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20 Jahre Neugier

TECHNIKFOLGENABSCHÄTZUNG Zum Jubiläum wurde über den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik diskutiert

04.10.2010
2023-08-30T11:26:05.7200Z
6 Min

Bei der Eröffnung der siebten Großen Deutschen Funkausstellung im August 1930 sagte Albert Einstein: "Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst." In der Tat: Wissenschaft und Technik wollen verstanden, richtig behandelt und nicht zuletzt sorgfältig abgeschätzt werden. Aufgaben, die das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) seit 20 Jahren wahrnimmt.

Bereits in den 1970er Jahren waren zahlreiche Parlamentarier aus allen Fraktionen zu der Einsicht gelangt, dass der Bundestag seiner politischen Verantwortung für die Mitgestaltung des technischen Fortschritts besser gerecht werden müsse. Die Suche nach einer institutionellen Form stellte sich allerdings schwierig dar - so dass es bis November 1989 dauerte bis die Entscheidung fiel: Der Ausschuss für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung wurde als "Lenkungsorgan für die parlamentarische Technikfolgenabschätzung (TA)" eingesetzt. Die wissenschaftliche Seite fiel an eine externe Forschungseinrichtung, an das Karlsruher Institut für Technologie. Seitdem hat das TAB im Auftrag der Ausschüsse und Fraktionen 144 Berichte veröffentlicht, sie wurden im Plenum des Bundestages diskutiert und sind in die Beratungen der Fachausschüsse eingeflossen. Die Parlamentarier brauchen sich vor Einstein nicht zu schämen. Mithilfe des TAB dringen sie in kleinste technische Details vor. Die Berichte umfassen ein breites Spektrum und reichen von Nanotechnologie über Gendoping bis hin zu Kernfusion, Biometrie und Zukunftstrends im Tourismus (siehe Artikel unten).

Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums diskutierten am vergangenen Mittwoch Wissenschaftler und Politiker die Möglichkeiten des Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik.

"Die Politikberatung ist so alt wie die Politik selbst", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zur Eröffnung. Das TAB diene dazu, dass das Parlament das Maß der verfügbaren Erkenntnisse in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen könne. Aber: Alles hat seine Grenzen, betonte Lammert. Und zitierte Peter Ustinov: "Am Tag des Weltuntergangs wird die letzte hörbare Stimme die eines Experten sein, der da sagt: 'Dieses Ereignis ist technisch unmöglich!'"

Spannungsgeladene Beziehung

Trotz Grenzen: "Das TAB ist eine Erfolgsgeschichte", sagte Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - wie das "Lenkungsorgan" heute heißt. Das Büro biete kundenorientierte Dienstleistung, ohne dabei die wissenschaftliche Unabhängigkeit aufzugeben. Die Beziehung zwischen TAB und Politikern sei "spannend und spannungsgeladen". So bekomme mancher Ausschuss zu hören, dass es "völlig illusorisch" sei, was er sich vorstelle. Doch könnte auch dem eine positive Seite abgewonnen werden, wie Sylvia Canel (FDP) sagte. "Es hilft, mit sich selbst auch einmal kritisch umzugehen und umzudenken." Und René Röspel von der SPD fasste es prägnant zusammen: Er sei klüger geworden durch das TAB. Petra Sitte von der Linksfraktion wies darauf hin, dass es in diesem Jahr zwei Jubiläen gebe: 20 Jahre deutsche Einheit und 20 Jahre TAB. Sogar in den turbulenten Monaten der Wiedervereinigung hätten sich Politiker die Zeit genommen, das TAB auf den Weg zu bringen. Das unterstreiche die Wichtigkeit der Einrichtung.

Bei der Podiumsdiskussion wurden jedoch nicht nur die Grenzen der Wissenschaft betont, sondern auch die Grenzen der Beratereigenschaft. Zwar helfe das TAB neben den meist zuerst bedachten ökonomischen Folgen von Technik auch die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen zu bedenken, sagte Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen). Dennoch: "Die Politik hat das Primat der Entscheidung, das sollte ihr die Wissenschaft nicht abnehmen." Und Thomas Feist (Union) betonte, dass bestimmte Ereignisse eine schnelle Entscheidung forderten. "Bei der Wiedervereinigung etwa bin ich froh, dass wir nicht auf einen TAB-Bericht gewartet haben", sagte er.

Eine weitere Herausforderung: Die Entscheidung, welche Untersuchung das TAB vornehmen soll, wird von den Berichterstattern für TA der fünf Fraktionen im Bildungsausschuss einstimmig beschlossen - ebenso wie auch die Berichte einstimmig abgenommen werden. "Wir arbeiten nicht für Parteien, wie arbeiten für den Bundestag", sagte Armin Grunwald, Leiter des TAB.

Mehr Mittel

In der Plenardebatte am vergangenen Donnerstag drückten einige Parlamentarier ihre Hoffnung aus, dass das Büro finanziell stärker unterstützt werde. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe es keine Mittelerhöhung gegeben. Die Grünen forderten fünf Prozent der Forschungsgelder für die TA. Zudem waren sich die Parlamentarier einig, dass TA stärker öffentlich wahrnehmbar gemacht werden müsse. Außerdem - so forderten die Oppositionsfraktionen - müsste die Regierung TAB-Berichte stärker in ihre Entscheidungen einfließen lassen.

