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WÄHRUNG Die EU stemmt sich gegen den Absturz des Euros. Bundestag berät Stabilisierungspaket

17.05.2010
2023-08-30T11:25:56.7200Z
3 Min

Mit einem Gewährleistungsprogramm in dreistelliger Milliardenhöhe soll der Bundestag in dieser Woche mithelfen, die durch die Griechenland-Krise erschütterte Stabilität der Euro-Währung wiederherzustellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies bei der Verleihung des Karlspreises am vergangenen Donnerstag in Aachen auf die Bedeutung der Maßnahmen hin, die die gemeinsame Währung aus ihrer größten Krise seit der Einführung als Zahlungsmittel im Jahr 2002 führen sollen: "Diese Bewährungsprobe ist existenziell. Sie muss bestanden werden. Scheitert der Euro, dann scheitert nicht nur das Geld, dann scheitert Europa, dann scheitert die Idee der Europäischen Einigung."

Begleitet von heftigen Turbulenzen an den Devisen- und Anleihemärkten hatten die europäischen Regierungen in der Nacht zum 10. Mai ein aus Bürgschaften bestehendes Rettungspaket mit Krediten für notleidende Länder der Eurozone mit einem Volumen bis zu einer dreiviertel Billion (750 Milliarden) Euro geschnürt. Das zuvor aus der Taufe gehobene Rettungspaket für Griechenland mit einem Volumen bis zu 110 Milliarden Euro, dem der Bundestag am 7. Mai zugestimmt hatte (17/1544, 17/1561) zeigte auf den Finanzmärkten nur geringe Wirkung.

Die für den neuen europäischen Stabilisierungsmechanismus notwendigen Kredite sollen von der EU und von einer neu zu gründenden Europäischen Zweckgesellschaft, die von der Bundesregierung als "Stabilitätsagentur" bezeichnet wird, am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Deutschland soll sich an diesem Stabilisierungsmechanismus mit Gewährleistungen bis zu einer Höhe von 123 Milliarden Euro beteiligen. Bei unvorhergesehenem Bedarf könne sich die Summe um bis zu 20 Prozent auf knapp 150 Milliarden Euro erhöhen, geht aus dem von der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP gemeinsam in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen des europäischen Stabilisierungsmechanismus (17/1685) hervor. Die Beratungen im Bundestag sollen dazu am Mittwoch beginnen.

Weitere Eskalation droht

In ihrem Entwurf schreiben die Koalitionsfraktionen, eine weitere Eskalation der Lage könne nicht nur die Zahlungsfähigkeit einiger Euroländer gefährden, sondern eine ernste Gefahr für die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt nach sich ziehen. Die SPD-Fraktion begrüßte den Stabilisierungsmechanismus, forderte jedoch eine wirksame Beteiligung der Gläubiger durch Zinsanpassungen zur Entlastung der Schuldnerländer sowie Maßnahmen gegen Spekulanten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte, bisher sei die völkerrechtliche Grundlage der angestrebten Zweckgesellschaft ungeklärt. Offen sei auch die Frage, wer die Gesellschaft kontrollieren werde.

Auch die Linksfraktion forderte Maßnahmen gegen die Spekulation, eine "massive Besteuerung der Reichen" und wie die anderen Oppositionsfraktionen eine Finanztransaktionssteuer. Die Linksfraktion bezeichnete es als "Schritt in die richtige Richtung", dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen ihrer Mitgliedsländer durch Aufkäufe stütze. Allerdings stiegen die Risikoprämien für griechische Staatsanleihen zum Wochenende wieder an, während der Eurokurs fiel. Der Goldpreis erklomm einen historischen Höchststand.

Streit um Etatrecht

Zu einem Streit zwischen deutschen und europäischen Politikern kam es wegen des nationalen Haushaltsrechts. Der für Währungsfragen zuständige EU-Kommissar Olli Rehn forderte, die Regierungen der Mitgliedsländer müssten ab 2011 ihre Haushaltsentwürfe in Brüssel vorlegen. Wer die Defizitgrenzen überschreite, solle automatisch durch Einfrieren von Finanzzahlungen bestraft werden. Rehns Äußerungen wurden zum Teil als Eingriff der EU in das Budgetrecht der Parlamente verstanden. So sagte die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Petra Merkel (SPD), dieser Zeitung: "Brüssel kann sich die Entwürfe jederzeit besorgen. Wenn Herr Rehn allerdings den Etat kontrollieren oder gar in ihn eingreifen möchte, dann steht das Budgetrecht des Deutschen Bundestages in der Tat auf dem Spiel." Dagegen sieht Bundestagpräsident Norbert Lammert (CDU) in dem Vorstoß der Kommission keinen Eingriff in das Budgetrecht. "Das ist weder rechtlich möglich noch politisch beabsichtigt." Von Experten wurden vor der Anhörung des Haushaltsausschusses am Mittwoch zu dem neuen Rettungspaket Zweifel geäußert. Europa drohe "eine gewaltige Schuldenblase aufzubauen, die mit einem gewaltigen Knall platzen wird", sorgte sich Hans-Werner Sinn, der Chef des ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts.