Piwik Webtracking Image

Die Post im Steuerstreit

FiNANZEN Universaldienstleistungen sollen von Abgaben befreit sein - die Abgrenzung ist aber schwierig

15.02.2010
2023-08-30T11:25:47.7200Z
3 Min

Selten ist über eine Steuer so gestritten worden wie über die Umsatz- oder Mehrwertsteuer. Ihr Normalsatz beträgt 19 Prozent und ist nur vom Endverbraucher zu zahlen, während Unternehmen die Steuer bei Geschäften gegenseitig verrechnen (Vorsteuerabzug). Damit die Steuerlast den Normalverbraucher nicht erdrückt, gibt es für Lebensmittel und Presseerzeugnisse einen ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent. In vielen Bereichen gibt es gar keine Umsatzsteuer, etwa bei Mieten oder Arztrechnungen. Auch die Post wird umsatzsteuerfrei ins Haus gebracht, wenn sie denn von der mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Deutschen Post AG gebracht wird. Trägt die Konkurrenz die Briefe aus, sind 19 Prozent Steuern fällig. Das soll sich jetzt ändern.

Europa-Urteil

Handlungszwang ergab sich aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Danach müssen alle Postunternehmen für ihren Universaldienst von der Umsatzsteuer befreit werden, heißt es in einem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (17/506). Durch die Befreiung von der Umsatzsteuer sollen Unternehmen, die im ganzen Bundesgebiet Post-Universaldienstleistungen erbringen, den Preis ihrer Leistungen trotz höherer Kosten vermindern können, "so dass er für die Nutzer erschwinglich bleibt".

Voraussetzung für die Befreiung von der Umsatzsteuer ist die Verpflichtung des Unternehmens, Post-Universaldienstleistungen ständig und flächendeckend anzubieten. Dazu zählen nach Angaben des Entwurfs die Beförderung von Briefsendungen (einschließlich der Beförderung von adressierten Büchern, Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften bis 2.000 Gramm), die Beförderung von Paketen bis zehn Kilogramm sowie Einschreib- und Wertsendungen. Wie aus dem Gesetzentwurf weiter hervorgeht, sollen Paketsendungen mit einem Gewicht zwischen 10 und 20 Kilogramm in Zukunft nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit sein. Das gelte ebenso für Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften mit einem Gewicht über zwei Kilogramm, Expresszustellungen, Nachnahmesendungen sowie individuell vereinbarte Leistungen.

Natürlich findet die in mehreren Verbänden organisierte private Konkurrenz der Deutschen Post AG Gefallen an Urteil und Gesetzentwurf.

In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 9. Februar begrüßte Gunnar Uldall, Präsident des Bundesverbandes Internationaler Express- und Kurierdienste, die Initiative. Er betonte aber auch, es werde selbst nach der Verabschiedung des Gesetzes noch keine Wettbewerbsgleichheit geben. Dennoch unterstütze sein Verband den Entwurf als einen Kompromiss, "den wir mittragen".

Kostennachteil

Uldall sagte, die beste Lösung wäre die gleichmäßige Besteuerung aller Postleistungen. Dann gäbe es auch keine Schlupflöcher mehr. Florian Gerster, Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste, sagte, die privaten Unternehmen hätten einen Kostennachteil von 19 Prozent. Er rief die Abgeordneten auf, den vorgesehenen Termin 1. Juli 2010 für die Umsatzsteuerbefreiung auf jeden Fall zu halten. Kritik kam dagegen von der Gewerkschaft Verdi. Wenn der Gesetzentwurf nicht geändert werde, komme es zu einer Aufteilung des Universaldienstes in steuerbefreite und steuerpflichtige Leistungen. Das sei verfassungswidrig. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lobte den Entwurf dagegen als gute und europarechtskonforme Lösung, auch wenn es für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden zu Mehrbelastungen kommen werde. Aber eine Service-Wüste werde es nicht geben, wenn private Unternehmen Post-Dienstleistungen anbieten würden.

Offenbar steckt der Teufel wie so oft im Detail. Klar ist, dass Umsatzsteuerpflicht entsteht, wenn Post-Unternehmen und Kunde individuell Leistungen vereinbaren. Höchst umstritten ist aber, wie steuerlich mit Leistungen der Post-Unternehmen zu verfahren ist, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt sind. Ein Beispiel: Eigentlich könnten Briefe in Briefkästen eingeworfen werden. Man einigt sich aber auf die zwingende Einlieferung beim Post-Unternehmen. Oder Massensendungen von 1.000 Briefen und mehr sind in den Geschäftsbedingungen vorgesehen, aber für Privatkunden fern jeder Realität. In diesen Fällen verfügt der Gesetzentwurf eine Umsatzsteuerpflicht, obwohl die Leistungen auf den Geschäftsbedingungen beruhen.

Was gerade dieser Punkt bedeutet, erläuterte Susanne Uhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund: Belastet würden Organisationen, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. "Betroffen sind hiervon insbesondere Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Kommunen und öffentliche Verwaltungen. Parteien, und Stiftungen, Vereine und auch Gewerkschaften", so Uhl in ihrer Stellungnahme. Auf die gemeinwohlorientierten Unternehmungen, etwa Wohlfahrtsverbände oder Religionsgemeinschaften, würden Kosten in Millionenhöhe zukommen.

Andere Experten erkannten in diesem Bereich auch Probleme. Professor Stephan Eilers von der Kölner Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sah ein "latentes Konfliktproblem" mit dem Europarecht, da nicht alle in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post-Unternehmen geregelten Tätigkeiten steuerfrei gestellt würden. Der Staatsrechtler Rupert Scholz warnte davor, Leistungen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Steuern zu belegen. Eine individuelle und steuerpflichtige Leistung liege nicht vor, wenn Leistungen aufgrund standardisierter Verträge auf Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen würden.