Bei der Eröffnung der siebten Großen Deutschen Funkausstellung im August 1930 sagte Albert Einstein: "Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst." In der Tat: Wissenschaft und Technik wollen verstanden, richtig behandelt und nicht zuletzt sorgfältig abgeschätzt werden. Aufgaben, die das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) seit 20 Jahren wahrnimmt.

Bereits in den 1970er Jahren waren zahlreiche Parlamentarier aus allen Fraktionen zu der Einsicht gelangt, dass der Bundestag seiner politischen Verantwortung für die Mitgestaltung des technischen Fortschritts besser gerecht werden müsse. Die Suche nach einer institutionellen Form stellte sich allerdings schwierig dar - so dass es bis November 1989 dauerte bis die Entscheidung fiel: Der Ausschuss für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung wurde als "Lenkungsorgan für die parlamentarische Technikfolgenabschätzung (TA)" eingesetzt. Die wissenschaftliche Seite fiel an eine externe Forschungseinrichtung, an das Karlsruher Institut für Technologie. Seitdem hat das TAB im Auftrag der Ausschüsse und Fraktionen 144 Berichte veröffentlicht, sie wurden im Plenum des Bundestages diskutiert und sind in die Beratungen der Fachausschüsse eingeflossen. Die Parlamentarier brauchen sich vor Einstein nicht zu schämen. Mithilfe des TAB dringen sie in kleinste technische Details vor. Die Berichte umfassen ein breites Spektrum und reichen von Nanotechnologie über Gendoping bis hin zu Kernfusion, Biometrie und Zukunftstrends im Tourismus (siehe Artikel unten).

Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums diskutierten am vergangenen Mittwoch Wissenschaftler und Politiker die Möglichkeiten des Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik.

"Die Politikberatung ist so alt wie die Politik selbst", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zur Eröffnung. Das TAB diene dazu, dass das Parlament das Maß der verfügbaren Erkenntnisse in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen könne. Aber: Alles hat seine Grenzen, betonte Lammert. Und zitierte Peter Ustinov: "Am Tag des Weltuntergangs wird die letzte hörbare Stimme die eines Experten sein, der da sagt: 'Dieses Ereignis ist technisch unmöglich!'"

Spannungsgeladene Beziehung

Trotz Grenzen: "Das TAB ist eine Erfolgsgeschichte", sagte Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - wie das "Lenkungsorgan" heute heißt. Das Büro biete kundenorientierte Dienstleistung, ohne dabei die wissenschaftliche Unabhängigkeit aufzugeben. Die Beziehung zwischen TAB und Politikern sei "spannend und spannungsgeladen". So bekomme mancher Ausschuss zu hören, dass es "völlig illusorisch" sei, was er sich vorstelle. Doch könnte auch dem eine positive Seite abgewonnen werden, wie Sylvia Canel (FDP) sagte. "Es hilft, mit sich selbst auch einmal kritisch umzugehen und umzudenken." Und René Röspel von der SPD fasste es prägnant zusammen: Er sei klüger geworden durch das TAB. Petra Sitte von der Linksfraktion wies darauf hin, dass es in diesem Jahr zwei Jubiläen gebe: 20 Jahre deutsche Einheit und 20 Jahre TAB. Sogar in den turbulenten Monaten der Wiedervereinigung hätten sich Politiker die Zeit genommen, das TAB auf den Weg zu bringen. Das unterstreiche die Wichtigkeit der Einrichtung.

Bei der Podiumsdiskussion wurden jedoch nicht nur die Grenzen der Wissenschaft betont, sondern auch die Grenzen der Beratereigenschaft. Zwar helfe das TAB neben den meist zuerst bedachten ökonomischen Folgen von Technik auch die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen zu bedenken, sagte Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen). Dennoch: "Die Politik hat das Primat der Entscheidung, das sollte ihr die Wissenschaft nicht abnehmen." Und Thomas Feist (Union) betonte, dass bestimmte Ereignisse eine schnelle Entscheidung forderten. "Bei der Wiedervereinigung etwa bin ich froh, dass wir nicht auf einen TAB-Bericht gewartet haben", sagte er.

Eine weitere Herausforderung: Die Entscheidung, welche Untersuchung das TAB vornehmen soll, wird von den Berichterstattern für TA der fünf Fraktionen im Bildungsausschuss einstimmig beschlossen - ebenso wie auch die Berichte einstimmig abgenommen werden. "Wir arbeiten nicht für Parteien, wie arbeiten für den Bundestag", sagte Armin Grunwald, Leiter des TAB.

Mehr Mittel

In der Plenardebatte am vergangenen Donnerstag drückten einige Parlamentarier ihre Hoffnung aus, dass das Büro finanziell stärker unterstützt werde. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe es keine Mittelerhöhung gegeben. Die Grünen forderten fünf Prozent der Forschungsgelder für die TA. Zudem waren sich die Parlamentarier einig, dass TA stärker öffentlich wahrnehmbar gemacht werden müsse. Außerdem - so forderten die Oppositionsfraktionen - müsste die Regierung TAB-Berichte stärker in ihre Entscheidungen einfließen lassen.