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Kurz notiert

25.10.2010
2023-08-30T11:26:07.7200Z
9 Min

Leerverkäufe

Sie sind das Synonym für Spekulationen an Börsen: die Leerverkäufe oder auch "short sellings". Dabei verkaufen Händler Aktien, die sie nur ausgeliehen haben. Wenn der Kurs des Papiers unter den eigenen Verkaufspreis gefallen ist, kaufen sie die Aktien zurück und verdienen an der Differenz. Bei ungedeckten Leerverkäufen sind die verkauften Wertpapiere noch nicht einmal geliehen. Das ist dem Leerverkäufer möglich, weil er zwei Börsentage Zeit hat, um die Wertpapiere zu beschaffen. Damit kann theoretisch ein Vielfaches der Papiere verkauft werden, was starke Kursverwerfungen nach sich ziehen kann. Die Bundesregierung hat im Sommer 2010 alle ungedeckten Leerverkäufe untersagt. Das Verbot betrifft deutsche Aktien sowie deutsche und österreichische Staatsanleihen.

Credit Default Swap

Ein Credit Default Swap (CDS, engl. Kreditausfall-Swap) ist ein Kreditderivat, das es erlaubt, Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnernamen zu handeln. Der CDS ähnelt damit einer Kreditversicherung. Allerdings erhält der Sicherungsnehmer die Ausgleichzahlung unabhängig davon, ob ihm durch den Ausfall des Referenzschuldners überhaupt ein Schaden entsteht. Credit Default Swaps sind also ein Instrument, mit dem unabhängig von bestehenden Kreditbeziehungen Kreditrisiken gehandelt werden können. Mit ihnen wurde zu Beginn der Immobilienkrise gehandelt, um faule Kredite abzusichern. Und auch auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise dienten sie dazu, Ausfallrisiken von griechischen Staatsanleihen abzusichern.

Verbriefungen

Mit ihnen wurden anfangs die vielen faulen Immobilienkredite in den USA gebündelt, umgeschichtet, neugeordnet und von Bank zu Bank weiterverschoben. Am Ende waren fast alle Banken in westlichen Industrieländern von "faulen" Verbriefungen "infiziert". Dabei sind Verbriefungen eigentlich etwas sehr Sinnvolles - sie verteilen die Schuld Einzelner auf viele andere. Denn jeder Zahlungsanspruch von Unternehmen gegen einen Kunden stellt eine Buchforderung dar. Die Verbriefung solcher Forderungen bietet dabei die Möglichkeit zur Refinanzierung, da sie die Forderungen in Wertpapiere umwandelt, die am Kapitalmarkt gehandelt werden können. Für Unternehmen kann diese Art der Kapitalaufnahme eine Alternative zu Bankkrediten darstellen.

Bad Bank

Eine Bad Bank ist eine Auffangbank zur Abwicklung von Problem-Krediten sanierungsbedürftiger Banken. In der aktuellen Finanzkrise kann die Überführung solcher Kredite in eine Abwicklungsbank, für deren übernommenes Kreditportfolio der Staat oder ein Einlagensicherungsfonds die Haftung übernimmt, ein Weg sein, um eine Insolvenz abzuwenden. Eine der ersten deutschen Bad Banks wurde bei der WestLB eingerichtet. In ihr wurden zirka 80 Milliarden Euro an "faulen" Papieren ausgegliedert. Im September 2010 gründete die Hypo Real Estate ein Auffanginstitut. Die dort eingelagerten Kredite, Wertpapiere und Derivate haben einen Gesamtbuchwert von 173 Milliarden Euro - der tatsächliche Wert ist unklar.

Bankenabgabe

Bankenkrisen werden auch in Zukunft Geld kosten. Nach Vorstellung des Finanzministers aber nicht mehr das des Steuerzahlers, sondern das eines Stabilitätsfonds, der aus der neu zu schaffenden Bankenabgabe gespeist wird. Dieser Stabilitätsfonds soll künftige Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen bei Banken finanzieren. Deswegen sollen die Banken mit insgesamt etwa einer Milliarde Euro pro Jahr zur Kasse gebeten werden - jede nach ihrer Größe und nach dem Risiko ihres Geschäftsmodells. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll Mitte November den Bundestag passieren. Der Bundesrat muss zustimmen und hat bereits Änderungsbedarf angemeldet: die Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollen von der Bankenabgabe ausgenommen werden.

