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Kein Gütesiegel für Schrott

FINANZEN Ratingagenturen gelten als Auslöser der Krise. Jetzt werden sie an die Leine genommen

01.03.2010
2023-08-30T11:25:49.7200Z
4 Min

Ratingagenturen sind Firmen, die amerikanische und andere Schrottpapiere mit dem Gütesiegel "AAA" gestempelt und den Anlegern somit als sichere Wertanlage empfohlen hatten. Als die Krise kam, bremsten die Rater zu spät und hätten die Kapitalmärkte fast an die Wand gefahren, wenn sie nicht von den Regierungen mit Milliarden-Beträgen gestützt worden wären. Das Urteil war im Bundestag von allen Fraktionen am 25. Februar schnell gesprochen: Leitplanken sollen gezogen werden, damit die Rater nicht mehr vom Weg abkommen.

Wie alle Fraktionen sparte auch die Bundesregierung in der Debatte am 25. Februar nicht mit Kritik. "Ratingagenturen müssen als Mitverursacher und Auslöser der Krise angesehen werden", so der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU). "Agenturen berieten Emittenten zur Strukturierung von Produkten und berechneten dafür Gebühren. Im Anschluss bewerteten dieselben Agenturen die Produkte, die sie selbst mit konzipiert hatten", kritisierte Koschyk

Effiziente Regulierung

Daher will die Bundesregierung die Ratingagenturen einer effizienten Regulierung unterstellen. Bei Gesetzesverstößen sollen sie mit Bußgeldern bis zu 1 Million Euro belegt werden können, sieht der Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur EU-Verordnung über Ratingagenturen (17/716) vor, der vom Bundestag an die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde. Die Agenturen hätten ihre Ratings nicht einmal angepasst, "als sich die Krise bereits zugespitzt hatte". Daher müssten Maßnahmen ergriffen werden, um ein solches Versagen der Agenturen in Zukunft zu verhindern.

Bis zur Schaffung der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (17/509) im nächsten Jahr soll die Bundesanstalt Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Ratingagenturen überwachen. Den Agenturen werden zahlreiche Pflichten auferlegt, deren Nichteinhaltung Bußgelder nach sich zieht. Bußgelder bis zu 1 Million Euro drohen etwa, wenn eine Ratingagentur gegenüber einem Unternehmen sowohl Beratungs- als auch Ratingleistungen erbringt. Die Sanktionen müssten abschreckend sein, heißt es in dem Entwurf. Daher sollte der Ausgangsrahmen für Bußgelder nicht unter 200.000 Euro liegen. Ratingagenturen müssen in Zukunft ihre Arbeit jährlich von einem Wirtschaftsprüfer überprüfen lassen.

"Selbstregulierung hat versagt"

Für Manfred Zöllmer (SPD) steht fest, dass die Selbstregulierung der Branche versagt hat. Etliche Investoren zahlten jetzt "horrendes Lehrgeld" für die Fehleinschätzungen. Wie schon zuvor Koschyk wies auch Zöllmer auf die Prüfung von Neuemissionen durch Ratingagenturen hin: "Geld bekam aber nur die Agentur, die auch den Auftrag bekam." Es habe daher ein massiver finanzieller Anreiz für die Agenturen bestanden, möglichst gute Ratings abzugeben. "Das ist ungefähr so, als würde ein Profi-Schiedsrichter beim Fußballspiel nur dann Geld bekommen, wenn eine bestimmte Mannschaft gewinnt", spottete Zöllmer. Er kritisierte, dass die neue EU-Aufsicht zu wenig Kompetenzen erhalten solle.

Dagegen zeigte sich Björn Sänger (FDP) zufrieden. Die Regierung habe sich mit der schnellen Vorlage des Gesetzentwurfs in einer der elementarsten Fragen der Politik handlungsfähig und handlungswillig gezeigt. Die Finanzprodukte seien international, und deshalb müssten die Regelungen auch auf internationaler Ebene ansetzen. Die vorgesehenen Bußgelder seien geeignet, abschreckende Wirkung zu entfalten, gab sich Sänger überzeugt.

Axel Troost (Linke) meinte, die Ratingagenturen hätten für viele Marktteilnehmer den Status eines "Orakel von Delphi gehabt -mit dem Unterschied, dass man dieses Orakel kaufen kann". Er warnte vor Umgehungsmöglichkeiten: Ratingagenturen könnten ihr Beratungsgeschäft ausgliedern. Es sei sehr schwierig, mit technischen Regeln die Funktionsweise des Ratingsystems zu verbessern. Ziel müsse es vielmehr sein, "das Orakel zu entmachten und die von ihm ausgehende Massenhysterie auf den Finanzmärkten zu verändern". Die EU gehe insofern am Kern des Problems vorbei. Der Regierung warf Troost vor, die viel zu kurz gesprungene EU-Verordnung auch noch fragwürdig umzusetzen. Eine bessere Ausstattung der Finanzaufsicht solle es nicht geben. Troost kritisierte die Absicht, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Aufgaben zu betrauen: Das seien dieselben Prüfer von KPMG oder Price Waterhouse Coopers, die bei der BayernLB, der HRE und der IKB "jahrelang geschlafen" und sich an der Verschleierung der Risiken beteiligt hätten.

Ein Zwischenschritt

Gerhard Schick (Grüne) warf der Koalition vor, eine große Debatte "zu einer Sache, wo Sie de facto nichts Entscheidendes geklärt haben", zu veranstalten. Es gehe nur um einen Zwischenschritt, bis eine europäische Aufsicht die Aufgaben übernehme. Über die danach notwendigen Schritte sei von der Koalition jedoch nichts zu hören. Es müssten zum Beispiel Haftungsfragen geklärt werden. Hätte es eine Haftung gegeben, wären die Agenturen für den Schaden, den sie angerichtet hätten, herangezogen worden.

Klaus-Peter Flosbach (CDU) sagte, es gehe "nicht um mehr, sondern um bessere Kontrolle". Es werde Mindeststandards für Risikobewertung und Sanktionsmöglichkeiten geben. Frank Schäffler (FDP) stellte die Frage, wer bezahlen müsse, wenn ein grenzüberschreitendes Institut in Schieflage gerate. Die EU sehe Mehrheitsentscheidungen vor. Es gehe um hohe Summen, sagte er mit Blick auf 212 Milliarden Euro Bankhilfen. Festlegungen im Hinterzimmer, welches Land bezahlen müsse, dürfe es nicht geben, warnte Schäffler.