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Abteilung Attacke

KUNDUS-AUSSCHUSS Die von Minister Guttenberg geschasste Spitzenkräfte schlagen zurück

22.03.2010
2023-08-30T11:25:51.7200Z
4 Min

In einer Pause setzt Wolfgang Schneiderhan, zu einem Bekannten gewandt, mit der Hand an der Stirn zum militärischen Gruß an. Ansonsten präsentiert sich der frühere Generalinspekteur, der im Zuge der Kundus-Affäre von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in den Ruhestand versetzt wurde, bei seiner Befragung am 18. März vor dem Untersuchungsausschuss ganz als Zivilist. Doch auch im dunklen Dreireiher statt in Uniform demonstriert er, dass er das Handwerk der Abteilung Attacke noch nicht verlernt hat. Ebenso wie Ex-Staatssekretär Peter Wichert weist Schneiderhan offensiv den Vorwurf zurück, den Ressortchef falsch oder unzureichend über das Bombardement zweier von den Taliban entführter Tanklaster unterrichtet zu haben. Beim von Oberst Georg Klein in der Nacht zum 4. September 2009 befohlenen Angriff nahe der nordafghanischen Stadt Kundus starben bis zu 142 Menschen, auch viele Zivilisten. Als "ehrabschneidend" bezeichnet Schneiderhan vom Umfeld des Ministers lancierte Darstellungen, er und Wichert hätten die Existenz weiterer Analysen neben einem Nato-Bericht zu diesem Angriff geleugnet. Wichert spricht von "ehrenrührigen Unwahrheiten". Starker Tobak: Der CSU-Ressortchef hatte das Bombardement zunächst als "militärisch angemessen" bezeichnet. Später korrigierte er sein anfängliches Urteil mit der Begründung, ihm seien wichtige Unterlagen zunächst "vorenthalten" und "unterschlagen" worden.

Sowohl in seiner umfangreichen Stellungnahme wie auch in den Fragerunden mit den Abgeordneten will Schneiderhan eines grundsätzlich klarstellen: Während seiner Amtszeit seien alle Minister stets so beraten worden, dass sie militärische Entscheidungen beurteilen konnten, für eine Bewertung sei ein Ressortchef indes "selbst verantwortlich". Wie der einst oberste Militär zeigt sich Wichert "erstaunt", dass Guttenberg bei seiner ersten Einschätzung den Luftschlag nicht nur als "angemessen" einstufte, sondern sogar sagte, Klein habe gar nicht anders handeln können - obwohl die Vorlagen aus dem Haus zu einem solch verschärften Urteil keinen Anlass gegeben hätten.

Verletzung von Isaf-Regeln

Minutiös schildern die Zeugen den Ablauf der Geschehnisse bis zum 25. November, als sie ihren Hut nehmen mussten. Sie bezeichnen es als "Fehler", dass die Presseabteilung des damaligen Ministers Franz-Josef Jung (CDU) in den ersten Stunden nach dem Angriff zivile Opfer ausgeschlossen habe - was leider auch Jung für eine Weile "gebunden" habe, meint Schneiderhan. Sehr rasch aber, so beide Zeugen, habe man Minister, Kanzleramt und Bundestag darauf hingewiesen, dass zivile Opfer nicht auszuschließen seien. Seit Mitte September hätten sich Hinweise verdichtet, dass bei Kleins Befehl Isaf-Regeln verletzt worden seien, sagt Schneiderhan.

Die zentrale Argumentation der Zeugen: Der Ende Oktober vorliegende und Guttenberg bekannte Isaf-Bericht, wegen dessen Erstellung die beiden Militärs keine deutsche Untersuchung des Angriffes in Auftrag gaben, habe "alle zur Bewertung der Vorgänge wichtigen Fakten enthalten", betont Wichert. Der Vorwurf der Vertuschung sei "blanker Unfug".

Solche Vorhaltungen beziehen sich vor allem auf Schneiderhans und Wicherts Handhabung eines Feldjäger-Berichts mit kritischen Passagen über die Luft-attacke. Dessen Veröffentlichung in den Medien führte zum Rücktritt des an die Spitze des Arbeitsministeriums gewechselten Guttenberg-Vorgängers Jung. Diese Expertise habe, wie die Zeugen einräumen, weder Jung noch dessen Nachfolger direkt vorgelegen. Allerdings habe er, so Schneiderhan, dieses Papier schon frühzeitig Jung erläutert und dann in Abstimmung mit dem Minister an die Nato weitergeleitet. Allerdings sei diese Analyse dort als wertlos eingestuft worden. Aus Schneiderhans Sicht enthält die Feldjäger-Studie zu viele "Vermutungen und Spekulationen" und zu wenig belastbare Fakten. Auch Wichert spricht von "überflüssigen" Informationen.

Militärs billigen Angriff

Bei der Erörterung ihrer Entlassung geht es beiden Zeugen sichtlich um die Rettung ihrer Ehre. Zwar sehen sie Guttenbergs Vorwürfe, Unterlagen "vorenthalten" und "unterschlagen" zu haben, mittlerweile "als zum Teil ausgeräumt" an: Der Minister sagte jüngst, er habe ihnen nicht unterstellen wollen, "vorsätzlich oder böswillig" gehandelt zu haben. Wichert vermisst jedoch nach wie vor eine öffentliche Wiederherstellung des "beschädigten Rufs".

Im Übrigen halten beide Zeugen die Fahne der Truppe hoch: Anders als Guttenberg verteidigen sie Kleins Befehl an zwei US-Piloten zum Angriff nach wie vor: Der Luftschlag sei "aus operativer Sicht militärisch angemessen" gewesen, insistiert Schneiderhan. Eine harte Nuss für den Ausschuss: Die Abgeordneten müssen neben dem politischen und medialen Umgang der Regierung mit der Bombennacht in ihrem Abschlussbericht auch den Angriff selbst bewerten. Wer liegt richtig: Guttenberg mit seiner geänderten Einschätzung oder Schneiderhan und Wichert?

Die Zeugen bestätigen die Existenz einer eigens im Ministerium gegründeten "Gruppe 85", deren Bedeutung Wichert aber zu relativieren sucht: Über dieses Team habe man im Isaf-Bericht eine einseitige Darstellung zu Lasten der Bundeswehr verhindern wollen, wobei nicht "geschoben oder vertuscht" worden sei. Sorgen im Blick auf die Isaf-Analyse, die ein "faires" Urteil gefällt habe, seien indes unbegründet gewesen: So werde etwa vorgeschlagen, die in Kundus verletzten Einsatz-Regeln zu Luftschlägen weniger kompliziert zu fassen.