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Stabilität schmilzt

EUROZONE Der Euro sollte Europa zu einem Hort der Stabilität machen. Tatsächlich laufen die Staatsschulden allenthalben aus dem Ruder. Griechenland ist längst…

10.05.2010
2023-08-30T11:25:55.7200Z
3 Min

Es liest sich heute wie ein schönes Märchen: Finanzminister Fritz Schäffer (CSU), an den in Bonn noch eine Straße erinnert, erzielte zwischen 1953 und 1957 hohe Staatsüberschüsse. Für das Sparen (Thesaurieren) des Überschusses von damals 8 Milliarden Mark hält sich bis heute der Begriff "Juliusturm", benannt nach einem Turm in Berlin-Spandau, in dem zu Kaisers Zeiten der Reichsschatz aufbewahrt wurde. Der Guthaben-Turm ist längst Geschichte, an seine Stelle ist ein Schuldenberg getreten, der jedes Vorstellungsvermögen sprengt. 1.762 Milliarden Euro haben Bund, Länder und Gemeinden inzwischen an Schulden angehäuft. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler beträgt der Zuwachs der Staatsverschuldung pro Sekunde 4.481 Euro.

Der Schuldenberg in Deutschland dürfte noch wachsen. Die europäische Statistik-Behörde Eurostat bezifferte das Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr auf 3,3 Prozent. In diesem Jahr soll es auf fünf Prozent steigen. Nach den Maastricht-Kriterien wäre nur eine Neuverschuldung von drei Prozent erlaubt gewesen, der Staatsschuldenstand hätte nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen dürfen. Er lag in Deutschland aber 2009 bei 73,2 Prozent und soll in diesem Jahr auf 76,7 Prozent steigen.

8.690 Milliarden Schulden

Wie die jüngsten Statistiken von Eurostat ausweisen, hatten die 27 Mitgliedsländer der EU Ende 2009 Staatsschulden in Höhe von 8.690 Milliarden Euro angehäuft. Kaum besser waren die 16 EU-Länder, die den Euro als Währung haben. In der sogenannten Eurozone betrug der Schuldenstand 7.063 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ergeben sich laut Eurostat Schuldenstände für die EU von 73,6 und für die Eurozone sogar von 78,7 Prozent. Der Schuldenstand in Europa ist in den letzten Jahren permanent gestiegen. 2005 hatten die EU-Länder 7.173 Milliarden Euro Schulden und die Länder der Eurozone 5.843 Milliarden Euro. Die Situation in den einzelnen Ländern:

Griechenland

Von den absoluten Zahlen her und im Vergleich mit den Schuldensummen anderer Länder der Eurozone sieht die Lage auf den ersten Blick noch nicht so dramatisch aus. Danach hatte Griechenland Ende 2009 273 Milliarden Euro Schulden. Der Schuldenstand ist jedoch weit höher als die 237 Milliarden Euro, die das Land im letzten Jahr als Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet wurden. Daraus ergibt sich ein Schuldenstand von 115,1 Prozent (2005: 97,8). Trotz der Sparprogramme wird in diesem Jahr ein Anstieg auf 124,9 Prozent erwartet, während die Neuverschuldung von 13,6 auf 12,2 Prozent sinken soll.

Italien

Einen ähnlichen Schuldenstand wie Griechenland weist Italien mit 115,8 Prozent aus. In absoluten Zahlen hat Italien inzwischen 1.761 Milliarden Euro Schulden und damit etwa so viel wie Deutschland angehäuft. Die Verschuldung soll weiter auf 116,7 Prozent klettern. Das Haushaltsdefizit soll unverändert bei 5,3 Prozent liegen.

Belgien

Das Königreich ist mit 326,6 Milliarden Euro verschuldet, was einem Stand von 96,7 Prozent des BIP entspricht. In diesem Jahr dürfte der Schuldenstand auf 101,2 Prozent steigen. Das Haushaltsdefizit soll von 6 auf 5,8 Prozent sinken.

Portugal

Mit einem Schuldenstand 76,8 Prozent (125,9 Milliarden) ist auch Portugal bereits in den Sog der Spekulation geraten. Erwartet wird ein Anstieg der Schuldenlast auf 85,6 Prozent bei einem Rückgang der Neuverschuldung von 9,4 auf 8 Prozent.

Spanien

Mit einer starken Immobilien- und Wirtschaftskrise hat Spanien derzeit zu kämpfen, während der Schuldenstand mit 53,2 Prozent (559,6 Milliarden) nicht so hoch ist wie in anderen Ländern des sogenannten "Olivengürtels" der Eurozone. Es wird aber ein Anstieg auf 66,3 Prozent erwartet, während die Nettokreditaufnahme von 11,2 auf 10,1 Prozent sinken soll.

Irland

Die grüne Insel hat einen relativ niedrigen Schuldenstand von 64 Prozent (104,7 Milliarden Euro), der in diesem Jahr jedoch auf 82,9 Prozent steigen dürfte. Bei der Neuverschuldung sind die Iren mit 14,3 Prozent Europameister. In diesem Jahr sollen es sogar 14,7 Prozent werden.

Frankreich

Mit 1.500 Milliarden Euro Staatsschulden (77,6 Prozent) kommt das Land nah an seinen deutschen Nachbarn heran. Mit einem Zuwachs auf 82,5 Prozent wird gerechnet. Die Nettokreditaufnahme soll von 7,5 auf 8,2 Prozent steigen.

Österreich

Mit 184,1 Milliarden Euro Schulden (66,5 Prozent) sieht die Lage in Österreich besser aus als in Deutschland. Erwartet wird ein Anstieg auf 73,9 Prozent. Auch die Neuverschuldung soll von 3,4 auf 5,7 Prozent steigen.

Niederlande

Die Statsverschuldung soll von 60,9 (347 Milliarden Euro) auf 65,6 Prozent steigen. Die Nettokreditaufnahme soll von 4,3 auf 6,1 Prozent klettern.

Übrige Euroländer

Zypern, Finnland, Slowenien, Slowakei und Luxemburg dürften auch in diesem Jahr zum Teil weit unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent Staatsschulden bleiben. Nur Malta dürfte mit 70,9 Prozent die Grenze übersteigen. Das Neuverschuldungskriterium von drei Prozent schafft in diesem Jahr kein Land der Eurozone.