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Kurz rezensiert : Angelesen

22.02.2010
2023-08-30T11:25:48.7200Z
6 Min

"Im Übrigen beantrage ich, dass Karthago zerstört werden soll". Mit diesem Satz soll Marcus Porcius Cato seine letzten Reden vor dem römischen Senat jeweils beendet haben. Ob die Zerstörung der antiken Metropole im Jahr 146 vor Christus durch die Römer nun wirklich diesem beständigen Drängen zum Opfer gefallen ist, sei dahingestellt. Aber das berühmte Zitat Catos mag als Beleg für den schwärmerischen Ausruf des römischen Tragödiendichters Pacuvius gelten: "O Rede, die du Herzen lenkst, die Welt regierst." Daran hat sich bis heute im Guten wie im Schlechten nichts geändert.

Dem Alt-Philologen Wilfried Stroh gelingt es, in seinem mit Begeisterung geschriebenen Buch "Die Macht der Rede" die Rhetorik der Antike auferstehen zu lassen. Eines wird dabei deutlich: Die alten Griechen und Römer entwickelten einen Kanon an rhetorischen Techniken, dem bis heute nichts oder nur wenig hinzugefügt werden konnte. Und so plädiert Stroh auch dafür, deutschen Schülern abseits von Power-Point-Präsentationen wieder die eigentliche Kunst der Rede zu vermitteln.

Wilfried Stroh:

Die Macht der Rede Eine kleine Geschichte der Rhetorik im alten Griechenland und Rom.

Ullstein Verlag, Berlin 2009; 608 S., 22,95 €

Für viele Chinesen sind Menschen weißer Hautfarbe einfach "Die Langnasen". Unter diesem Titel haben die Sinologen Yu-Chien Kuan und Petra Häring-Kuan eine Art literarisches Kaleidoskop zusammengestellt, das Komplimente, Kritik und leider auch undifferenzierte Klischees aus dem Reich der Mitte bietet.

Wer "Die Langnasen" zur Hand nimmt und die anschaulich verfassten Kapitel liest, sieht uns aus chinesischer Sicht. Es sind historische Rückblicke auf die deutsch-chinesischen Beziehungen, vor allem aber Momentaufnahmen aus dem Alltag in der Bundesrepublik und (Vor-)Urteile über "die Deutschen". Dazu hat das Autorenpaar sowohl hierzulande als auch in der Volksrepublik zahlreiche Gespräche geführt. Und ganz gleich, ob chinesische Diplomaten, Geschäftsleute, Künstler oder Wissenschaftler antworten, fast alle bewundern sie die deutsche Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Sauberkeit, andererseits fallen ihnen Hochnäsigkeit und "Schubladendenken" unangenehm auf.

Mag manches zu pauschal sein oder nicht; richtig bleibt aber ein Satz von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, von dem das Vorwort stammt: "Jeder von uns muss noch ein bisschen was dazulernen."

Yu-Chien Kuan, Petra Häring-Kuan:

Die Langnasen. Was die Chinesen über uns Deutsche denken.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2009; 317 S., 8,95 €

Für was steht die grüne Zeder in der Flagge des Libanon und warum hissen die Deutschen Schwarz-Rot-Gold? Wie entstanden der britische Union Jack und die französische Trikolore? Warum ähneln sich die Flaggen von Ägypten, Jemen, Syrien und des Iraks oder die Russlands, Kroatiens, Serbiens, Sloweniens, Tschechiens und der Slowakei so stark? Was bedeutet der weiße Schriftzug auf der grünen Flagge Saudi-Arabiens? Und ist die Flagge Griechenlands wirklich deshalb in blau-weiß gehalten, weil der bayerische Prinz Otto 1832 König der Hellenen wurde?

Diese und andere Fragen beantwortet das Flaggenlexikon von Ralf Stelter kurz und präzise. Das schmale Bändchen präsentiert aber nicht nur die Nationalflaggen der Staaten dieser Erde, sondern auch die Flaggen der deutschen und österreichischen Bundesländer, der Schweizer Kantone, der russischen Teilrepubliken oder der Überseegebiete der USA. Über 300 verschiedene Flaggen präsentiert Stelter, informiert über die Symbolik ihrer Farben und ihre Entstehungsgeschichte, gibt Auskunft darüber, wann die Flaggen offiziell eingeführt und wann sie letztmals modifiziert wurden. Insgesamt ein gelunges kleines Nachschlagewerk.

