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ORTSTERMIN BEIM: »TAG DER EIN- UND AUSBLICKE« : »Die Bundestagsdebatten sind wie eine Show«

20.09.2010
2023-08-30T11:26:04.7200Z
3 Min

Der Mann ist verwirrt. Irgendwie hat er sich den Arbeitsplatz eines Volksvertreters feudaler vorgestellt. "So viel Quadratmeter sind das ja gar nicht", sagt er, steckt seinen Kopf in das Abgeordneten-Büro und begutachtet Schreibtisch, Besucherstühle und Bücherregale. "Es sind genau 18 Quadratmeter", sagt die Besucherbetreuerin. Dann lächelt sie. Ungezählte Male hat sie das heute schon erzählt.

Zum "Tag der Ein- und Ausblicke" am 12. September kamen 23.000 Besucher in den Bundestag. Sie besichtigten Abgeordnetenbüros, informierten sich bei Podiumsdiskussionen und Infoständen über die Parteien und ihre Arbeit im Bundestag, besuchten Ausstellungen und tauchten ab in das Innenleben des Parlaments - zum Beispiel das Archiv. Dort sind die Regale mit einem schwarz-rot-goldenen Band abgesperrt, in ihnen stehen gebundene Bücher - untypisch für Archive. "Eigentlich erwartet man staubige Blattsammlungen", sagt Angela Ullmann, die die Führung leitet. Die Bände sind eine Besonderheit des Parlamentsarchivs, in ihnen sind die Gesetze zu so genannten Gesetzesdokumentationen zusammengefasst. Die losen Originale werden daneben aufbewahrt. Insgesamt umfasst das Archiv mehr als 11.000 Regalmeter. Leif Distel ist fasziniert: "Das ist viel interessanter, als auf die Kuppel zu klettern." Auf die Kuppel klettern - das hatte der Hamburger eigentlich als Teil seines Berlin-Urlaubs geplant. Doch dann war es ihm dort oben zu voll. Machte aber nichts: Wenn der Bundestag einmal all seine Pforten öffnet, dann sollte man auch reingehen, fand Distel. Und verschob den Kuppelbesuch.

Auf der Treppe des Reichstagsgebäudes bilden sich Schlangen, davor spielt eine Band und auch im Gebäude herrscht reger Betrieb. Auf der Fraktionsebene verschenken die Grünen Glückskekse mit politischen Botschaften wie "Schalte ein Atomkraftwerk selbst aus". Bei der Linksfraktion können die Besucher auf Postkarten Fragen an Abgeordnete formulieren. "Was tun Sie für alleinerziehende Eltern?", will eine Frau wissen. Vor dem SPD-Fraktionssaal stehen die Besucher vor den Fotos ehemaliger Fraktionsvorsitzender - unter ihnen Kurt Schumacher und Helmut Schmidt - und bei der Union fangen Kinder mit einer magnetischen Angel Fische, während eine Abgeordnete den Eltern den Gang der Gesetzgebung erklärt. Die FDP-Fraktion lädt zum Abgeordneten-Memory ein.

Währenddessen steht Parteikollege und Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms (Foto) auf einer für ihn eher ungewöhnlichen Seite des Bundestages - nämlich auf der Besuchertribüne des Plenarsaals. Von dort erklärt er die Arbeit im Plenum. "Das ist eine Show", sagte er. Die öffentliche Diskussion sei dafür da, die unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen und zu zeigen, dass die Parteien für ihre Meinungen kämpfen. Allerdings: "Das kann auch ziemlich langweilig sein, das gebe ich zu." Die in Fragestunden behandelten Themen seien oft so kleinteilig, dass sie nur einige Fachpolitiker interessierten. Daneben gebe es aber Themen, die für jeden wichtig seien.

Klimaschutz, zum Beispiel. Das wird bei der Ausstellung "Die Rolle des Ozeans im Klimawandel" in der Halle des Paul-Löbe-Hauses deutlich. In einer Black Box zeigt eine 200-fache Vergrößerung von Mikroalgen, welche Auswirkungen die Versauerung der Ozeane auf die dort lebenden Organismen hat. Ein Riesen-Touchpad beantwortet Detailfragen und in der Ecke stehen Exponate aus der frühen Meeresforschung: Gläser mit Fischen, Würmern und sons- tigem Getier, die einst in 2.000 Metern Meerestiefe lebten. Tiefseegeräusche und ein Monitor an der Decke, der die Wasseroberfläche von unten zeigt, geben den Besuchern das Gefühl, einen Spaziergang auf dem Grund des Ozeans zu unternehmen: Unterwasseratmosphäre im Reich der Parlamentarier. Die Ausstellung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften und des Kieler Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" ist noch bis zum 8. Oktober im Rahmen von Führungen zu besichtigen.