Piwik Webtracking Image

Gefährliches Waschlappen-Feeling

Gesellschaft Die Journalistin Ute Scheub sorgt sich um labile Männer-Egos - und warnt vor kriegerischen Konflikten

15.03.2010
2023-08-30T11:25:51.7200Z
4 Min

Die Jungs kommen zu kurz. Und daran muss sich etwas ändern, schnell. So ungefähr lautete einer der ersten Vorstöße der neuen Familienministerin Kristina Schröder kurz nach ihrer Ernennung im Herbst 2009. Sie wolle dafür sorgen, dass Jungs in Kindergärten und Schulen bei der weiblichen Omnipräsenz von Erzieherinnen und Lehrerinnen stärker gefördert werden. Die Diskriminierung von Jungs durch Gedöns - ein neues Feld für die Genderforschung. In der Tat, die Männerwelt fühlt sich in ihrer Männlichkeit zusehends bedroht, das zeigen auch andere jüngere Symptome; etwa Kongresse für "den modernen Mann" oder eigens konzipierte Magazine wie "Beef", "Business Punk" oder "Gala Men", die echte Kerle in ihren erigierten Egos wieder stärken sollen.

Eine "Heldendämmerung" sieht auch die Publizistin Ute Scheub in ihrem gleichnamigen neuen Buch heraufziehen: Der muskelbepackte Superman auf dem Cover stürzt kopflos ins Leere. Ein Sinnbild für "Die Krise der Männer", so der Untertitel, "und warum sie auch für Frauen gefährlich ist". Scheub, Jahrgang 1955, hat einst die linke Tageszeitung "taz" mitgegründet - Geschlechtergerechtigkeit ist schon lange ihr Thema. Jedoch ist ihre Haltung in diesem Buch nicht wirklich eindeutig. Da ist einerseits ihre Erklärung für den "Kult um starke, bewaffnete Männlichkeit", ein echter Coup: "Es gibt (...) in menschlichen Gesellschaften einen ‚irrationalen Überschuss'", bescheidet sie knapp. In anderen Worten, es ist ihr zufolge nur eine Schlussfolgerung denkbar: Das Ganze macht rational absolut keinen Sinn. Das Patriarchat als absurde Spinnerei der Menschheit - ein grandioser Gedanke, der einen übermütig kichern lässt.

Allerdings nur kurz. Denn "im Zentrum dieses Buches", schiebt Scheub hinterher, "steht die These, dass kriegerische Konflikte wahrscheinlicher werden, wenn sich eine große Anzahl von Männern in ihrer bisher gelebten männlichen Identität bedroht fühlt - umso mehr, wenn sie absturzgefährdeten Schichten angehört". Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Kriege, sagt sie damit, sind in der Regel das Symptom männlicher Identitätskrisen, Kriegführung ein stabilisierender Akt fürs labile Männer-Ego.

Altbekannte Sentenzen

Natürlich ist es unfraglich Teil feministischer Theorie, dass Männer Frauen unterdrückten und unterdrücken, weil sie sie im Kern unergründlich, also unheimlich, also bedrohlich, empfinden. Doch Waschlappen-Feeling als Entschuldigung für Jahrhunderte voller Gewaltexzesse zu definieren, geht dann doch zu weit. "Männer sind also nicht ‚böse', sondern gefährdet", schreibt Scheub. Herrje, die Armen. Diese Argumentation lässt einen ratlos zurück. Zumal die Autorin das Ganze in den folgenden Kapiteln mit jeder Menge altbekannten Überlegungen und Sentenzen abmischt. So fordert sie: "Alle Menschenrechte für alle"; erklärt: "Hegemoniale Männlichkeit ist ein komplexes weltumspannendes Herrschaftssystem"; und findet, dass "die Menschheit, einschließlich der großen Mehrheit der Männer, von der Abschaffung des patriarchalischen Gewaltsystems profitieren würde". Ehrlich, neu ist das alles nicht.

Patriachales Denken

Auch zur medialen Inszenierung der politischen Körper ist eigentlich schon alles gesagt. Aber schön, dass es hier noch einmal zusammengeführt wird: Ja, es war unglaublich offensichtlich, wie sich George W. Bush, Nicolas Sarkozy, Silvio Berlusconi oder Wladimir Putin in ihre nackte, stählerne Brust warfen, um ihren "Body Politic" mächtig zur Schau zu stellen. Und jawohl, die Diskussionen über Angela Merkels Imagewandel - ihr Oslo-Dekolleté inbegriffen - entblößten die patriarchale Denke der Medienmacher.

Natürlich analysiert Ute Scheub auch auf ungeheuer präzise Weise verschiedene Facetten gelebter Realität, das ist ihre Kompetenz, unbestritten. Aber sie verheddert sich, alles scheint gleich wichtig. Da ist die von männlicher Gier dominierte Finanzwelt genauso wie Erkenntnisse von Neurobiologen über den Zusammenhang von Testosteron und Aggression. Da ist die Schizophrenie der Bundeswehr, die darauf gedrillt ist, zu helfen und zu beschützen und somit stereotypisch weibliche Aufgaben übernimmt. Da ist das "Mädchenschulen-Argument", mit dem westliche Interventionen in Afghanistan legitimiert wurden, versehen mit der süffisanten Überschrift "Wir gehen mal eben die afghanischen Frauen befreien". Und dann stellt sie noch Initiativen aus anderen Ländern vor, dank derer Männer bereits lernen, sich neue Rollenbilder anzueignen. Allen voran Barack Obama, der Ober-Softi. Um es positiv zu wenden: Es ist ein Lesebuch mit lauter kleinen Anekdoten über die tiefsitzende Furcht der Männer, ihre Egos zu verlieren.

Die Definitionskrise des "neuen Manns" zum Thema zu machen, ist absolut berechtigt. Aber indem Scheub Männer als bedauernswerte Geschöpfe skizziert, klingt es fast, als lebten wir in einem Matriarchat. Ein erster Schritt wäre, die angenommene Identitätskrise offen einzugestehen. Ein unleugbar weiblicher Zug: Denn Krise bedeutet Chaos, feste Strukturen verschwinden.

Übrigens: Aktuelle Studien haben noch einmal betont, dass weibliches Lehrpersonal keine Gefahr für Jungen darstellt. Statt Jungsförderung wäre es allemal sinnvoller, diese harten Berufe endlich besser zu bezahlen - dann haben vielleicht auch Männer Lust auf diese Jobs. Man muss ja nicht gleich in den Krieg ziehen.

Ute Scheub:

Heldendämmerung. Die Krise der Männer und warum sie auch für Frauen gefährlich ist.

Pantheon Verlag, München 2010; 400 S., 14,95 €