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Die Blockade bröckelt

BELGIEN Kompromisse zwischen den verfeindeten Wahlsieger werden wahrscheinlicher

05.07.2010
2023-08-30T11:25:59.7200Z
2 Min

Nach dem Schock über das Ergebnis der Parlamentswahl vom 13. Juni macht sich in Belgien vorsichtiger Optimismus breit. Die Zuversicht wächst, dass es nicht wie zuletzt 2007 neun Monate dauern wird, bevor eine Regierung steht. Auch wenn die Gemengelage auf den ersten Blick kompliziert erscheint.

Klare Sieger des Urnengangs waren in Flandern die nationalistische Nieuw Vlaamse Alliantie (N-VA) und im frankophonen Süden des Landes die sozialistische Partei (PS). Für die Sozialisten war die von Bart de Wever geführte N-VA lange Staatsfeind Nummer eins. Und der flämische Wahlsieger bekämpfte die PS im Wahlkampf 2007 mit einem Warnschild, in dessen Mitte sich eine Fliege befand: Das Markenzeichen ihres Vorsitzenden Elio Di Rupo.

Die Wahlprogramme der Wahlsieger könnten unterschiedlicher kaum sein: Für die Sozialisten soll alles am besten bleiben wie es ist in Belgien. Demgegenüber verfolgt die Partei De Wevers die Unabhängigkeit des flämischen Nordens als oberstes Ziel. Aber es gibt Zeichen, die optimistisch stimmen können: De Wever hat die ihm von König Albert II übertragene Aufgabe, Sondierungen für eine Regierungsbildung zu beginnen, akzeptiert. Nicht wenige hatten erwartet, er würde andere im komplizierten Labyrinth der belgischen Parteienlandschaft wursteln lassen und deren Vorschläge am Ende gutheißen oder nicht. Aber der starke Mann im Land scheint zu wissen, dass die Flamen, die N-VA wählten, längst nicht alle vorrangig die Unabhängigkeit Flanderns wollen. Viele sehnen sich lediglich nach Lösungen für die grundlegenden Probleme.

Auf der anderen Seite müssen die Frankophonen zur Kenntnis nehmen, dass 40 Prozent der Flamen Parteien ihre Stimme gegeben haben, die offen für eine Spaltung Belgiens eintreten - außer der N-VA noch die rechte "Liste Dedecker" und der rechtsradikale "Vlaams Belang". Di Rupo, ein Vollblutpolitiker wie De Wever, muss erkennen, dass die ständige Politik des "No", mit der die Wallonen jahrelang Reformen blockiert haben, das Risiko einer tatsächlichen Spaltung des Landes deutlich erhöht. Um so mehr, als ihm mit De Wever einer gegenübersteht, der mit einer Auflösung des Staates im Zweifel keinerlei Probleme hätte.

Di Rupo könnte seit 37 Jahren der erste frankophone Premierminister Belgiens werden, ein Ziel, auf das er lange hin gearbeitet hat. Das könnte seine Kompromissbereitschaft bei Staatsreform und BHV beflügeln. De Wever hingegen legt auf den Posten des Regierungschefs keinen Wert.

Deshalb ist das Unwahrscheinliche möglich: Wenn der Flame keine unannehmbaren Forderungen an Di Rupo stellt - dazu gehörte etwa die Aufspaltung der Sozialversicherungskassen - könnte es klappen mit den beiden. Dann hätte der nationalistische De Wever das geschafft, woran so viele vor ihm gescheitert sind: Er hätte die belgische Blockade durchbrochen.