Finanzmarktsteuer

Die plötzliche Karriere der früher gemeinhin abgelehnten Finanzmarkttransaktionssteuer zeigt einmal mehr, wie sehr die Finanzkrise das Weltbild der Politik verändert hat. Die Steuer soll kurzfristige Spekulationen eindämmen und die Finanzindustrie an den Kosten der Krise beteiligen. Schon bei einer Abgabe von 0,01 Prozent würden durch die Steuer rund 12 Milliarden Euro in den deutschen Haushalt fließen. Auf dem letzten G20-Gipfel konnten Deutschland und Frankreich für diese Idee keine Mehrheit gewinnen. Auch in Europa findet die Idee zu wenige Anhänger, auch die EU-Kommission ist dagegen, so dass eine Umsetzung derzeit unwahrscheinlich erscheint.

Sind die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen worden?

Zwei Jahre nach der Finanzkrise ist die Suche nach den Verantwortlichen in den USA noch in vollem Gange. Wenig überraschend hat die Öffentlichkeit ihr Urteil bereits gefällt: Die führenden Manager im "Kasino Wall Street" haben mit ihrer "Gier" die ganze Welt an den Rand des Kollaps geführt.

Juristisch sieht die Sache ganz anders aus: Ausgerechnet der Chef einer - aus amerikanischer Sicht - unbedeutenden kleinen Bank in Deutschland, der Ex-Vorstandsvorsitzende der Mittelstandsbank IKB Stefan Ortseifen, ist weltweit der einzige Topmanager, der wegen seines Verhaltens in der Finanzkrise verurteilt wurde. Er hatte in einer Pressemitteilung im Sommer 2007 die Lage seiner Bank als blendend dargestellt. Nur Tage danach musste die Bundesregierung das Institut mit Milliarden retten. Bislang ist er der einzige, den es vor Gericht erwischt hat, denn zumindest in den USA stehen bis dato nur "kleine Fische" vor Gericht.

Für die Topmanager der Wall Street ist die Lage eindeutig. Sie haben nur getan, was im besten Interesse ihrer Aktionäre war. "Gier" ist eben nicht gesetzeswidrig. Aber bislang sind Verurteilungen wegen des Verhaltens in der Krise nicht einmal bei Richard Fuld, dem Ex-Chef der im Herbst 2008 zusammengebrochenen Investmentbank Lehman Brothers, abzusehen.

Immerhin zog in der vorvergangenen Woche die amerikanische Börsenaufsicht SEC einen Manager zur Rechenschaft: Der ehemalige Chef des einst größten amerikanischen Immobilienfinanzierers Countrywide, Angelo Mozilo, muss insgesamt 67,5 Millionen Dollar zahlen, weil er seine Aktionäre über die gefährlichen Geschäfte des Unternehmens auf dem Hypothekenmarkt im Unklaren gelassen hat. Die Anleger verloren daraufhin viel Geld, während Mozilo selbst rechtzeitig ausstieg und reich wurde.

Bislang waren es, wenn überhaupt, die Unternehmen, die die Rechnungen begleichen mussten. So musste die Investmentbank Goldman Sachs Anfang Juli 550 Millionen Dollar an die Aufsichtsbehörde SEC zahlen, die ihre Klage wegen Kundenbetrugs daraufhin zurückzog. Der Kunde, in dem es in diesem Verfahren ging, war ausgerechnet Ortseifens IKB. Der Vorwurf: Goldman habe der deutschen Bank "toxische" Kreditpapiere verkauft, obwohl sie wussten, dass ein mächtiger Hedge-Fonds-Manager gegen sie wettete. Übrig geblieben ist von der spektakulär vorgestellten SEC-Klage gegen Goldman und die "Abacus" genannte Transaktion lediglich ein Verfahren gegen einen Angestellten der Bank, Fabrice Tourre. Das Verfahren gegen Tourre ist nur eines von vielen gegen Angestellte der großen Banken, das noch nicht abgeschlossen ist.

Der Autor ist New York-Korrespondent des "Handelsblatts".

Wer macht die Regeln für die Finanzmärkte von morgen?

So global die Finanzmärkte heute agieren, so global müssen sie künftig koordiniert und reguliert werden. Das ist vielleicht die wichtigste Lehre aus dem Finanzcrash. Und die Politik zieht die Lehren aus der Vergangenheit - in regulatorischer, aber auch in institutioneller Hinsicht. Bisher wurden die maßgeblichen Regeln für die internationalen Finanzmärkte vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, den jeweiligen nationalen Notenbanken und vor allem vom Zusammenschluss der Zentralbanken, der "Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)" in Basel gemacht. Dort wird derzeit auch über das "Basel-III"-Abkommen verhandelt, das unter anderem eine höhere Eigenkapitalausstattung für Banken vorsieht.

