-jährigen Mutter von Rupert. Außerdem hatte der US-Journalist mehrmals die Chance, Rupert Murdoch zu treffen: 50 Stunden verbrachte er insgesamt mit dem heute 78-Jährigen, den er einerseits bewundert, faszinierend findet, aber auch durchaus kritisch betrachtet.

Klatsch und Tratsch

Michael Wolff porträtiert einen Medien-Patriarchen, der in einer aussterbenden Welt lebt. Er sei ein Zeitungsmann durch und durch, der bis heute keine E-Mails nutze und die Google-Gründer einmal fragte, warum sie denn keine Zeitungen lesen. Der Biograf beschreibt Murdoch als einen eher geiziger Mann, der abstrakt, körperlos und rätselhaft sei. Klatsch erfülle ihn mit Leben und doch dürfe keiner in der Firma über sein Alter reden, seine selbst gefärbten Haare oder gar seine Familienverhältnisse kommentieren.

An manchen Stellen ist Wolff, sonst Autor und Kolumnist bei "Vanity Fair", allerdings ebenfalls dem Klatsch verfallen, ergötzt sich in Details über Murdochs Prostataerkrankung und der durch künstliche Befruchtung fabrizierten jüngsten Kinder, oder beschreibt wie der Medien-Mogul seine 38 Jahre jüngere Ehefrau Nummer 3, die Chinesin Wendi Deng, kennenlernte. "Das alles beflügelt einen miefigen, Feinrippunterhemden tragenden alten Mann ungemein. Lassen Sie uns kurz innehalten, um uns vorzustellen, wie Wendi ihm das Unterhemd zum ersten Mal über den Kopf ziehen wird."

Durch Einschübe wie diese, und davon gibt es in der Biografie reichlich, gewährt er zwar private Einblicke in die Welt Rupert Murdochs, doch er schweift auch immer wieder vom eigentlichen Thema des jeweiligen Kapitels ab. Man muss schon ein großer Murdoch-Interessent sein, um das Buch nicht zur Seite zu legen. Interessant ist die Biografie vor allem dort, wo Michael Wolff auf den übertriebenen Kolumnenstil und das Anekdotenfeuerwerk verzichtet.

So erfährt der Leser unter anderem, dass Murdoch sich als nächstes am liebsten die "New York Times" angeln möchte. Dass seine junge Ehefrau ihn mit anderen Gesellschaftskreisen bekannt machte, und der konservative Australier nun viel liberaler geworden sei, so dass ihm die Leiter seines Senders Fox News mittlerweile selbst peinlich sind. Auf die Frage, warum er beim Präsidentschaftswahlkampf Barack Obama unterstützte, gab er eine Antwort, die die Treibkraft seiner Arbeit perfekt beschreibt: "Mit ihm werden wir mehr Zeitungen verkaufen."

Michael Wolff:

Der Medienmogul. Die Welt des Rupert Murdoch.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008, 576 S., 24, 95 €