Piwik Webtracking Image

ORTSTERMIN BEI: WOLFGANG HINZ,… : »Die Papierkneipe ist ein Kommunikationszentrum«

01.03.2010
2023-08-30T11:25:49.7200Z
3 Min

Es gibt ohne Frage gemütlichere Wirtshäuser als die Papierkneipe. Zwar finden sich hier ein Kühlschrank, eine hochmoderne Kaffeemaschine und auch eine Zapfanlage für Bier. Die stylischen Hocker würden jeder hippen Bar zur Ehre gereichen. Und wie es sich für ein anständiges Wirtshaus gehört, biegen sich auch die Tische. Doch weniger unter der Last leckerer Speisen und Getränke als vielmehr unter jener von Akten und Unterlagen - Papieren eben. Dafür ist die Lage der Papierkneipe ziemlich exklusiv: mitten im parlamentarischen Berlin, im zweiten Stock des Paul Löbe Hauses - nur wenige Schritte vom Sitzungssaal des Haushaltsausschusses entfernt. Ähnlich exklusiv sind auch die Kneipengäste. Zu ihnen zählen die 41 Mitglieder des Haushaltsausschusses. Gelegentlich kommt aber auch der eine oder andere Minister vorbei.

"Die Papierkneipe ist so eine Art Kommunikationszentrum für die Ausschussmitglieder", erzählt Wolfgang Hinz, Büroleiter im Sekretariat des Haushaltsausschusses. Hier befinden sich zu Wochenbeginn die Sitzungsmappen für jeden einzelnen Abgeordneten mit Tagesordnung und allen nötigen Unterlagen. Während der Sitzungen bietet der Raum, der im Grunde nur ein etwas größeres Büro ist, Platz für kleine Gruppen von Abgeordneten, die sich zu Beratungen zurückziehen und doch nah am Sitzungssaal bleiben wollen. Aber auch nervöse Minister warten bei Haushaltsverhandlungen in der Papierkneipe. Wenn der Etat ihres Ministeriums besprochen wird, müssen sie den zuständigen Berichterstattern des Ausschusses im Nachbarraum ihre finanziellen Wünsche erklären.

Stark frequentiert wird die Kneipe wieder am Donnerstag, dem 4. März, sein. Dann findet die Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt 2010 statt. Die letzte Chance - auch für Bundesminister - eine Etaterhöhung zu begründen. "Das ist die Sitzung, in der die Musik spielt und die letzten Zahlen ermittelt werden", sagt Büroleiter Hinz. "Der 4. März ist der Tag, an dessen Ende der Haushalt für 2010 steht." Wenn danach noch etwas geändert werden solle, müsse dies im Plenum geschehen - etwa mit einem Änderungsantrag während der zweiten Lesung des Haushalts in der dritten Märzwoche.

Doch bis zur abschließenden Sitzung bleibt noch viel zu tun. "Die arbeitsintensivste Zeit für das Sekretariat ist die Nacht vor der Bereinigungssitzung", erläutert Hinz. Nach den Ausschusssitzungen am Mittwoch laufen bis in den späten Abend die Änderungsanträge der Fraktionen für den Haushalt ein. Die Anzahl liegt zumeist im dreistelligen Bereich. Diese Anträge alle aufzuarbeiten und in einen Ablaufplan einzufügen, an dem sich die Haushaltspolitiker am Tag der Bereinigungssitzung orientieren können, koste Zeit und Nerven, sagt Wolfgang Hinz. "Für die Sekretariatsmitarbeiter heißt es oftmals, bis vier oder fünf Uhr morgens zu arbeiten. Dann kurz nach Hause - die Sachen wechseln, weil ja am Donnerstagmorgen die Bereinigungssitzung startet, die sich bis in die folgende Nacht hinziehen kann."

Wenn es mal wieder spät wird, bekommt auch die Kaffeemaschine viel zu tun. Den schicken italienischen Vollautomat hat das Kanzleramt spendiert, erzählt Büroleiter Hinz. "Das hat Tradition." Eine Tradition, die unter Kanzler Helmut Kohl begonnen wurde. Als der den parlamentarischen Haushältern etwas Gutes tun wollte, spendierte er einen Luxusautomaten für damals sagenhafte 1.000 DM. Nachdem das teure Stück seinen Dienst quittiert hatte, übernahm der damalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier die Verantwortung für die Kaffeeversorgung in der Papierkneipe.

Doch wenn nach der Bereinigungssitzung alle Anträge abgearbeitet, die Zahlen durch den Rechner des Bundesfinanzministeriums gelaufen sind, und die Vorlage für den Haushalt in trockenen Tüchern ist, wird wohl auch das ein oder andere Bier gezapft. Und dann zieht durch die Papierkneipe doch ein Hauch von Wirtshaus.