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Parlamentarisches Profil : Der Generalist: Stefan Müller

07.06.2010
2023-08-30T11:25:57.7200Z
3 Min

Am Tag der Sonne hängen dunkle Wolken über der Hauptstadt. Es ist der Geburtstag Kim Il-sungs. In Pjöngjang tanzen die Leute auf den Straßen zu Ehren ihrer "Sonne", des verstorbenen Diktators. In Berlin hasten sie entlang der Häuserzeilen, auf der Suche nach Schutz vor den Regenschauern. Kalt bläst der Wind.

Stefan Müller verschränkt die Arme beim Blick aus dem Fenster. Ein Kahn schleppt sich die Spree herauf. "Die Lage in Nordkorea ist komplizierter geworden", sagt er, "das erschwert auch die Arbeit der Parlamentariergruppe." Seit Ende März führt Müller die deutsch-koreanische Parlamentariergruppe (PG) an, eine von 54 bi- und multilateralen im Bundestag. Bald will er sich mit den Botschaftern Süd- und Nordkoreas treffen. "Bei der Zusammenarbeit wird alles von der Atomfrage überschattet." Des Nordens Drang nach der Waffe, die ausbleibende Öffnung des Landes - der Spaßfaktor für Mitglieder dieser PG ist begrenzt. Und der Vorsitz womöglich der richtige Job für einen Generalisten, der selbst offen für Themen ist, bei denen so mancher CSU-Politiker rasch heiße Ohren kriegt.

Das Amt hat Müller von Hartmut Koschyk quasi geerbt. Den parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechend hat der langjährige Parlamentarische Geschäftsführer (PGF) der CSU-Landesgruppe im Bundestag seinen Vorsitz bei der deutsch-koreanischen Gruppe abgegeben, seitdem er mit dem Start von Schwarz-Gelb als Staatssekretär im Finanzministerium zur Exekutive gewechselt ist. Koschyk fragte seinen Nachfolger im Amt des PGF; wird der Vorsitz bei der PG doch traditionell von der CSU besetzt. Und Müller, 34 Jahre jung, neben seiner neuen Aufgabe als PGF auch Integrationsbeauftragter der Unionsfraktion und Chef der bayerischen Jungen Union (JU), sagte zu. "Als Deutsche müssen wir ein Interesse an guten Beziehungen zu Korea haben", sagt er, "und das nicht nur, weil es ein geteiltes Land ist. Allein die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Südkoreas ist beeindruckend."

Die Karriere des Stefan Müller hat ein ähnlich Atem raubendes Tempo hingelegt. Mit 15 trat er in die JU ein. Theo Waigel hatte ihn am Rande einer Veranstaltung angesprochen; bei nicht wenigen jungen CSU-Abgeordneten ist der ehemalige Finanzminister und Parteichef Taufpate ihrer politischen Laufbahn gewesen. Müller war schnell begeistert. Politik als Hobby geriet ihm bald wichtiger als Schule. Klassisch knüpfte sich ein Mandat ans andere. Mit der Mittleren Reife verließ Müller die Schule und wurde Bankkaufmann, arbeitete bis zu seinem Einzug in den Bundestag 2002 als Vizefilialleiter und Privatkundenbetreuer.

Etwas ist anders beim Abgeordneten Müller. Die meisten im Bundestag haben Abitur und studiert. Auch ist der Erlanger im eher überschaubaren Arbeitnehmerflügel der CSU, engagiert sich für Sozialthemen. "Ich kriege nicht gleich Hautausschlag, wenn ich neben einem Gewerkschafter sitze", sagt er. Und Müller gehört zur kleinen Schar jener Christsozialen, die eine Öffnung gegenüber den Grünen nicht nur aus Machtkalkül heraus vertreten. Wie verträgt sich das mit seinen früheren Aktieninvestments? "Bei mir finden Sie die Spannbreite, wie die Volkspartei CSU sie aushalten können muss."

Müller ist indes kein Ja-Sager. CSU-Abgeordnete berichten, dass Müller seinem PGF-Job durchaus zuchtmeisterliche Eigenschaften zubilligt. Und als Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder gegen die Regierungskommission zum Gesundheitswesen stichelte und sie vorab für tot erklärte, da mahnte Müller im eigenen Internetblog, Debatten intern statt auf offener Bühne auszutragen und zog seinem Mitfranken Söder einen verbalen Glacéhandschuh durchs Gesicht: "Wir sollten sie arbeiten lassen!", verbat er sich die Zwischenrufe aus Bayern in Berlin. "Wir dürfen nicht nur bayerische Interessen vertreten", sagt er, "die CSU muss auch ihren bundes- und europapolitischen Anspruch ernsthaft aufrecht erhalten." Deshalb auch seine Arbeit in der PG: "Ich will dort präsent sein", kündigt Müller an. Und schaut dem Kahn auf der Spree hinterher.