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Blockade in der Bildungspolitik

STUDIUM Ob das BAföG erhöht und ein nationales Stipendienprogramm eingerichtet wird, ist unklar - denn Bund und Länder streiten um die Finanzierung

14.06.2010
2023-08-30T11:25:58.7200Z
5 Min

Trotz aller Sparzwänge - bei der Bildung wird nicht gekürzt. Nur wenige Tage ist es her, da verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diese frohe Kunde und sprach weiterhin von ihrem Ziel, Deutschland zur "Bildungsrepublik" zu machen.

Die Euphorie darüber - so sie denn jemals vorhanden war - scheint längst verflogen. Gestritten wurde in der vergangenen Woche in Bildungsfragen heftig. Zwischen Bund und Ländern ebenso wie zwischen Opposition und Koalition. Und auch die Fachwelt übte Kritik an den geplanten Änderungen. Zumeist geht es ums Geld, aber auch um Verfassungsfragen.

Da wäre zum Beispiel der Bildungsgipfel, zu dem sich Länderchefs und die Bundeskanzlerin am vergangenen Donnerstag in Berlin trafen. Dabei ging es auch um den beim Gipfel vor anderthalb Jahren gefassten Entschluss, dass ab dem Jahr 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Bildung und Forschung fließen sollen. Auch nach dem jetzigen Gipfeltreffen wird an dem Zehn-Prozent-Ziel festgehalten, darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Unklar blieb aber, ab wann es erreicht werden soll und wer die Kosten übernimmt. Knackpunkt ist, dass die Länder einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer zur Finanzierung verlangen, der Bund dies bis 2013 jedoch kategorisch ablehnt.

Ganz ergebnislos wollten sich Länderchefs und Kanzlerin dann aber doch nicht voneinander verabschieden. So schloss man denn einen "Qualitätspakt" für die Lehre an den Hochschulen. Bis 2020 will der Bund etwa 2 Milliarden Euro dafür berappen, die Länder sollen ebenfalls Mittel bereitstellen. Das Geld soll in eine bessere Betreuung und bessere Lehrangebote an den Hochschulen fließen.

Beharren auf Bildungshoheit

Über die Bund-Länder-Problematik in der Bildungspolitik diskutierte auch der Bundestag am vergangenen Donnertag. Dabei erhoben die Oppositionsfraktionen in jeweils eigenen Anträgen (SPD: 17/1957, 17/101, 17/1973; Grüne: 17/1984, 17/131; Die Linke:17/119) die Forderung nach einer Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern. Dieser war durch die Föderalismusreform I im Jahr 2006 begründet worden. Ein "Flop" sei dieses Verbot, sagte die Linken-Abgeordnete Rosemarie Hein. "Es hat die Bildungslandschaft nicht reicher und auch nicht vielfältiger gemacht, den Föderalismus nicht befördert, aber die Finanzierbarkeit von guter Bildung erheblich erschwert", befand sie. Auch aus Sicht der Grünen-Abgeordnete Priska Hinz ist es "notwendig, dass endlich das Kooperationsverbot aufgekündigt wird, damit der Bund Angebote machen kann und sich Bund und Länder gemeinsam verständigen können, wie die übergreifenden Probleme in der Bildung in diesem Land gelöst werden können". Derzeit sei keine gesamtstaatliche Strategie für bessere Bildung zu erkennen.

Schon im März habe er Bundesbildungsministerin Annette Schavan vorgeschlagen, gemeinsam eine überparteiliche Initiative zur Änderung des Grundgesetzes zu ergreifen, sagte Swen Schulz (SPD). Schavans Antwort habe jedoch deutlich gemacht, dass sie nichts unternehmen wolle. "Viel reden, wenig handeln - das ist das Motto Ihrer Regierungszeit, Frau Schavan", befand Schulz.

Verschiebung »fatal«

Auch die Unions-Abgeordnete Monika Grütters sieht es als eine "Krux" an, dass die Länder auf ihrer Bildungshoheit beharren. Das gelte auch für die SPD-geführten Länder. Grütters sprach sich dafür aus, "die Kooperationsmöglichkeiten im Grundgesetz zu erweitern". Warum die Länder soviel Wert auf die Bildungshoheit legen, erläuterte der bayrischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), derzeit auch Vorsitzender der Kulturministerkonferenz. Zum einen gehe es um die "Sicherung der Eigenstaatlichkeit der Länder" und zum anderen sei man dort "näher an den Menschen". "Deshalb ist für uns die Frage eines Herangehens an die Verfassung zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch gestellt", betonte Spaenle.