Ralf Stelter:

Flaggenlexikon.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2010; 158 S., 12,95 €

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat Wehrdienst geleistet und war einmal Kanonier der Reserve. Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen brachte es sogar bis zum Oberst der Reserve. Der Sozialdemokrat Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Bundestages, hat hingegen den Zivildienst vorgezogen. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler wiederum präsentiert sich als traditionsbewusster Bayer und Ehrenoffizier der Gebirgsschützenkompanie Traunstein. Diether Dehm (Die Linke) zeigt als Song-, Theater-, Romanautor und Komponist seine kreative Seite. Und der CDU-Parlamentarier Wolfgang Börnsen outet sich mit seinem Buch "Plattdeutsch im Deutschen Bundestag" als echtes Nordlicht.

Seit 60 Jahren informiert "Kürschners Volkshandbuch" nun kurz und knapp über die Biografien deutscher Bundestagsabgeordneter - und manchmal auch über deren persönliche Vorlieben und Hobbys. Angereichert mit Statistiken und Informationen zur Arbeitsorgansiation des Parlaments ist das rot-weiß gestreifte Büchlein längst zum Klassiker avanciert. In diesen Tagen erschien die Neuaflage zur 17. Wahlperiode.

Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. 17. Wahlperiode.

NDV, Rheinbreitbach 2010, 320 S., 9,80 €

Sieht man vom Grandseigneur Manfred Rommel ab, so greifen Kommunalpolitiker eher selten zur Feder. Und wenn doch, dann kommen meist Storys fürs örtliche Publikum heraus. Auch die Geschichten von Freiburgs Ex-Rathauschef Rolf Böhme (1982 bis 2002) über die Kämpfe um Hausbesetzungen, Straßenbau oder neue Tagungsstätten und Messen bergen viel Lokalkolorit in sich. Gleichwohl vermittelt dieses Buch die Erkenntnis, dass sich der mühsame Interessenausgleich auf kommunaler Ebene nicht grundlegend unterscheidet von den Mechanismen der "hohen" Politik in Bundestag und Regierung: Das offenbaren Einblicke in Böhmes Bonner Zeit vor 1982 als SPD-Abgeordneter unter der Fuchtel Herbert Wehners und als Finanzstaatssekretär unter dem gestrengen Helmut Schmidt.

Eines lehrt dieses Buch ebenfalls: Heute profitiert eine Stadt wie Freiburg von der unter Böhme geförderten Umweltwirtschaft, doch der Gleichklang von Ökonomie und Ökologie stellt sich nicht von selbst ein, sondern ist stets neu auszufechten. Dieser Dauerclinch während der Breisgauer Regentschaft des heute 75-Jährigen ist derzeit auch beim globalen Ringen um den Klimawandel zu beobachten.

Rolf Böhme:

Geschichten vom Amt.

Herder-Verlag, Freiburg 2009; 176 S., 14,95 €

Der Titel täuscht: Erinnerungen eines "Unpolitischen" sind es nun wahrlich nicht, die der ehemalige Berliner Innensenator und spätere Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm, geschrieben hat. Und "wilde Schwermut" ist bei einem der letzten Wertkonservativen der Union, der gerne provoziert, auch nur schwer vorstellbar. So nimmt der Ex-Bundeswehrgeneral auch nichts von dem zurück, womit er als Politiker viel Widerspruch hervorgerufen hat. Beispielsweise seine Äußerung über den neunfachen Babymord einer Mutter, die ihm im brandenburgischen Wahlkampf 2005 sehr geschadet hat. Schönbohm sah die Tat als eine Folge der Zwangsproletarisierung der DDR an.

Heute ist das wahr geworden, was Schönbohm immer zu verhindern gesucht hatte: eine rot-rote Koalition in Brandenburg. "Wir sind jetzt wieder da, wo wir schon einmal waren", resümiert der Autor, setzt aber in einem Nachwort hinzu, dass die rot-rote Sparpolitik vielleicht doch noch Anlass zu Hoffnungen gibt, ebenso wie die Ankündigung der Linkspartei, mit der Aufarbeitung der Vergangenheit endlich anzufangen. "Vielleicht sind wir doch weiter, als ich dachte", ist Schönbohms letztes, versöhnliches Wort in seinem lebensklugen Buch.

Jörg Schönbohm:

Wilde Schwermut. Erinnerungen eines Unpolitischen.

Landtverlag, Berlin 2010, 462 S., 29,90 €