Darüber hinaus haben die G20-Staaten beschlossen, bei eben jener BIZ das dort bereits bestehende Finanzstabilitätsforum aufzuwerten und zu einem Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, FSB) fortzuentwickeln. Das Forum wurde übrigens 1999 auf Initiative des Deutschen und früheren Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer gegründet. Es soll unter anderem die Koordination zwischen den für Finanzmarktstabilitätsfragen zuständigen Behörden verbessern, Verwundbarkeiten des Finanzsystems aufdecken und neue Entwicklungen auf den Finanzmärkten exakt beobachten und Alarm schlagen, sobald neue Regeln notwendig sind.

EU-Aufsicht

Auch Europa ringt derzeit mit neuen Regeln für die Aufsicht. So wird es demnächst einen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) geben. Das ESRB soll systemische Risiken früh erkennen, vor Gefahren für die Finanzstabilität warnen und Handlungsvorschläge unterbreiten. Es soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt sein. Im General Board sitzen neben dem Präsidenten und Vize-Präsidenten der EZB unter anderem alle 27 Notenbankgouverneure der EU. Zudem wird es drei europäische Finanzaufsichtsbehörde geben. Sie entstehen durch Umwandlung der bisher eher beratend tätigen EU-Ausschüsse für Banken, Versicherungen und Wertpapierregulierung, die im Fachjargon als "Level 3-Ausschüsse" bezeichnet werden. Sie haben die Aufgabe, die Stimmigkeit aufsichtlicher Regeln und Praktiken voran zu treiben und die Kooperation zwischen den Aufsehern in Europa zu stärken. Sie werden Kernbestandteil der EU-Finanzaufsicht sein, zusammen mit den nationalen Behörden für Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht. Zu den Aufgaben der EU-Behörden soll es gehören, die Aufsichtspraxis weiter zu harmonisieren und den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden zu verbessern. Zudem sollen sie eine Art Schiedsrichter bei Meinungsverschiedenheiten sein.

Sind die geplanten Regulierungen bei den Banken zu stark oder zu lasch?

Beides. Die unter "Basel III" firmierenden Regeln sind der bisher weitest reichende Schritt in Richtung einer solideren Finanzarchitektur. Denn die Regeln werden nach einer Einführungsphase an allen wichtigen Bankenplätzen gelten. Die Anforderungen enthalten neue Quoten und neue Qualitätsanforderungen für das Eigenkapital der Banken.

Die Logik entspricht der von "Basel II". Zunächst wird das Risiko erfasst, in dem alle Aktiva einer Bank mit Gewichten multipliziert und dann addiert werden. Bezogen auf diese Summe müssen die Kreditinstitute bestimmte Eigenkapitalquoten einhalten. Die wichtigste Änderung betrifft die Quote für das so genannte harte Kernkapital. Die steigt nämlich von 2 auf 7 Prozent. Die Erhöhung der Quote ist durchaus beachtlich, andererseits ist das Niveau nicht zu hoch. Zudem werden die neuen Eigenkapitalanforderungen sukzessive bis 2019 eingeführt, so dass Banken mit einem nachhaltigem Geschäftsmodell in der Lage sein werden, ihr Eigenkapital aufzufüllen, in dem sie Gewinne einbehalten und neue Mittel aufnehmen. Banken ohne Geschäftsmodell werden es dagegen schwer haben; das ist durchaus gewollt!

Es bleiben jedoch Zweifel, ob die neuen Regeln unser Finanzsystem wirklich solider machen. Die geringen Eigenkapitalpuffer haben unser Finanzsystem labil gemacht, so dass die Schwierigkeiten in einem relativ kleinen Bereich der zweitrangigen Kredite zu einer Krise eskalierten. Dementsprechend sind höhere Eigenkapitalanforderungen geboten.

Andererseits gibt es noch Regulierungsbaustellen: Bisher bleibt offen, wie man mit systemrelevanten Banken umgehen will, also jenen Banken, deren Schieflage negative Folgen für die Stabilität des Finanzmarktes haben würden. Offen ist noch, in welchem Maße man ihnen spezielle quantitative Auflagen macht. In den USA wird die Zentralbank extra Eigenkapitalaufschläge verlangen können; wie das umgesetzt wird, ist noch unklar. In Deutschland soll das Restrukturierungsgesetz das Problem lindern, indem die Aufsicht in die Lage versetzt wird, bei systemrelevanten Banken frühzeitig einzugreifen. Grundsätzlich ist das eine gute Idee, denn die Banken werden vermeiden wollen, in eine solche Lage zu geraten.

Auf der Agenda ist noch die Prüfung anderer Instrumente, die Banken davon abhalten sollten, zu hohe Risiken einzugehen. Die Prüfungen sind richtig, denn es gibt auch schlechte Ideen. Maßnahmen, die direkt an die Ertragskraft der Banken gehen, wie etwa die Bankenabgabe, sind umstritten, denn sie erschweren es den Banken, selbst einen Puffer gegen Risiken aufzubauen.

Der Autor ist Finanzmarktspezialist beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.