Zum Zehn-Prozent-Ziel sagte der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt, es sei im Regierungsprogramm verankert, "dass wir das Zehn-Prozent-Ziel im Jahr 2015 erreichen wollen". Eine Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt sei "fatal", sagte Meinhardt. Das bewertete der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Kretschmer anders. Wichtig sei, dass es bei dem Ziel bleibe. Das sei "eine große Angelegenheit, ein richtiger Weg". "Der zentrale Punkt ist nicht, ob das Ziel wie vorgesehen erreicht wird oder ein oder zwei Jahre später", ergänzte er.

Ob es jetzt, später oder überhaupt zu der geplanten BAföG-Erhöhung und der Auflage eines nationalen Stipendienprogrammes kommen wird, es ebenfalls unklar. Nicht nur, dass die Länder auch hier ihren Anteil an den Kosten nur bei zusätzlichen Umsatzsteuermitteln durch den Bund zu zahlen bereit sind, gibt es auch durchaus kritische Stimmen aus der Fachwelt zu den Koalitionsplänen. So wurde die von den Regierungsfraktionen im 23. BAföG-Änderungsgesetz (17/1551) vorgesehene Erhöhung bei der Ausbildungsförderung zwar grundsätzlich begrüßt. Zugleich jedoch wurde die von Union und FDP geplante Erhöhung der Bedarfssätze um zwei Prozent und der Freibeträge um drei Prozent bei einer Expertenanhörung des Bildungsausschusses am 6. Juni als zu gering bewertet. Um gestiegene Lebenshaltungskosten auszugleichen und den Anteil der geförderten Studierenden und Schüler zu steigern, sei eine Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um zehn Prozent notwendig, sagte etwa Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

»Ausbau der sozialen Selektion«

Aus Sicht des Generalsekretärs des Deutschen Studentenwerkes (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, hat die letzte BAföG-Anpassung im Jahre 2008 lediglich dazu geführt, dass einzelne Studierende mehr Geld bekommen hätten. "Der Kreis der Geförderten hat sich hingegen nicht erhöht", sagte Meyer auf der Heyde. Solle die von der Bundesregierung bei der 22. BAföG-Novelle anvisierte Zahl von 100.000 zusätzlich Geförderten erreicht werden, müssten aus Sicht des DSW die Freibeträge um 18 Prozent gesteigert werden. Positiv bewertete GEW-Mann Keller die von der Koalition geplante Anhebung der Altersgrenze von 30 auf 35 Jahre für Masterstudierende. "Das ist ein erster Schritt, um das BAföG ,Bologna-tauglich' zu machen", sagte er.

Bei einer weiteren Anhörung zum Gesetzentwurf für ein Nationales Stipendienprogramm (17/1552), mit dem bis zu acht Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen in Zukunft mit einem Stipendium von 300 Euro im Monat gefördert werden sollen, gab es Zustimmung wie auch Ablehnung. Ziel der Initiative ist es laut Union und FDP "Begabungsreserven" zu erschließen, etwa bei Studierenden mit Migrationshintergrund oder einem "bildungsfernen familiären Hintergrund".

Dieses Ziel werde mit dem Entwurf nicht erreicht, kritisierte Florian Kaiser, Vorstandsmitglied bei dem studentischen Dachverband FZS. Zum einem fehle ein Rechtsanspruch auf eine Förderung. Zum anderen stelle seiner Ansicht nach der Ausbau des Stipendiensystems auch einen "Ausbau der sozialen Selektion" dar. Kaiser forderte, die für das Programm vorgesehenen staatlichen Mittel in die Umgestaltung des BAföG hin zu einem "elternunabhängigen Vollzuschuss" zu investieren.

Zustimmung erfuhr die Vorlage vom Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft. Das Gesetz sei "gut, innovativ und zielführend", sagte dessen Generalsekretär Volker Meyer-Guckel. Angesichts des zu erwartenden Fachkräftemangels werde das Stipendienprogramm langfristig für die Wirtschaft an Bedeutung gewinnen. Den Plan, bis 2013 für acht Prozent der Studierenden Stipendien einzurichten, bezeichnete er jedoch als "überzogen". Für eine neue Stipendienkultur brauche es mehr Zeit.