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Ein bewegtes Leben

Ernst Cramer Der Publizist starb 96-jährig in Berlin

25.01.2010
2023-08-30T11:25:45.7200Z
2 Min

Vor vier Jahren, am 27. Januar 2006, hielt der Publizist und Holocaust-Überlebende Ernst Cramer am Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus eine bewegende Rede vor dem Bundestag. Am 19. Januar nun ist Cramer im Alter von 96 Jahren in Berlin gestorben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte anlässlich der Nachricht seines Todes am vergangenen Dienstag: "Ernst Cramer hat die grauenhafte Verfolgung im Nationalsozialismus selbst erlebt und hat dennoch wieder den Weg nach Deutschland gefunden. Früh schon setzte sich Ernst Cramer auch für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel ein, für den Dialog zwischen Juden und Christen in Deutschland."

Tragische Erlebnisse

Der 1913 geborene Cramer war nach dem Krieg ein enger Vertrauter des Verlegers Axel Springer. Unter anderem war er Herausgeber der "Welt" und der "Welt am Sonntag". Der Spross einer Kaufmannsfamilie blickte auf einen bewegten - aber auch tragischen - Lebensweg zurück. Cramer war im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, seine Eltern wurden von den Nazis ermordet. Vor dem Bundestag sagte er 2006: "Der Zivilisationsbruch, den die Nationalsozialisten verübten und an dem viele Deutsche in den verschiedensten Formen mitwirkten, war die größte, wenn auch selbstverschuldete, Katastrophe und gleichzeitig unbegreiflichste Tragödie in der deutschen Geschichte. So tief war Deutschland noch nie gesunken."

Als einem der letzten Juden gelang Cramer schließlich 1939 die Emigration aus Deutschland. 1945 kehrte er in der Uniform der US-Army in seine Vaterstadt Augsburg zurück.

Steile Karriere

Die steile publizistische Karriere im Nachkriegsdeutschland war ihm nicht in die Wiege gelegt, auch wenn es sogar eine "familiäre Literaturprägung" gab. Cramers Vater hatte mit Bertolt Brecht einen Literaturzirkel gegründet, der bis 1933 Veranstaltungen mit namhaften deutschen und ausländischen Autoren organisierte.

Nach dem Ende des Krieges arbeitete Cramer zunächst als Hauptmann der US-Armee für die Militärverwaltung in Deutschland, als Redakteur der "Neuen Zeitung" in München und für eine Nachrichtenagentur. Der Verleger Axel Springer holte Cramer 1958 als stellvertretenden Chefredakteur der überregionalen Tageszeitung "Die Welt" in sein Verlagshaus.

Ernst Cramer wurde für sein Eintreten für Menschlichkeit und Toleranz mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, der Leo-Baeck-Medaille und dem Heinz-Galinski-Preis.

Auch für die diesjährige Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar sind wieder prominente Gäste geladen: Der israelische Präsident Shimon Peres und der Zeitzeuge und ehemalige Direktor des Historischen Instituts in Warschau, Feliks Tych (Interview auf Seite 2), werden in der um 12 Uhr beginnenden Gedenkstunde sprechen.